Luckes Weckruf ging nach hinten los
Seinen Absturz habe Bernd Lucke genau mit jenem "Weckruf" eingeleitet, der als Befreiungsschlag gedacht war, kommentiert Stefan Maas: Jetzt müsse die neue AfD-Vorsitzende Frauke Petry zeigen, ob sie nach monatelangen Führungskämpfen Ruhe in die Partei bringen kann.
Das Ergebnis war deutlich, der Jubel groß. Frauke Petry wird in Zukunft die Alternative für Deutschland führen. Ob das für die Parteimitglieder, die sich nach monatelangem Führungsstreit endlich wieder Ruhe und Stabilität erhoffen, wirklich ein Grund zum Jubel ist, das muss die neue Parteispitze allerdings erst einmal beweisen.
Bernd Lucke, bislang das Gesicht der Partei ist weg, abgestraft, ins Exil nach Brüssel verbannt. Viele an der Basis atmen auf. Denn Lucke, der die AfD mitgegründet und aufgebaut hat, war in den ersten Monaten, dem ersten Jahr, das Gravitiationszentrum der Bewegung, die langsam Strukturen annahm, zu einer Partei wurde. Diese Verdienste um den Aufbau, die Etablierung der AfD als feste Größe - zunächst in den Medien, dann auch in der politischen Landschaft, spricht ihm niemand ab.
Luckes Abstieg und Fall
Sein Abstieg, der am Ende zu einem immer schnelleren Fall wurde, begann ironischerweise zu dem Zeitpunkt, als die AfD immer weiter aufstieg. Mit dem Einzug in drei ostdeutsche Landesparlamente. Plötzlich gab es auch andere Gesichter, gab es andere politische Schwergewichte – zumindest innerhalb der Partei – mit eigenen Themen und eigenen Ideen. Doch Lucke konnte nicht aufhören, darauf zu beharren, alleine jener Mittelpunkt zu sein, um den alles kreist. Nicht aus persönlicher Eitelkeit. Die geht ihm ab. Für ihn ging es stets um die Sache. Um die Partei.
Dass eine so junge Partei ihre Themen finden und ihren Kurs ausfechten muss, sich selbst auch reinigen, von Themen und Personen, wollte der Wirtschaftsprofessor aus Hamburg nicht hinnehmen. Einerseits aus verständlicher Sorge, dass der Kurs entgleiten könnte, andererseits aus Ungeduld und der professoralen Gewohnheit, am Ende doch Recht zu haben – auch weil niemand wagt zu widersprechen. Doch: Mehr Basisdemokratie fordern, die eigene Partei aber zentralistisch führen, das wollten viele Mitglieder nicht mehr mittragen.
Seinen eigentlichen Absturz hat Lucke genau mit jenem Verein eingeleitet, der als Befreiungsschlag gedacht war. Der Weckruf sollte die liberalen Kräfte bündeln. In der Partei wurde er als Instrument der Spaltung wahrgenommen. Als Notausgang, als Exit-Strategie für den Fall, dass sich Frauke Petry durchsetzt. Ein Staatsstreich, der misslang. Viele Weckrufer wollen die Partei verlassen, auch Lucke überlegt, auszutreten. Die Mehrheit der Liberalen will jedoch abwarten, was nun aus der AfD wird. Ihre Unterstützung gehört dem oder derjenigen, die garantieren kann, dass die Partei sich weiter etabliert und ihre Themen durchsetzen kann.
Jetzt muss Petry gegen den rechten Rand kämpfen
Und hier liegt nun eine der großen Herausforderungen für Frauke Petry. Sie ist klug genug, nicht in das Siegesgeheul einiger Teile der Partei mit einzustimmen. Hat vielmehr betont, ihr Sieg sei kein Sieg der Konservativen über die Liberalen. Die AfD brauche beide Seiten. Nun muss sie beweisen, dass das nicht nur hehre Worte im Moment des Triumphs waren. Sondern dass sie es ernst meint mit der Integration der Liberalen, auch der ehemaligen Weckrufmitglieder. Sie weiß auch, bislang sind alle Parteien rechts von der Union an ihren extremen Mitgliedern gescheitert, weil sie unwählbar wurden. Das will Petry vermeiden, und muss es auch, wenn sie nicht auch die letzte Vorsitzende der Alternative sein will. Auch deshalb muss sie genau jenen Kampf weiterführen, den Bernd Lucke gekämpft hat. Den gegen die rechten Kräfte in der Partei. Nur dass sie dieses Mal nicht – wie es von vielen gesehen wurde – Teil des Problems ist. Sondern Teil der Lösung sein muss. Gleichzeitig warten einige am rechten Rand nun auf die Belohnung dafür, dass sie Petry unterstützt haben.
Jede ihrer Handlungen und Aussagen wird zukünftig unter das Mikroskop gelegt werden. Von den Medien, von ihren Anhängern, aber auch von ihren innerparteilichen Kontrahenten, die nur darauf warten, Sie zu überführen. Zu ihnen gehört auch Bernd Lucke.
Der Führungsstreit ist also überwunden. Die erhoffte Ruhe, in der sich die AfD rein auf inhaltliche Fragen konzentrieren kann, dürfte noch länger nicht einkehren. Zumindest solange nicht, bis das Programm fertig ist, das endlich klarmacht, wofür die junge Partei steht. Die AfD ist also zwar vielleicht über Lucke hinweg, über den Berg ist sie noch nicht.