Petra Ahne: "Hütten – Obdach und Sehnsucht"

Dem Mythos auf der Spur

06:02 Minuten
Petra Ahnes Buch: "Hütten - Obdach und Sehnsucht"
Den Hütten als Sehnsuchtsorten widmet sich die Berliner Journalistin Petra Ahne in ihrem neuen Buch. © Cover: Matthes & Seitz / Hintergrund: imago/Torsten Becker
Von Anne Kohlick |
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Petra Ahne tauscht am Wochenende die große Stadtwohnung gegen das Häuschen am See. Neugierig macht sich die Journalistin daran, das Phänomen Hütte zu ergründen. Am Ende steht eine plastische Erzählung, die Fachgrenzen leichtfüßig überwindet.
Da steht sie, die schlichte Holzhütte: nicht viel mehr als vier Wände, ein Dach, ein Fenster, eine Tür. Der Schriftsteller Henry David Thoreau hat sie 1845 gebaut, am Ufer des von Kiefern umstandenen Walden Pond in Massachusetts.
Hier lebte er zwei Jahre lang in selbstgewählter Einfachheit und schrieb eines der einflussreichsten Bücher der amerikanischen Literaturgeschichte: "Walden oder Leben in den Wäldern" ist zur Bibel all derer geworden, die von einer Hütte im Grünen träumen, um in der Natur zu Hause zu sein.

Am Wochenende 38 statt 160 Quadratmeter

Auch Petra Ahne tauscht am Wochenende gemeinsam mit ihrem Mann und den beiden Kinder die 160-Quadratmeter-Wohnung in der Großstadt gegen ein 38-Quadratmeter-Häuschen an einem Brandenburger See.
Die Erfüllung des eigenen Hütten-Traums hat die Berliner Journalistin zum Nachdenken gebracht über die Sehnsucht, die immer wieder Menschen in Gartenlauben und Wochenendhäuschen lockt – oder sie zumindest dazu bringt, einen der vielen Bildbände über malerische Hütten zu kaufen, die auf dem Buchmarkt schon seit längerem boomen.
Und so beginnt Petra Ahne, über Hütten zu recherchieren: Was weiß man über die ersten Behausungen, die Menschen sich bauten? Welche Rolle spielen Hütten als Motiv in Kunst und Literatur? Warum ziehen sich manche Menschen aus der Gesellschaft zurück, um allein in Hütten zu leben?

Trip zum Walden Pont

Sie fährt zum Walden Pont, um ein Gefühl für den Ort zu bekommen, an dem einst Thoreaus berühmte Hütte stand. Sie trifft die Gründer einer Tiny-House-Siedlung im Fichtelgebirge und liest 200 Jahre alte Zeitschriften, die ihre Leserinnen und Leser schon damals zum Bau der perfekten Hütte inspirieren wollten.
Ihre spannenden Erkenntnisse und Begegnungen bündelt jetzt das Buch "Hütten – Obdach und Sehnsucht". Es ist als 53. Band der hochgelobten "Naturkunden"-Reihe von Herausgeberin Judith Schalansky erschienen.
Hochwertiges Papier und die liebevolle Gestaltung in Ocker- und Grüntönen machen "Hütten" zu einem Buch, das man nicht nur mit großem Vergnügen und Erkenntnisgewinn liest, sondern auch gern in der Hand hält und immer wieder durchblättert.
Dazu laden auch die 36 monochromen Abbildungen ein, die allerdings etwas zu klein und teilweise unscharf geraten sind – der einzige Wermutstropfen an diesem Buch, das ansonsten inhaltlich, sprachlich und in der Aufmachung rundum gelungen ist.

Überzeugende Erzählerin

Petra Ahne, die für die "Naturkunden" bereits einen Band über Wölfe geschrieben hat, ist eine überzeugende Erzählerin. Sie schreibt so plastisch, dass man sich in die Protagonisten einfühlen kann – auch wenn deren Erlebnisse schon 100 Jahre zurückliegen. So fiebert man beim Lesen etwa mit der Mannschaft einer gescheiterten Antarktis-Expedition, die 1916 aus zwei umgedrehten Ruderbooten eine Hütte baut – und in ihr vier Monate im Eis überlebt, bis endlich Hilfe kommt.
Von den Spuren einer 500.000 Jahre alten Behausung bis in die Gegenwart reichen die Geschichten, die Petra Ahne über Hütten zu erzählen hat. Sie gliedert nicht chronologisch, sondern thematisch und wandert dabei ebenso leichtfüßig zwischen den Jahrhunderten hin und her wie zwischen den Disziplinen.
Architekturtheorie, Literaturwissenschaft, Archäologie und Kriminalistik verknüpft die Autorin mit der Geschichte ihres eigenen Hütten-Baus, die sich als roter Faden durch alle vier Kapitel zieht. Ein Buch, das nicht nur Henry David Thoreau begeistern würde!

Petra Ahne: "Hütten – Obdach und Sehnsucht"
Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2019
132 Seiten, 28 Euro

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