Peter Wohlleben: "Das Seelenleben der Tiere"

Von lügenden Meisen und empathischen Mäusen

Zwei Präriewühlmäuse in einem Labor.
Tierische Empathie: Wühlmäuse trösten ihren verstörten Artgenossen © picture-alliance / dpa/ Emory University
Von Kim Kindermann |
Seit einem Jahr führt Peter Wohlleben mit "Das Geheime Leben der Bäume" die Bestsellerlisten an. Jetzt legt der umtriebige Förster aus der Eifel nach und gibt Einblicke in die animalische Gefühlswelt. Ein wenig mehr Lektorat hätte allerdings nicht geschadet.
Der Rebell aus dem Wald ist wieder da: Peter Wohlleben. Seit einem Jahr steht er auf der Bestsellerliste ganz oben, mit "Das Geheime Leben der Bäume" hat der studierte Forstwirt den Nerv der Zeit getroffen. Anschaulich erzählt er darin von mitfühlenden Bäumen, die schreien, wenn sie Durst haben, ihre kranken und schwachen Mitglieder und Freundschaften pflegen, klug und lernfähig sind. Und das kommt an.
Peter Wohlleben ist ein Waldflüsterer, der spürt, was dem normalen Waldbesucher verborgen bleibt. Erfolgreich mischt er dieses Wissen mit wissenschaftlichen Details und persönlichen Anekdoten. Mit dem Ergebnis: Der naturwissenschaftliche Laie fühlt sich bestens informiert und unterhalten.
Kein Wunder also, dass der umtriebige Förster aus der Eifel nachlegt: "Das Seelenleben der Tiere" heißt jetzt folgerichtig das neue Buch "Liebe, Trauer und Mitgefühl – erstaunliche Einblicke in eine verborgene Welt" so der Untertitel. Klingt bekannt? Klar, denn auch der Bestseller aus dem letzten Jahr versprach in Bezug auf Bäume "Die Entdeckung einer verborgenen Welt". Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Die ohnmächtige Eichhörnchen-Mutti

Also gut, es ist die perfekte Idee. Geschenkt! So ist das eben. Was einmal geht, geht eben auch ein zweites Mal. Jetzt also die Gefühle der Tiere. Und die gibt es zahlreich: Da kümmert sich die Eichhörnchen-Mutter aufopferungsvoll um ihren Nachwuchs und schleppt die Jungen in Sicherheit, sobald sie Gefahr wittert. Die Kleine schlinge sich dabei so fest um ihren Hals, dass der Mutter schon mal die Luft wegbleibt und sie ohnmächtig danieder sinkt. Echte Liebe also.
Mäuse leiden mit ihren Mitmäusen mit, wenn die sich verletzten. Allein der Anblick einer Verletzung reicht, um Empathie auszulösen. Verliert eine Hirschkuh ihr Junges, dann bleibt die trauernde Mutter in der Nähe ihres toten Kindes – auch dann, wenn sie Anführerin ihres Rudels ist.
Kohlmeisen können lügen. Findet der Vogel eine besondere Leckerei, die er allein verspeisen will, stößt er einen Warnruf aus, der die anderen in die Flucht schlägt, während er in Ruhe futtert.
Und Schimpansen, Raben und Schweine sind dazu in der Lage, sich im Spiegel wiederzuerkennen.

Zu viel Anekdoten, zu viel Befindlichkeit

Beeindruckend! Wer denkt, der Mensch ist dem Tier überlegen, wird hier eines besseren belehrt. Gut so. Das passt auch zum erklärten Ziel des Autors: Er will, dass Tieren mit Respekt und Achtung begegnet wird. Und deshalb eben auch das Buch.
Mhmm. Kann man da wirklich kritisch sein? Nein. Und doch auch wieder ein bisschen: Denn der Ton macht die Musik. Beim gefühlten 1000. Mal "nämlich", beim fünften Zitat eines Zeitungsartikels als Beleg der Wissenschaftlichkeit und beim – auch wieder gefühlten – 300. Hinweis auf den geliebten Cockerspaniel der Familie Wohlleben war es mir dann doch wieder etwas zu viel – zu viel Anekdoten, zu viel Befindlichkeit.
Aber wer auf diese zugegeben perfekte Mischung aus Naturverbundenheit, Sehnsucht nach einer besseren Welt und Gutmenschsein nicht verzichten will – der wird hier bestens bedient. Das hat der Förster aus der Eifel eindeutig raus!

Peter Wohlleben: "Das Seelenleben der Tiere: Liebe, Trauer, Mitgefühl - erstaunliche Einblicke in eine verborgene Welt"
Ludwig Buchverlage, München 2016
240 Seiten, 19,99 EUR

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