Petina Gappah: "Die Schuldigen von Rotten Row"

Wo Mord so alltäglich wie das Wetter ist

Cover Petina Gappah: "Die Schuldigen von Rotten Row"
Petina Gappah: "Die Schuldigen von Rotten Row" © Arche Verlag / picture alliance / dpa / Aaron Ufumeli
Von Gabriele von Arnim |
Fröhlicher Alltag zwischen Gewalt, Tyrannei und Verfall: In ihrem Kurzgeschichtenband "Die Schuldigen von Rotten Row" erzählt Petina Gappah über den Alltag im simbabwischen Harare und wirft zugleich Fragen von Recht und Unrecht auf.
Pekupai sitzt in einem kleinen Frisiersalon in Harare und lässt sich die Haare flechten. Sie hat wenig Zeit. In wenigen Stunden geht ihr Flug nach Europa. Es brodelt in dem kleinen Laden mit den zerschlissenen Sitzen. Eine der Angestellten ist in der letzten Nacht von einem ihrer vielen Liebhaber ermordet worden. Was für eine Sensation. Man kostet die Neuigkeit aus. Hast du gehört, stell dir vor... Die Friseurinnen legen gekonnte Spuren und geschickt verzögernde Pausen ins Erzählen und flechten Sensationslust und Lebensweisheiten, Alltagserfahrungen und Straßenangst ineinander wie die Strähnen in die Zöpfe für Pekupai.

Kurzgeschichte wie ein Kammerspiel

Petina Gappah, Autorin aus Zimbabwe, die unter anderem von dem südafrikanischen Literaturnobelpreisträger J.M. Coetzee überaus geschätzt wird, gelingt in dieser Kurzgeschichte ein Kammerspiel, das derb und filigran zugleich pralles Leben und blutige Gewalt miteinander verkettet. Gänzlich nonchalant wird im Ton sprudelnder Neugier über Drangsal und Mord erzählt als seien sie so alltäglich wie das Wetter oder eine Magengrippe.
1971 in Zambia geboren und in Zimbabwe aufgewachsen, ist Gappah von Haus aus eine renommierte Anwältin für Internationales Handelsrecht - mit Abschlüssen von den Universitäten Cambridge, Graz und Harare. Einige Jahre hat sie für die Welthandelsorganisation in Genf gearbeitet und Entwicklungsländer in Handelsrecht beraten. Nebenbei schrieb sie und gewann schon mit ihrem ersten Buch den begehrten Guardian First Book Award - einen Preis für Debütromane. Zur Zeit ist sie Stipendiatin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und lebt in Berlin.

Einblicke in eine schillernden Fremdheit

"Die Schuldigen von Rotten Row" nun ist eine Sammlung von Kurzgeschichten, in denen Gappah auf eine lebensnah tanzende und tödlich lustige Art und Weise den Alltag in Harare erzählt – ob im Frisiersalon, in der Straßenbahn oder auf einem Hochzeitsfest. Wir geraten in sinnliche und übersinnliche Situationen, treffen korrupte Polizisten oder Kinder, die auf Müllbergen nach Verwertbarem suchen und eine Leiche finden. Wir lernen einen Henker kennen, der greulich detailliert erzählt, wie er es lernte, Menschen baumeln zu lassen, zynische Richter oder eine Frau, die mit schauerlicher Hexenkunst sich die ewige Zuneigung ihres Liebsten erzaubern will.
Nie fehlt der Humor im Gruselkabinett des Lebens. Gerade amüsiert man sich bestens bei den Szenen voller Klatsch und Aberglauben - da wird man schnell auf die andere Seite geführt –dorthin, wo Gewalt, Verrat, politische Tyrannei, gesellschaftlicher Verfall und Rassismus lauern. Wo die großen Verlierer im kleinen Leben hausen - Männer wie Frauen, Frauen vor allem. Zwei Fragen, schreibt die Autorin, hätten sie bewegt: Welche Rolle spielt das Recht in einer offenen Gesellschaft und welche die Religion und der Glaube an Zauberei. Mit einem untrüglichen Sinn für Recht und Gerechtigkeit, erkundet sie den großen, diffusen Nebelraum dazwischen. Es ist ein großartiges Buch. Vielheit atmend, klug und leuchtend erlaubt es uns, einer schillernden Fremdheit ganz nah zu kommen.

Petina Gappah: "Die Schuldigen von Rotten Row"
Aus dem Englischen von Patricia Klobusiczky
Arche Verlag 2017, 352 Seiten, 22 Euro

Mehr zum Thema