Petra Hartlieb: "Wenn es Frühling wird in Wien"

Eine Liebesgeschichte im Hause Schnitzler

Buchcover Petra Hartlieb: "Wenn es Frühling wird in Wien"
Petra Hartlieb erzählt in ihrem neuen Roman von einer Handvoll Menschen, die schon im Zentrum ihres letzten standen. © DuMont / dpa
Von Manuela Reichart |
Sie hat den Sprung aus einer Bauernfamilie nach Wien geschafft: Marie arbeitet als Kindermädchen im Hause des Schriftstellers Arthur Schnitzler. Sie erlebt ihren ersten Theaterbesuch und ihre erste Liebe. Petra Hartliebs Buch ist Unterhaltungsliteratur im besten Sinn.
In geliehenen, viel zu engen Schuhen und sehr aufgeregt betritt die junge Frau das Burgtheater. Begleitet wird sie von einem ebenso jungen mittellosen Buchhändler, der zwar schon oft im Theater war, aber noch nie auf so teuren Plätzen saß. Die Karten sind nämlich ein Geschenk von Arthur Schnitzler. Sein Stück "Das weite Land" steht auf dem Spielplan. Die Protagonistin arbeitet als Kindermädchen im Haus des Schriftstellers.
Sie stammt vom Land, aus einer gewalttätigen kinderreichen Bauernfamilie und erlebt nun im Hause Schnitzler wie liebevoll und zugewandt man mit Tochter und Sohn umgehen kann. Sie liebt ihre Schützlinge, das dreijährige Mädchen und den aufgeweckten Neunjährigen, geht mit ihnen spazieren, bringt sie ins Bett, singt ihnen vor und nimmt sie sogar einmal mit in den weit entfernten Tierpark.

Über Arthur Schnitzler erfährt der Leser wenig

Petra Hartlieb, die gemeinsam mit ihrem Mann vor ein paar Jahren wagemutig eine Wiener Buchhandlung kaufte, worüber sie ein erfolgreiches Buch geschrieben hat, erzählt in ihrem neuen Roman von einer Handvoll Menschen, die schon im Zentrum ihres letzten standen: das Kindermädchen Marie, der Buchhändler Oskar, die Köchin, das Ehepaar Schnitzler und deren Kinder, Maries Großmutter, die ihr einst aufgegeben hatte, sie müsse wenigstens einmal im Leben ins Theater gehen. Außerdem kommen vor: ein Dienstmädchen, das von einem Tunichtgut geschwängert wird und fast an der Abtreibung stirbt, die lesbische Tochter eines wohlhabenden Buchhändlers, die eine Reise an Bord der Titanic macht. Am Rande erwähnt wird der Schriftsteller Felix Salten. Wie überhaupt die literarische Szene Wiens ebenso undeutlich bleibt wie Arthur Schnitzler selbst. Das enttäuscht. Wie und wann er gearbeitet hat, darüber erfährt man ebenso wenig wie über die Tischgesellschaften und wie ihre Konversationen Kontur gewinnen. Das ist schade, denn gerne würde man sich den Schnitzler´schen Haushalt deutlicher vorstellen, die beiläufig erwähnten Streitereien des Ehepaares verstehen.
Aber es handelt sich hier ja um Unterhaltungsliteratur im besten Sinn, die Handlung ist übersichtlich und plätschert fein gezeichnet dahin (obwohl dem Lektor sprachliche Dopplungen und allzu moderne Wendungen hätten auffallen können), die handelnden Personen sind im Umriss und nicht in der Charaktertiefe erkennbar. Man liest schnell und gerne, wird durchaus gefangen genommen von der Atmosphäre, die die Autorin einfängt, von der Liebesgeschichte, die nicht künstlich dramatisiert wird. Ein Buch für einen Regennachmittag, man fühlt sich angenehm unterhalten, auch wenn keine nachhaltigen Lektürefolgen zu erwarten sind.

Ein Buch für einen Regennachmittag

Ganz am Ende gibt es ein Foto, das Anfang des 20. Jahrhunderts aufgenommen wurde: Die Buchhandlung - die in der Geschichte eine zentrale Rolle spielt - und ihren Besitzer gab es wirklich. Es ist die, in die die Krimiautorin Petra Hartlieb sich mehr als ein Jahrhundert später gemeinsam mit ihrem Mann verliebt, die sie wagemutig übernommen hatte.

Petra Hartlieb: Wenn es Frühling wird in Wien
DuMont Verlag, Köln 2018
176 Seiten, 18 Euro

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