Sorge um das Rückgrat Europas
Petros Markaris ist der im Ausland bekannteste Schriftsteller Griechenlands. Er schreibt Drehbücher und Krimis, ist aber auch als Übersetzer tätig. Der 81-Jährige äußert sich immer wieder politisch und übt scharfe Kritik an seinen Landsleuten.
Die Krise, die Griechenland seit 2010 durchschüttelt, sah Petros Markaris schon früh kommen. Mit seinen Landsleuten geht er zum Teil hart ins Gericht. Alle hätten geschwiegen oder weggeschaut.
"Es gibt in Griechenland die Tendenz, anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben. Aber man kann sich vor der Verantwortung nicht drücken. Das Land und die Regierungen haben grobe Fehler gemacht. Sie haben eine Zeit des fiktiven Reichtums zustande gebracht, wo alle Griechen geglaubt haben, mit geborgtem Geld könnte man reich sein. Und dann kommt natürlich das Desaster."
Mit den Auswirkungen der Krise kämpft auch Kostas Charitos, die kauzige Hauptfigur seiner Bücher. Vor über 20 Jahren erfand Petros Markaris diesen Kommissar, eine Art Alter Ego des Autors. Inzwischen sind seine Krimis in 16 Sprachen übersetzt. "Drei Grazien" heißt der neuste und spielt im maroden Universitätsmilieu Griechenlands: Drei Professoren werden ermordet, weil sie in die Politik gegangen sind.
Der Vater Armenier, die Mutter Griechin
"Das Buch ist ein Kommentar, wie diese neuen Politiker, nicht nur in Griechenland, dem Scheinwerferlicht nachlaufen, um immer im Vordergrund zu stehen. Das verstehe ich nicht. Vielleicht bin ich zu alt."
Petros Markaris wurde 1937 in Istanbul geboren und spricht fünf Sprachen. Er wuchs dort in der griechischen Minderheit auf und weiß, wie lange es dauert, bis Fremde sich einleben.
"Die Griechen lebten unter sich, die Armenier und Juden auch. Es gab nur eine Tagesintegration im Geschäftsleben und in der Arbeit. Sonst waren sie völlig getrennt. Sie lebten schon seit Jahrhunderten so zusammen, nicht erst seit 40, 50 Jahren. Wenn ich die Deutschen höre, dass sie sich nicht integrieren – das ist zu früh. Das wird nicht so leicht sein. Ich habe das erlebt."
Die Eltern – der Vater Armenier, die Mutter Griechin – schickten den Sohn erst auf eine österreichische Schule in Istanbul, dann zum Studium der Volkswirtschaft nach Wien, später fand er eine Anstellung in einer Athener Zementfabrik.
Aber Petros Markaris zog es zur Literatur. Erst übersetzte er Werke von Goethe und Brecht ins Neugriechische, dann wurde er Co-Autor des Filmregisseurs Theo Angelopoulos und schließlich freier Autor. Gemeinsam mit Angelopoulos schrieb er elf Drehbücher und war über 40 Jahre mit ihm befreundet. Bei den verheerenden Waldbränden in Attika in diesem Sommer brannte das Archiv des 2012 verstorbenen Regisseurs ab.
Sorgenvoller Blick nach Italien und Spanien
"Das war ein großer Schlag. Das Haus existiert nicht mehr, das Archiv auch nicht. Theo Angelopoulos betrachtete sein Sommerhaus als seine eigentliche Arbeitsstätte. Dorthin hatte er sein ganzes Archiv verlagert, ganz bewusst. Jetzt ist alles abgebrannt, nur noch die Beton- und Steinwände sind geblieben, sonst nichts. Eine Tragödie."
Kürzlich wurde die letzte Tranche des umfangreichen Hilfsprogramms an Griechenland überwiesen. Für einfache Menschen, sagt Petros Markaris, werde sich aber nichts ändern. Immer wieder äußert er sich politisch und macht sich Sorgen um Europas Zukunft.
"Ich bin sehr beängstigt über das, was in Europa passiert. Und wenn es so weitergeht, fürchte ich, dass eine Zeit kommen wird, wo man sagen wird: Es war doch schön, als wir nur Griechenland als Problem in Europa hatten. Ich fürchte, dass in Europa der Mittelstand zerstört wird. Das Rückgrat der Gesellschaft ist der Mittelstand, ob es gefällt oder nicht. Mit diesem Mittelstand geht es in Italien, in Spanien und Griechenland bergab. Ich sehe, wie die Leute extrem rechts wählen und höre, es sind die Migranten. Aber das ist eine einfache Erklärung. Es geht darum, dass die Leute verzweifelt sind, und verzweifelte Leute mit einem klaren Kopf – das existiert nirgendwo in der Welt."