Petina Gappah: "Im Herzen des goldenen Dreiecks"
Aus dem Englischen von Patricia Klobusiczky
Arche Literatur Verlag, Zürich/Hamburg 2020
270 Seiten, 12 Euro
Erschütternde Geschichten aus einem ruinierten Land
04:13 Minuten
Während in den Townships ein ganzes Viertel an einem Wasserhahn hängt, fliegen die Günstlinge des Diktators zum Einkaufen nach Südafrika. Petina Ghappa schildert in "Im Herzen des goldenen Dreiecks" die krassen Gegensätze Simbabwes.
Petina Gappah, Jahrgang 1971, stammt aus Rhodesien, dem heutigen Simbabwe, wuchs in Salisbury, dem heutigen Harare, auf, studierte Jura an der University of Zimbabwe und in Cambridge und wurde an der Universität Graz promoviert. Sie arbeitete als Anwältin für internationales Handelsrecht und als Journalistin in Genf. Und sie war 2018/19 internationale Handelsberaterin für die Regierung Simbabwes. Derzeit pendelt sie zwischen Harare und Genf.
Parallel dazu verfolgt Gappah eine Karriere als Autorin. Im deutschen Sprachraum ist sie seit 2016 mit drei Büchern bekannt geworden: mit zwei Romanen ("Die Farben des Nachtfalters", 2016, und "Aus der Dunkelheit strahlendes Licht", 2019) sowie mit dem Erzählungsband "Die Schuldigen von Rotten Row" (2017). Afrika ist Thema und Schauplatz aller ihrer Bücher. Namentlich arbeitet sie sich an den politischen und sozialen Zuständen in ihrem Herkunftsland ab.
Die schlimmsten Jahre unter Mugabe
Jetzt schiebt ihr deutschsprachiger Verlag Gappahs literarisches Debüt nach, den Erzählungsband "In Herzen des goldenen Dreiecks", für den sie 2009 den "Guardian First Book Award" gewann.
In diesen dreizehn Stories wirft die Autorin harte Schlaglichter auf die schlimmsten Jahre unter dem ewigen Diktator Robert Mugabe, der seit den Nuller-Jahren Simbabwes Wirtschaft ins Chaos stürzte, indem er sich schwer bereicherte, während die Bevölkerung verelendete und unter der ständigen Verletzung der Menschenrechte litt.
Petina Gappahs Erzählungen führen mit Witz, Sarkasmus und Ingrimm ein ruiniertes Land vor, das gezwungen ist, dem Diktator zu huldigen, während es in Hyper-Inflation, Mega-Korruption, Massenarmut und monströser Bürokratie versinkt. "Das hier ist das neue Zimbabwe, wo alle kriminell sind", heißt es einmal.
Titelgeschichte über korrupte Günstlinge
Die Zustände im Land werden als ebenso skandalös wie absurd beschrieben. Gappah führt ihre Leser durch die staubigen Townships, wo die Häuser aus Lehm sind und die Wände aus Plastikplanen mit Klarsichtfolie anstelle von Fenstern, wo ein einziger Wasserhahn das ganze Viertel versorgen muss und der Strom unentwegt ausfällt.
Die kleinen Jungen im Township wundern sich über eine alte Währungseinheit namens Cent, wo doch ein Laib Brot eine halbe Million Dollar kostet und die jährliche Inflationsrate bei drei Millionen Prozent liegt.
Die titelgebende Story jedoch, "Im Herzen des goldenen Dreiecks", führt ins Viertel, in dem die korrupten Günstlinge des Diktators residieren: Reiche Männer, die ihre Ehefrauen in Luxus-Villen unterbringen, sich Zweit-Frauen in kleinen Häuschen halten und in ständiger Angst vor Aids leben.
Die Günstlings-Gattinnen haben es auch nicht leicht: Dauernd müssen sie ihre Hausmädchen feuern und durch neue ersetzen, weil diese ihre Ferragamo-Schuhe oder sonstwas gestohlen haben. Und zum Shoppen müssen sie nach Südafrika fliegen, weil man in Harare nichts zu kaufen findet.
Aids dräut im Hintergrund
In der bösen ersten Geschichte des Bandes, "Wenn der letzte Zapfenstreich erklingt", lauscht die Witwe eines Ministers während des pompösen Staatsbegräbnisses für ihren verstorbenen Gemahl erbittert und höhnisch der verlogenen Grabrede des Präsidenten. Sie weiß, dass er weiß, dass der Sarg leer ist, und dass die "langwierige Krankheit", an der der Nationalheld starb, eine Umschreibung für seinen Aids-Tod ist.
Aids dräut im Hintergrund etlicher Stories. Rissige rosa Lippen gelten als Kennzeichen der Krankheit. Zum Beispiel wissen alle Hochzeitsgäste, während sie ein Brautpaar hochleben lassen, dass Rosies Bräutigam infiziert ist und auch die Braut anstecken wird.
Petina Gappah kennt aus eigener bitterer Erfahrung die Zustände in Simbabwe, die sie hier beschreibt. Das verleiht ihren Erzählungen einen besonderen Ton: Zorn über die herrschende Clique, aber tiefes Verständnis für die zerstörten Hoffnungen und Träume der leidenden Menschen in diesem ruinierten afrikanischen Land.