Petplay

Wenn Menschen Tiere spielen

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Mann mit Hundemaske beim Christopher-Street-Day in Köln: Petplay hat sich aus der SM- und Schwulenszene entwickelt © imago
Von Ruth Rach |
Ich wollt', ich wär' ein Huhn? Beim "Petplay" kein Problem: Hier schlüpfen Erwachsene in die Rolle von Tieren - mit Flauscheöhrchen, Schwänzchen oder Federkleid. Ruth Rach hat in London Waschbär Dylan Walker und den Hundeführer Kye getroffen.
Dylan Walker, 23, ist ein Waschbär. Wenn er nicht gerade Webseiten entwirft, oder Logos für Petplay-Zubehör und Puppy Pride, das größte soziale Netzwerk für britische Erwachsene, die gerne in die Rolle von Tieren schlüpfen.
"Zunächst war ich ein Human Pup, ein menschlicher Hund, aber ein Waschbär passt besser zu mir. Ich habe nämlich auch eine aggressive Ader, und obwohl ich klein und niedlich aussehe, kann ich durchaus auch zubeißen."
Dylan nippt an seinem Kamillentee. Braune Augen, braune Haare, schwarze Hornbrille. Ein zarter Typ. Eher scheu. Es sei denn, er spricht über Petplay.
"Petplay – für mich ist das eine Mischung aus Eskapismus und Ausdruck meiner natürlichen Tendenzen. Wenn ich jemanden liebe, dann mag ich ihn gerne beschnüffeln und abschlecken. In meiner Tierrolle kann ich mein menschliches Selbst ablegen und meine Arbeit vergessen. Bevor ich die Petplay-Community kennenlernte, war ich fürchterlich schüchtern. Jetzt bin ich viel selbstbewusster geworden, weil ich unter Leuten bin, die mich verstehen."

Da staunt der echte Hund

Wir sitzen im "Coffee, Cakes and Kisses", in der Londoner Innenstadt. Ein Cafe, genauer ein "Beziehungsfreiraum für Aufgeschlossene", und Treffpunkt für die Gruppe "Wagging Tails and Wet Noses", erklärt Connie, die Bedienung, eine Transgenderfrau.
"Sie ziehen Schwänze an, setzen sich kleine Nasen und Öhrchen auf. Schwatzen miteinander, essen Kuchen. Manchmal sitzen sie auch vor dem Cafe, sind vielleicht an der Leine und trinken heiße Schokolade. Das ist völlig akzeptabel."
Dylan zieht seine Waschbär-Klamotten aus dem Rucksack. Flauscheöhrchen, Schweißerschutzbrille, schwarze PVC-Jacke und Röhrenhose, gestreifter Schwanz, eine Hundemarke. Und militärische Lederhandschuhe, damit er sich besser auf allen Vieren fortbewegen kann. Was passiert eigentlich, wenn so ein Mischwesen einem echten Vierbeiner begegnet?
"Hunde reagieren ziemlich verwirrt, wenn wir durch die Londoner City ziehen. Sie sehen etwas, das wie ein großer Hund aussieht und doch wie ein Mensch riecht, und sind perplex. Bisweilen werden sie aggressiv, aber das legt sich, sobald sie kapiert haben, was Sache ist."

Ein Nerd und Geek - na und?

Inzwischen ist auch Dylans Freund Kye eingetroffen. Kye, 29, sieht aus wie ein verschlafener Musterknabe. Groß, blass, und ein bißchen knubbelig. Kye bestellt sich eine Tasse Schokolade mit möglichst viel Sahne. Dann ein tiefer Seufzer. Ach, seine Kreuzschmerzen. Die hat er sich allerdings nicht beim Hundspielen zugezogen. Kye, Gründer der Webseite PuppyPride, ist nämlich am anderen Ende der Leine: er spielt beim pup play stets den "Handler", den Hundeführer.
"Ich selbst könnte nie ein Human Puppy sein. Dazu braucht man eine ganz andere Mentalität. Für mich gibts nichts Schöneres, als ein Puppy zu betreuen. Und für ein Puppy wiederum gibts nichts Schöneres, als betreut zu werden."
Kye absolvierte ein Informatikstudium an der Eliteuniversität Oxford und hat sich jahrelang in virtuellen Parallelwelten aufgehalten, bevor er über Second-Life-Spiele zum Petplay fand. Natürlich sei er ein Nerd und ein Geek, sagt Kye mit unverhohlenem Stolz - und er werde es auch ewig bleiben...
"Meine Eltern wissen Bescheid und sind nicht sonderlich begeistert. Ist ja klar, wenn du in ihrer Wohnung lebst und ein Zimmer voller Petplay Gear hast und ständig irgendwelche Events organisiert, dann kann ihnen das schwerlich entgehen. Aber sie halten sich an das Motto: don't ask, don't tell. Nichts fragen, nichts sagen."

Zehntausende Anhänger in Großbritannien

Die britische Petplay-Community hat sich aus der Schwulenszene entwickelt und umfasst zehntausende von Anhängern aller Altersgruppen und Berufe, darunter auch auffalled viele Leute in Führungspositionen, die es anscheinend besonders nötig hätten, aus ihrem Alltagsstress auszubrechen, erzählt Kye. Aber die Community sei im Flux.
"Es gibt inzwischen viele männliche Pups, die weibliche 'Handler' haben und umgekehrt. Manchen geht es um Erotik, manchen um Sex. Manche wollen aber auch bloß raufen und mit ihren Quietschies spielen."
Und überhaupt hat Kye hier auf der Insel einen regelrechten Trend ausgemacht. Es gebe immer mehr Leute, die sich nach ihren Kindheitspielen zurücksehnten.
"Gleich hier um die Ecke gibt's einen Nachtclub mit einem Spielbecken - das ist mit zweihunderttausend Bällen gefüllt. Na und? Warum sollten die Erwachsenen eigentlich nicht mehr spielen, nur weil sie erwachsen sind?"

Menschen, Tiere, Sensationen
Das Verhältnis zwischen Menschen und Tieren ist oft schön, manchmal angespannt, aber in jedem Fall komplex. Die "Echtzeit" stellt ein paar besondere Geschichten vor. Zum Beispiel haben wir den 23-jährigen Dylan getroffen, der seine Freizeit als Waschbär verbringt. Wir schauen auf die Modetrends für Hunde, schicken einen Großstädter zum ersten Mal zum Angeln und sprechen mit Jessica Dawson, die in New York die "dOGUMENTA", eine Kunstausstellung für Hunde, organisiert.
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