Wir haben in unserer Mittagsendung auch mit der Publizistin Ferda Ataman über das Thema gesprochen. Sie sagt: "Handke hat sich verächtlich über Frauen geäußert und die Nähe zu Kriegsverbrechern nicht gescheut." Das seien Statements, die für sich stehen - die Verleihung des Nobelpreises an ihn sei vor diesem Hintergrund ein "Schlag ins Gesicht von allen, die sich für Menschenrechte einsetzen". Das ganze Gespräch hören Sie hier:
Er schmettert alles ab!
04:11 Minuten
Peter Handke hält seine umstrittenen Äußerungen zu Jugoslawien schlichtweg für "nicht denunzierbar". Er versetzt all das, was ihm an konkreter politischer Fragwürdigkeit vorgeworfen wird, in einen poetisch überhöhten Vorstellungsraum.
Zum ersten Mal seit der Debatte, die im Oktober über den Nobelpreis für Peter Handke und seine Position zum Jugoslawien-Krieg entbrannt war, äußert sich der Schriftsteller in einem ausführlichen Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit" (Auszüge daraus finden Sie auch in unserer Kulturpresseschau).
Enttäuschende Eindeutigkeit
Wer erwartet hat, dass Peter Handke Zugeständnisse machen, Einsichten zeigen oder etwas von dem relativieren würde, was er in der Vergangenheit gesagt oder geschrieben hat, wird enttäuscht. Handkes Position ist eindeutig: "Kein Wort von dem, was ich über Jugoslawien geschrieben habe, ist denunzierbar, kein einziges. Das ist Literatur."
Das Programmatische, Absolutistische seiner Haltung zeigt sich nicht zuletzt in seiner Antwort auf die kritische Nachfrage, ob er nicht doch eine gewisse Mitschuld trage an der Kontroverse, die um ihn geführt werde: "Wenn Sie das noch einmal sagen, hole ich einen Hammer! Spielen Sie jetzt Tribunal?"
Wenngleich die Rede vom Hammer nicht wörtlich gemeint sein dürfte, wird klar: Ein Dazwischen, ein Abwägen gibt es nicht.
Er hält seine Äußerungen für unangreifbar
Bemerkenswert ist, dass Handke, ohne direkt auf sie einzugehen, denjenigen widerspricht, die ihn in den vergangenen Wochen in eine Reihe mit politisch umstrittenen Autoren wie etwa Ezra Pound oder Louis-Ferdinand Céline gestellt haben, um zu dem Schluss zu kommen, man müsse zwischen Autor und Werk trennen und darauf beharren, ein Dichter müsse kein ethisch korrekter Mensch sein. Handke sagt dazu in diesem Interview: "Damit bin ich nicht einverstanden."
Was aber wiederum auch heißt: Er hält seine literarischen und außerliterarischen Äußerungen über den Jugoslawienkrieg nach wie vor für ethisch nicht angreifbar.
Auffällig ist dabei, dass Handke, ob nun bewusst oder unbewusst, daran gelegen scheint, vom Thema Serbien abzulenken, umzulenken. Statt von Serbien spricht er wiederholt dezidiert nur von Jugoslawien und sagt sogar: "Und wenn man mir jetzt mit Serbien kommt, ist man unredlich. Ich bin wegen Jugoslawien hin."
Das mutet allerdings schon recht fragwürdig an, heißt sein Buch über den Jugoslawienkrieg nicht nur "Gerechtigkeit für Serbien", sondern eine Motivation für seine Reise in den 90er-Jahren und sein Schreiben war ja gerade, der einseitigen Berichterstattung über Serbien etwas entgegenzusetzen.
Kindlicher Sehnsuchtsort Jugoslawien
Eine ähnliche Volte vollführt Peter Handke, als er in dem ZEIT-Interview nach seinem Verhältnis zu Slobodan Milošević gefragt wird. Hier verwahrt sich Handke ganz explizit gegen den Vorwurf, er habe vor diesem eine Verbeugung gemacht. Und als es darum geht, dass er doch bei dessen Begräbnis gewesen sei, spielt er wieder die Jugoslawien-Karte: "Natürlich war ich da. Er hat bei einer der letzten Abstimmungen dafür votiert, Jugoslawien nicht aufzulösen. Sein Begräbnis war auch das Begräbnis von Jugoslawien."
Handke macht also nach wie vor, was man von ihm kennt: Er versetzt all das, was man ihm an konkreter politischer Fragwürdigkeit vorwirft, in einen poetisch überhöhten Vorstellungsraum, ruft immerzu seinen idealen Ort, den kindlichen Sehnsuchtsort Jugoslawien auf und schmettert damit alles ab.
Klar ist nach diesem Interview mehr denn je: Das Thema ist mit Handke nicht verhandelbar.