Franz Josef Strauß als Sexberater für einen 13-Jährigen
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Peter Probst erzählt in "Wie ich den Sex erfand", wie der 13-jährige Peter Gillitzer die Sexualität entdeckt - und welche Rolle der extrem konservative Vater spielt. Ein Bild des damaligen CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß wird Peters Gegenüber.
"Wie ich den Sex erfand" heißt das neue Buch des Schriftstellers und Drehbuchautors Peter Probst. Es erzählt vom 13-jährigen Jungen Peter Gillitzer, der in den frühen 70er-Jahren in München in einem sehr katholischen Elternhaus aufwächst, der Vater ist politisch extrem konservativ. Wie viele 13-Jährige fragt Peter sich, was in seinem Körper los ist und was in anderen Körpern, und wie die Körper zusammenkommen können.
In dem Buch gibt einige recht denkwürdige Momente, einer der bizarr anmutendsten: Der 13-jährige Peter bekommt von seinem Vater ein Plakat mit dem damaligen CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß geschenkt - und Peter hängt das Plakat über seinem Bett an die Decke, sodass er vom Bett aus mit dem CSU-Granden über alles reden kann; vor allem auch über all die Rätsel mit den Mädchen.
Er sei zwar nicht Peter Gillitzer, sonst hätte er ihn Peter Probst genannt, betont der Autor. Aber auch er selbst habe ein solches Plakat über seinem Bett hängen gehabt. "Ich wurde von meinem Vater mit einem Franz-Josef-Strauß-Plakat dafür belohnt, SPD-Plakate des Nachts abgerissen zu haben - und der hing tatsächlich an meiner Decke über mir, hat über mich gewacht."
Irgendwann reiße Peter Gillitzer dieses Plakat ab. "Und auch ich habe es abgerissen", sagt Probst. "Und hab‘ mich natürlich später dafür geschämt. Aber es ist tatsächlich möglich, wenn man die Wünsche eines Vaters zu 100 Prozent oder 150 Prozent zu erfüllen versucht, in diesem Franz Josef Strauß ein Idol zu sehen." Für ihn sei das wirklich ein beeindruckender Mensch gewesen. "Mit der zunehmenden Ablösung von meinem Vater wurde er natürlich immer weniger beeindruckend und dann musste er weg aus meinem Umfeld."
Neue Rätsel zu Worten wie "Unzucht" und "Pornografie"
Das Buch erzählt, wie Peter versucht, an Informationen über Sex zu kommen, tappt dabei aber von einer Peinlichkeit in die nächste. "Er versucht einerseits zu beobachten, die Nachbarin, Mädchen im Bus und so weiter." Darüber hinaus, denke er, er finde Antworten im Konversationslexikon, das im stets abgeschlossenen Arbeitszimmer des Vaters steht.
Doch in diesem Brockhaus, der noch aus der NS-Zeit stammt, klärten sich Worte wie "Unzucht" oder "Pornografie" nie auf, sondern die zahlreichen Verweise auf andere Artikel sorgten nur für neue Rätsel. Als Peter versuche, sein Taschengeld in "solch zweifelhafte Zeitschriften wie ‚Neue Revue‘, ‚Praline‘ und so weiter" zu investieren, werde er als Sohn des Augenarztes erkannt – "und ist im nächsten Fettnäpfchen", erzählt Peter Probst.
Versuch, dem Vater näher zu kommen
Als Peter das erste Mal zu einer Party gehen will, zwingt ihm der Vater zur Vorbereitung die schlimmsten Bilder von Geschlechtskrankheiten auf, von Geschwüren zerfressene Gesichter und Körper.
"Ich habe bis heute nicht herausgefunden – mein Vater ist ja acht Jahre tot -, ob er mir nur Angst machen wollte oder selbst so Angst hatte", so Probst. "Weil diese Ambivalenz, die mein Vater in allen Bereichen ausgestrahlt hat, eine völlige Überforderung für mich war - und auch für meine Figur dann ist." Er habe es bis heute nicht geschafft, dahinter zu schauen. "So ist das Buch auch ein Versuch, ihm näher zu kommen."
Das "Verrückte" sei, dass sein Vater "einerseits dieser wirklich sture Konservative" gewesen sei. "Und andererseits hab‘ ich und hat auch meine Figur, in seinem geheimen Bereich Dokumente entdeckt, dass er Widerständler war. Er war im katholischen Widerstand und hat vermutlich bis zu hundert Menschen in Turin am Kriegsende das Leben gerettet."
(abr)