Peter Hartz - ein "Technokrat und Optimierer"
Nach Ansicht des Wirtschaftshistorikers Wolfgang Abelshauser ist der ehemalige VW-Manager Peter Hartz nur eine "Fußnote" der Geschichte. Hartz habe als "Technokrat und Optimierer" das Konsensmodell bei VW perfektioniert, sagte Abelshauser. Der Skandal bei VW dürfe jedoch nicht alle Betriebsräte in Frage stellen.
Von Billerbeck: Morgen steht Peter Hartz vor Gericht. Was das für das ebenso gelobte wie umstrittene Konsensmodell von VW bedeutet, darüber sprechen wir jetzt mit in Bielefeld mit dem Wirtschaftshistoriker Professor Wolfgang Abelshauser, von dem die ZEIT schrieb, er habe die Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik neu geschrieben. Was, Professor Abelshauser, hat denn Peter Hartz revolutioniert?
Abelshauser: Nun, eigentlich nichts. Er hat das Konsensmodell, das es in Deutschland gibt, in den Arbeitsbeziehungen bei Volkswagen perfektioniert, und zwar sehr zugunsten des Unternehmens, das Unternehmen hat sehr von profitiert, und er hat auf der Ebene der Wirtschaftspolitik, der Arbeitsmarktpolitik, dafür gesorgt, dass man sich Gedanken macht über ein besseres Vermittlungswesen, was teilweise erfolgreich war, teilweise weniger erfolgreich war. Das sind die beiden Dinge, die mit Hartz in Verbindung stehen. Revolutionär ist weder das eine noch das andere.
Von Billerbeck: Peter Hartz war Personalvorstand bei VW. Als welcher Typus Unternehmensvertreter wird er denn in die Geschichte eingehen, wird er überhaupt in die Geschichte eingehen?
Abelshauser: Das weiß ich nicht. Eine Fußnote wird ihm allemal gewiss sein. Aber, ja, er war kein Unternehmer. Unternehmer gibt es in einem Vorstand sehr wenige, meistens nur einen. Er ist Manager gewesen, Technokrat, Optimierer, als Arbeitsdirektor natürlich insbesondere interessiert an einer möglichst großen Optimierung des Arbeitseinsatzes. Das hat er dadurch erreicht, dass er die Interessenlage der Arbeiter sehr eng an die Interessenlage des Unternehmens geführt hat. Das ist die eigentliche Kunst eines Arbeitsdirektors. Das hat er bei VW offenbar zugunsten beider Seiten sehr, sehr effektvoll inszeniert.
Von Billerbeck: Wolfsburg und VW war ja immer ein Sonderfall. Also man hat oft gerne vom so genannten VW-Sozialismus gesprochen, wo der Gegensatz von Kapital und Arbeit abgemildert worden sei. Konnten dann eigentlich andere Betriebe in Deutschland von diesem Sonderfall etwas übernehmen?
Abelshauser: Nun, wie ich schon sagte, es ist zwar ein Sonderfall insoweit, als Volkswagen einen eigenen Tarif hat, also nicht im Flächentarif eingebunden ist. Aber das Modell, das dort zwar perfektioniert wurde, ist vergleichbar mit dem, was in allen großen Unternehmen praktiziert wird, nämlich ein einvernehmliches Modell zwischen der Arbeiterschaft, vertreten durch ihre Betriebsräte, und den Unternehmen, wobei beide den Wunsch haben, möglichst davon zu profitieren, und das ist in Deutschland seit über 100 Jahren der Fall. Von daher ist Volkswagen kein Sonderfall, sondern es ist der Normalfall, und wenn nun hier Dinge vorgekommen sind, die im allzu menschlichen Bereich offenbar liegen, dann ist es ja nun auch kein Grund, das System in Deutschland, das seit über 100 Jahren funktioniert, nun zu verdammen.
Von Billerbeck: VW, wir hatten es im Beitrag gehört, war ja schon mehrfach in der Krise, 1973, als de legendäre Käfer nicht mehr lief und es den Golf noch nicht gab, und '92, kurz bevor Peter Hartz zu VW kam, wieder, und immer wieder war die Rede davon, dass nach betriebswirtschaftlichen Rechnungen 30.000 Arbeiter zuviel da sind. Wieso hat man sich dann bei VW auch nach diesen Krisen nur zu letztlich halbherzigen Einschnitten bereit gefunden, oder sehen Sie das gar nicht so?
Abelshauser: Na ja, das Problem der deutschen Wirtschaft und von Unternehmen wie Volkswagen ist doch, dass sie angewiesen ist auf hochqualifizierte Arbeitskräfte. Nun kann es Marktsituationen geben, in denen man in der Tat, rein betriebswirtschaftlich gesehen, weniger Arbeitskräfte braucht. Der naheliegende Vorgang wäre der, dass man diese Arbeitskräfte entlässt. Das kann aber für das Unternehmen eine Katastrophe sein, denn im Aufschwung, der ja in der Regel rasch wieder kommt, braucht man diese qualifizierten Arbeitskräfte, und wenn man sie nicht mehr hat, steht man in einem großen Problem.
Von daher waren diese Modelle, die Hartz entwickelt hat, genau richtig für Unternehmen, die angewiesen sind auf qualifizierte Arbeit und die deshalb nicht nach dem Muster Hire and Fire wie in den USA vorgehen können. In den USA kann man das machen, weil dort die Arbeitskräfte weniger qualifiziert sind. Man kann sie an jeder Ecke sozusagen neu holen. In Deutschland ist das nicht der Fall. Deswegen waren diese Modelle sehr, sehr gut, und sie werden im Prinzip mehr oder weniger in fast allen deutschen Unternehmen, die Qualitätsarbeit produzieren, die diese nachindustrielle Maßarbeit machen, die auf dem Weltmarkt so erfolgreich ist, praktiziert. Bei Volkswagen hat man sie nur, ja, besonders gut gemacht, besonders perfekt gemacht.
Von Billerbeck: Aber war Volkswagen nicht auch besonders teuer?
Abelshauser: Das ist das Problem bei dieser Qualitätsproduktion. Sie konkurriert nicht über den Preis, sondern, da sie ihre Arbeitskräfte gut bezahlen muss, konkurriert sie über die Qualität. Volkswagen steht da seit langem auf der Kippe, weil man seit vielen Jahren zwar einerseits versucht, in den Hochpreissektor des Automobilbaus zu gehen, denken Sie an den Phaeton und so weiter, dass man aber bei dem eigentlichen Kernprodukt, bei dem Golf, sehr stark unter globale Konkurrenz der Billiganbieter kommt, und hier kann eigentlich der Ausweg nur sein, wie bei den übrigen deutschen Automobilproduzenten auch, Flucht in die Qualität. Das hat VW nicht immer durchgeführt. Denken Sie nur an diese Versuche, die Zulieferer zu drücken, die unter dem Finanzvorstand Lopez einige Zeit en vogue waren bei Volkswagen. Das hat der Qualität geschadet, und ein Wagen, der relativ teuer sein muss am Standort Deutschland, kann nur dann diesen Preis rechtfertigen, wenn er sich durch Qualität von anderen abhebt.
Von Billerbeck: Peter Hartz stand ja immer für sehr einvernehmliche Lösungen mit dem Betriebsrat, und für dieses Ziel ist, wie man jetzt auch in dem Prozess sieht, ja offenbar alles getan worden, bis hin zu Geldgeschenken und Prostituierten. Kann denn der Betriebsrat von VW nach dieser Affäre überhaupt noch mitreden, selbst wenn er jetzt verändert worden ist?
Abelshauser: Ich denke schon. Der Betriebsrat hat nach dem Betriebsverfassungsgesetz die Aufgabe, das Gesamtwohl des Betriebes im Auge zu behalten. Das tut er - wie die meisten Betriebsräte in Deutschland seit 1920. Ich sehe eigentlich keinen Grund, dass nun durch Verfehlungen einzelner hier bei Volkswagen der Betriebsrat in Frage gestellt werden könnte. Ich denke, das ist ja nicht typisch für Betriebsräte in Deutschland. Ganz im Gegenteil, das sind sehr solide, manche würden sagen, zu solide Menschen, die da arbeiten. Also da sehe ich überhaupt keinen Grund, und wenn Sie dran denken, es gibt ja nun auch gerade auf der Managerebene genügend Fälle von Verfehlungen, wenn Sie nur an Siemens denken, diese Bestechungsaffäre jetzt wieder, oder auch die BenQ-Affäre ist im Prinzip eine Verfehlung von Managern gewesen. Also wenn Sie daran denken, dann relativiert sich das sehr, und warum soll das Betriebsrätewesen oder warum sollen alle Arbeitsdirektoren auf diesem Gebiet immer sauber bleiben.
Von Billerbeck: Morgen steh Peter Hartz vor Gericht. Ob das auch der Anfang vom Ende des Konsensmodells bei VW ist, darüber sprachen wir mit dem Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser. Ich danke Ihnen.
Abelshauser: Nun, eigentlich nichts. Er hat das Konsensmodell, das es in Deutschland gibt, in den Arbeitsbeziehungen bei Volkswagen perfektioniert, und zwar sehr zugunsten des Unternehmens, das Unternehmen hat sehr von profitiert, und er hat auf der Ebene der Wirtschaftspolitik, der Arbeitsmarktpolitik, dafür gesorgt, dass man sich Gedanken macht über ein besseres Vermittlungswesen, was teilweise erfolgreich war, teilweise weniger erfolgreich war. Das sind die beiden Dinge, die mit Hartz in Verbindung stehen. Revolutionär ist weder das eine noch das andere.
Von Billerbeck: Peter Hartz war Personalvorstand bei VW. Als welcher Typus Unternehmensvertreter wird er denn in die Geschichte eingehen, wird er überhaupt in die Geschichte eingehen?
Abelshauser: Das weiß ich nicht. Eine Fußnote wird ihm allemal gewiss sein. Aber, ja, er war kein Unternehmer. Unternehmer gibt es in einem Vorstand sehr wenige, meistens nur einen. Er ist Manager gewesen, Technokrat, Optimierer, als Arbeitsdirektor natürlich insbesondere interessiert an einer möglichst großen Optimierung des Arbeitseinsatzes. Das hat er dadurch erreicht, dass er die Interessenlage der Arbeiter sehr eng an die Interessenlage des Unternehmens geführt hat. Das ist die eigentliche Kunst eines Arbeitsdirektors. Das hat er bei VW offenbar zugunsten beider Seiten sehr, sehr effektvoll inszeniert.
Von Billerbeck: Wolfsburg und VW war ja immer ein Sonderfall. Also man hat oft gerne vom so genannten VW-Sozialismus gesprochen, wo der Gegensatz von Kapital und Arbeit abgemildert worden sei. Konnten dann eigentlich andere Betriebe in Deutschland von diesem Sonderfall etwas übernehmen?
Abelshauser: Nun, wie ich schon sagte, es ist zwar ein Sonderfall insoweit, als Volkswagen einen eigenen Tarif hat, also nicht im Flächentarif eingebunden ist. Aber das Modell, das dort zwar perfektioniert wurde, ist vergleichbar mit dem, was in allen großen Unternehmen praktiziert wird, nämlich ein einvernehmliches Modell zwischen der Arbeiterschaft, vertreten durch ihre Betriebsräte, und den Unternehmen, wobei beide den Wunsch haben, möglichst davon zu profitieren, und das ist in Deutschland seit über 100 Jahren der Fall. Von daher ist Volkswagen kein Sonderfall, sondern es ist der Normalfall, und wenn nun hier Dinge vorgekommen sind, die im allzu menschlichen Bereich offenbar liegen, dann ist es ja nun auch kein Grund, das System in Deutschland, das seit über 100 Jahren funktioniert, nun zu verdammen.
Von Billerbeck: VW, wir hatten es im Beitrag gehört, war ja schon mehrfach in der Krise, 1973, als de legendäre Käfer nicht mehr lief und es den Golf noch nicht gab, und '92, kurz bevor Peter Hartz zu VW kam, wieder, und immer wieder war die Rede davon, dass nach betriebswirtschaftlichen Rechnungen 30.000 Arbeiter zuviel da sind. Wieso hat man sich dann bei VW auch nach diesen Krisen nur zu letztlich halbherzigen Einschnitten bereit gefunden, oder sehen Sie das gar nicht so?
Abelshauser: Na ja, das Problem der deutschen Wirtschaft und von Unternehmen wie Volkswagen ist doch, dass sie angewiesen ist auf hochqualifizierte Arbeitskräfte. Nun kann es Marktsituationen geben, in denen man in der Tat, rein betriebswirtschaftlich gesehen, weniger Arbeitskräfte braucht. Der naheliegende Vorgang wäre der, dass man diese Arbeitskräfte entlässt. Das kann aber für das Unternehmen eine Katastrophe sein, denn im Aufschwung, der ja in der Regel rasch wieder kommt, braucht man diese qualifizierten Arbeitskräfte, und wenn man sie nicht mehr hat, steht man in einem großen Problem.
Von daher waren diese Modelle, die Hartz entwickelt hat, genau richtig für Unternehmen, die angewiesen sind auf qualifizierte Arbeit und die deshalb nicht nach dem Muster Hire and Fire wie in den USA vorgehen können. In den USA kann man das machen, weil dort die Arbeitskräfte weniger qualifiziert sind. Man kann sie an jeder Ecke sozusagen neu holen. In Deutschland ist das nicht der Fall. Deswegen waren diese Modelle sehr, sehr gut, und sie werden im Prinzip mehr oder weniger in fast allen deutschen Unternehmen, die Qualitätsarbeit produzieren, die diese nachindustrielle Maßarbeit machen, die auf dem Weltmarkt so erfolgreich ist, praktiziert. Bei Volkswagen hat man sie nur, ja, besonders gut gemacht, besonders perfekt gemacht.
Von Billerbeck: Aber war Volkswagen nicht auch besonders teuer?
Abelshauser: Das ist das Problem bei dieser Qualitätsproduktion. Sie konkurriert nicht über den Preis, sondern, da sie ihre Arbeitskräfte gut bezahlen muss, konkurriert sie über die Qualität. Volkswagen steht da seit langem auf der Kippe, weil man seit vielen Jahren zwar einerseits versucht, in den Hochpreissektor des Automobilbaus zu gehen, denken Sie an den Phaeton und so weiter, dass man aber bei dem eigentlichen Kernprodukt, bei dem Golf, sehr stark unter globale Konkurrenz der Billiganbieter kommt, und hier kann eigentlich der Ausweg nur sein, wie bei den übrigen deutschen Automobilproduzenten auch, Flucht in die Qualität. Das hat VW nicht immer durchgeführt. Denken Sie nur an diese Versuche, die Zulieferer zu drücken, die unter dem Finanzvorstand Lopez einige Zeit en vogue waren bei Volkswagen. Das hat der Qualität geschadet, und ein Wagen, der relativ teuer sein muss am Standort Deutschland, kann nur dann diesen Preis rechtfertigen, wenn er sich durch Qualität von anderen abhebt.
Von Billerbeck: Peter Hartz stand ja immer für sehr einvernehmliche Lösungen mit dem Betriebsrat, und für dieses Ziel ist, wie man jetzt auch in dem Prozess sieht, ja offenbar alles getan worden, bis hin zu Geldgeschenken und Prostituierten. Kann denn der Betriebsrat von VW nach dieser Affäre überhaupt noch mitreden, selbst wenn er jetzt verändert worden ist?
Abelshauser: Ich denke schon. Der Betriebsrat hat nach dem Betriebsverfassungsgesetz die Aufgabe, das Gesamtwohl des Betriebes im Auge zu behalten. Das tut er - wie die meisten Betriebsräte in Deutschland seit 1920. Ich sehe eigentlich keinen Grund, dass nun durch Verfehlungen einzelner hier bei Volkswagen der Betriebsrat in Frage gestellt werden könnte. Ich denke, das ist ja nicht typisch für Betriebsräte in Deutschland. Ganz im Gegenteil, das sind sehr solide, manche würden sagen, zu solide Menschen, die da arbeiten. Also da sehe ich überhaupt keinen Grund, und wenn Sie dran denken, es gibt ja nun auch gerade auf der Managerebene genügend Fälle von Verfehlungen, wenn Sie nur an Siemens denken, diese Bestechungsaffäre jetzt wieder, oder auch die BenQ-Affäre ist im Prinzip eine Verfehlung von Managern gewesen. Also wenn Sie daran denken, dann relativiert sich das sehr, und warum soll das Betriebsrätewesen oder warum sollen alle Arbeitsdirektoren auf diesem Gebiet immer sauber bleiben.
Von Billerbeck: Morgen steh Peter Hartz vor Gericht. Ob das auch der Anfang vom Ende des Konsensmodells bei VW ist, darüber sprachen wir mit dem Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser. Ich danke Ihnen.