Peter Heesen: Beamte stärker leistungsbezogen bezahlen

Peter Heesen im Gespräch mit Hanns Ostermann |
Der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbunds, Peter Heesen, hat die Forderungen seiner Gewerkschaft nach Lohnsteigerungen von acht Prozent für die Beamten in Ländern und Kommunen unterstrichen. Der Nachholbedarf sei groß, sagte Heesen. Peter Heesen im Gespräch mit Hanns Ostermann
Hanns Ostermann: "Not macht erfinderisch", sagt der Volksmund und liegt damit sicher nicht falsch. Viele von uns haben diese Erfahrung gemacht. Da darf man gespannt sein, was dabei rauskommt, wenn der Deutsche Beamtenbund heute zu einer Tagung nach Köln einlädt. "Ideenwerkstatt für den öffentlichen Dienst" ist sie überschrieben. Es gibt wenig Geld. Dann nach guten Ideen zu suchen, ist ganz sicher nötig. Nur eins dürfen die Länder nicht erwarten, dass die Beschäftigten auf Gehaltssteigerungen verzichten. "Nicht mit uns!" hat schon vor Tagen der Präsident des Deutschen Beamtenbundes unmissverständlich festgestellt. Zusammen mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di führt Peter Heesen die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder. Sie beginnen heute in einer Woche. – Peter Heesen ist jetzt am Telefon von Deutschlandradio Kultur. Ich grüße Sie! 8 Prozent fordern Sie beziehungsweise mindestens 200 Euro pro Monat mehr. Ist der Nachholbedarf wirklich so groß?

Peter Heesen: Guten Morgen, Herr Ostermann! – Ja, er ist so groß. Wir haben in den Jahren 2005, _6 und _7 – das haben schon sehr viele vergessen – drei Jahre mit Nullrunden gehabt und das kann man sich in der privaten Wirtschaft gar nicht vorstellen. Wir haben das im öffentlichen Dienst damals aber auch deshalb akzeptiert, weil wir die Probleme der öffentlichen Haushalte damals kannten. Wenn man als Gewerkschaft über drei Jahre hinweg eine solche Fairness an den Tag legt, dann ist es dann auch an der Zeit, dass irgendwann die Dienstherren und Arbeitgeber sagen, wir honorieren diese Fairness. Das hat der Bund getan. Er hat im Jahre 2008 (also vor einem Jahr) in Verhandlungen mit uns die Einkommen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst insgesamt über eine zweijährige Strecke um mehr als acht Prozent angehoben. Aber die Länder waren damals nicht dabei, und die Länder und die Beamten der Kommunen, die sind jetzt dran, und das muss also auch hier übertragen werden.

Ostermann: Herr Heesen, Sie kennen schon die Reaktion aus den Ländern. Mancher spricht von aberwitzigen Forderungen. Warum muten Sie den Ländern und ja auch künftigen Generationen so viel zu?

Heesen: Wir muten es ja nicht künftigen Generationen zu. Es ist ja nach wie vor so – das sagen die Steuerschätzungen, die letzte, die wir hatten, vom November des letzten Jahres -, schon im Bewusstsein der Finanzkrise, dass gerade auf der Ebene der Länder und auch der Kommunen es keine Steuereinbrüche geben wird. Im Übrigen: Gerade unsere Menschen, die erleben, wie die staatlichen Institutionen gewaltige Schutzschirme von Hunderten von Milliarden spannen für die Finanzindustrie, für die Wirtschaft insgesamt, die würden kein Verständnis haben, wenn man dort Schutzschirme aufbaut, wo es eigentlich ja nicht staatliche Verpflichtung ist, aber die eigenen Beschäftigten im Regen stehen lässt. Deshalb erwarten wir in dieser Situation, dass man auch fair mit uns umgeht.

Ostermann: Aber ist der Beamtenstatus in Zeiten der Rezession nicht schon Belohnung oder Fairness genug? Anderen Leuten wird gekündigt.

Heesen: Ich bin jetzt gut 13, 14 Jahre Mitglied der Führungsspitze des DBB, und es hat noch kein Jahr gegeben, wo wir Forderungen, was das Einkommen betrifft, gestellt haben, bei denen uns nicht entgegengehalten wurde der sichere Arbeitsplatz, die Unkündbarkeit. Das haben wir schon xmal bezahlt! Das haben wir ja auch in jenen Jahren bezahlt, wo wir drei Jahre hintereinander nichts dazu bekommen haben.

Wir drücken das in Zahlen aus. Es hat eine Entwicklung der Einkommen insgesamt in den letzten 10 Jahren gegeben von 21 Prozent, im öffentlichen Dienst 14,5. Das heißt, wir haben Nachholbedarf. Und im Übrigen: Wenn wir den Menschen mehr geben für gute Arbeit, dann stärken wir auch die Kaufkraft, und nichts brauchen wir in dieser Wirtschaftssituation mehr, als eine Ankurbelung der Kaufkraft, und das geht eben über höhere Gehälter.

Ostermann: Doch man braucht ja auch Ideen, und deswegen hatten Sie zur Ideenwerkstatt nach Köln geladen. Ganz sicher brauchen Sie keine neuen Verwaltungsvorschriften. Also was wünschen Sie sich da von den eigenen Mitgliedern, den 1,2 Millionen im Deutschen Beamtenbund?

Heesen: Wir haben deshalb auch unsere Tagung – es ist übrigens die 50. in der Folge - …

Ostermann: Herzlichen Glückwunsch!

Heesen: Danke, danke! … als Ideenwerkstatt bezeichnet, weil wir eigentlich Jahr für Jahr in diesen Tagungen Vorschläge machen für eine Verbesserung des öffentlichen Dienstes. Wir haben jüngst noch ein großes Paket vorgelegt von Maßnahmen für bessere Gesetze und zum Abbau von Bürokratie. Das ist auch unsere Aufgabe, hier die staatlichen Institutionen anzuhalten, mit uns zusammen Verbesserungen zu machen, die für den Bürger am Ende wichtig sind und die auch staatliches Handeln preisgünstiger machen. Das ist eigentlich unsere Aufgabe auch im Rahmen dieses Kongresses.

Ostermann: Zur Ideenwerkstatt gehört vielleicht auch, dass nicht nur Not, sondern auch Leistungsanreize ja erfinderisch machen können. Immerhin: 30 Millionen Euro stellt der Bund in diesem Bereich zur Verfügung. Wie bewerten Sie dieses Instrument?

Heesen: Wir waren ja geradezu die Erfinder einer stärker leistungsbezogenen Bezahlung. Ich habe im Dezember 2003 zum ersten Mal diese Forderung laut erhoben. Der damalige Bundesinnenminister Otto Schily ist darauf eingegangen. Die jetzige Bundesregierung ist zurückhaltend. Wir haben leider nur diese 30 Millionen. Das macht nur 0,3 Prozent dessen aus, was wir für die Arbeit bezahlen. Hier hätten wir uns einen höheren Anteil gewünscht. Darüber streite ich immer noch mit Wolfgang Schäuble.

Ostermann: Der sagt aber auch, 30 Millionen sind nur der Anfang.

Heesen: Ja, aber der Anfang, der ist ja nun schon seit längerem da. Ich hätte mir gewünscht, dass wir hier ein bisschen mehr tun. Der Einstieg mit 30 Millionen ist mit Blick auf fast 500.000 Beschäftigte des Bundes keine Lösung, sondern wir brauchen einen größeren Betrag. Ich habe vorgeschlagen ein Prozent der Summe, die wir für Personal ausgeben. Das wären 100 Millionen und das ist, glaube ich, auch ein vernünftiger Betrag, mit dem man operieren könnte, und man kann dann mit diesem Betrag auch Erfahrungen sammeln bezüglich der Frage, welche Wirkungen erzielen wir denn mit einer solchen stärker leistungsorientierten additiven Bezahlung.

Ostermann: Der Bundesinnenminister wird heute vor den etwa 600 Delegierten sprechen. Wird er mit Pfiffen möglicherweise erwartet?

Heesen: Nein!

Ostermann: Dazu sind Sie zu höflich?
Heesen: Das tun wir nie! Wir pfeifen eigentlich nur, wenn es große Probleme gibt. Wir sind in einem Dialog, und ich bin ein Befürworter dieses Dialoges. Ich bin in der sogar glücklichen Situation, dass wir in der Frage, wie denn ein Dienstrecht ausgestaltet sein soll, moderner sind, als es die derzeitige Bundesregierung zulässt. Da ist man eigentlich eher in der Offensive. Da müssen wir nicht pfeifen. Wir sind für mehr Leistungsbezahlung, der Bundesinnenminister ist da zurückhaltend. Von der Position her ist das eigentlich sehr gut.

Ostermann: Peter Heesen, der Präsident des Deutschen Beamtenbundes. Herr Heesen, danke Ihnen für das Gespräch.

Heesen: Gern geschehen, Herr Ostermann.