Petina Gappah: "Aus der Dunkelheit strahlendes Licht"
Aus dem Englischen von Annette Grube Fischer
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2019
428 Seiten, 24 Euro
Vielstimmiges Selbstgespräch über die afrikanische Geschichte
06:54 Minuten
Der Roman "Aus der Dunkelheit strahlendes Licht" von der simbabwischen Autorin Petina Gappah beruht auf einer wahren Geschichte: Freigekaufte Sklaven trugen 1873 den Leichnam des Forschungsreisenden David Livingstone 1500 Kilometer durch Afrika.
Die Geschichte ist bekannt: Im Jahr 1873 starb der Arzt und Forschungsreisende David Livingstone auf der Suche nach den Nilquellen in Zentralafrika. Livingstone hatte die meisten seiner afrikanischen Gefährten aus der Sklaverei freigekauft, und so trugen sie nun seinen Leichnam zur Küste, damit er in Großbritannien begraben werden konnte. Die zermürbende Reise über 1500 Kilometer dauerte neun Monate, zehn der 69 Expeditionsmitglieder kostete sie das Leben.
In ihrem Roman "Aus der Dunkelheit strahlendes Licht" erzählt die simbabwische Autorin Petina Gappah diese ungeheure Geschichte aus der Sicht zweier schwarzer Begleiter Livingstones. Die Figuren sind historisch, doch ihre Stimmen sind fiktiv. Halima, eine freigekaufte Sklavin und die Köchin der Expedition, gehört zu den zehn Frauen des Expeditionsteams - und im Roman ist sie es, die die Idee hat, Livingstones Leiche in seine Heimat zu überführen. Mit altbewährten weiblichen Strategien bringt sie die anderen dazu, diesem irrwitzigen Plan zu folgen.
Ohne moralische Schwere
Jacob Wainwright wiederum hat über diesen Leichentransport tatsächlich ein Tagebuch geführt, das historische Dokument war bei der Fertigstellung des Romans noch unveröffentlicht, so lässt Petina Gappah ihn hier seine Erinnerungen fiktiv und ziemlich schwülstig notieren. Jacob wurde als Kind von einem Sklavenschiff gerettet und nach Indien in eine Missionarsschule gebracht. Er ist nach Afrika zurückgekehrt, um "Licht in die Finsternis seiner Heimat" zu bringen, es ist sein dringendster Wunsch, Missionar zu werden.
Petina Gappahs afrikanische Erzählung der Kolonialisierung ist, bei aller Dramatik, ohne moralische Schwere, denn sie verzichtet auf jede Anklage. Sie erreicht dies durch einen oft abgründigen Witz. Die Präparierung von Livingstones Leichnam etwa – auf Anweisung Halimas wird er getrocknet – rührt ans Groteske. Halima wiederum hat Mitleid mit den weißen Kindern "in dem weit entfernten Land, das so kalt, dunkel und so schrecklich arm war".
Die Komik entspringt hier aus der Umkehrung der Klischees. Neben dem Humor ist es die Komplexität der Figuren, mit der Gappah uns eine vorschnelle Zuweisung der historischen Schuld unmöglich macht. Jede Figur dieses Romans ist ambivalent, angefangen bei David Livingstone, der den Sklavenhandel zwar verabscheute, sich jedoch in der Not von den schlimmsten Sklavenhändlern retten ließ und mit ihnen freundschaftlichen Umgang pflegte.
Zwischen Erkenntnis und Verrat
Das vorkoloniale Afrika erscheint als eine Welt, in der die Sklaverei selbstverständlich war. Jacob spricht von dem "dunklen Schandfleck" seiner Heimat. "Du bist der Schlimmste", sagt ihm Chirango, denn er habe den Weißen erlaubt, in seine Seele einzudringen. Chirango ist der einzige, der den Kolonialismus durchschaut und sich dagegen auflehnt: "Wer sind sie, wer sind sie alle, dass sie so ungehindert in unser Land kommen können?" Sein Hass jedoch hat ihn korrumpiert, gerade er taugt nicht zur revolutionären Lichtgestalt, er endet als mieser kleiner Verräter.
"Aus der Dunkelheit strahlendes Licht" ist zum einen ein fesselnd erzählter historischer Roman. Das Eigentliche jedoch spielt sich unter dieser Oberfläche ab: Bei der Lektüre lauschen wir einem vielstimmigen Selbstgespräch Afrikas über die Deutung der eigenen Geschichte.