Petzet: Rettung der Buddha-Statuen von Bamiyan dauert an

Michael Petzet im Gespräch mit Ulrike Timm |
Die Rettung der beiden 2001 von den Taliban zerstörten Buddha-Statuen von Bamiyan in Afghanistan wird noch geraume Zeit dauern. Insgesamt müssten etwa 2.000 Kubikmeter Trümmer bewegt werden, sagt der Ehrenpräsident des Internationalen Rates für Denkmalpflege ICOMOS und Leiter der Arbeiten vor Ort, Michael Petzet.
Ulrike Timm: Im 6. Jahrhundert entstanden im Tal von Bamiyan im heutigen Afghanistan zwei riesige Buddhastatuen – die eine 55 Meter hoch, die andere 38. Die Region war damals buddhistisch, blieb es aber nicht lange, und so begannen die größten Buddhafiguren der Welt im Laufe der Jahrhunderte zu verfallen. Trotzdem waren sie noch in den 1970er-Jahren eine große Touristenattraktion. Mancher Hippie hat auf Buddhas Kopf einen Joint geraucht. Am 12. März 2001 jedoch haben die Taliban die beiden Statuen einfach gesprengt. Inzwischen sind längst internationale Experten damit beschäftigt, zu retten, was zu retten ist. Die Arbeiten vor Ort leitet der Ehrenpräsident des Internationalen Rats für Denkmalpflege Icomos, Michael Petzet, der ist zurzeit in Deutschland. Schönen guten Tag!

Michael Petzet: Ja, guten Tag!

Timm: Herr Petzet, es wird nun schon seit Jahren in Bamiyan gearbeitet. Die Nischen, in denen vor der Sprengung die Buddhas standen, die sind aber immer noch leer. Was ist denn in all den Jahren passiert?

Petzet: Ja, es konnte die ernsthafte Arbeit ja erst beginnen, nachdem die wichtigste Sicherungsmaßnahme, also dass die Nischen nicht einfach einstürzen, geschehen war und wenn man sozusagen die Nischen ohne Gefahr auch betreten konnte. Es war… gab so ein Stahlnetz war notwendig. Also wir haben eigentlich – Icomos arbeitet da mit einem Team seit 2002 – also wir waren sehr früh vor Ort. Es begann mit sehr viel Vermessungsarbeit. Wir haben dann eigentlich erst 2004, nachdem die Nischen gesichert waren weitgehend, konnten wir mit der Bergung der Fragmente beginnen.

Timm: Das heißt, die Buddhas sind zurzeit ein Riesenpuzzle, das Sie erst mal sortieren mussten?

Petzet: Ja, es ist also die Bergung der Fragmente von dem großen Buddha ist auch sehr weit. Wir mussten heuer die Bereiche erweitern, wo die Steine untergebracht werden. Es ist ja so dass, es geht um etwa 2000 Kubikmeter Schutt, da sind Steine dabei, die 50, 60 Tonnen wiegen, also sehr schwierig zu bewegen, vor allem wenn man keinen großen Kran hat – das ist sehr schwierig, den aus Kabul heranzuschaffen. Und wir wollten einfach den Verfall behindern. Was wir bis jetzt gemacht haben, ist alles im Grunde Sicherung von dem, was noch da ist.

Timm: Werden denn die Buddhas je wieder in den Nischen stehen?

Petzet: Ja, man muss sagen, dass in der Nische des sogenannten kleinen Buddha, der ja auch einer der größten Buddhas der Welt ist, in dieser Nische ist an der Wand noch sehr viel an Originalbestand vorhanden. Wir haben natürlich größte Mühe, diesen Originalbestand zu sichern. Da gibt es unendliche Risse, die Oberfläche droht abzustürzen. Der kleine Buddha ist vollständig eingerüstet dank eines Gerüsts, was die Messerschmitt-Stiftung zur Verfügung gestellt hat. Und das war in diesem Jahr der Versuch, diese Sicherung dieser Rückwand mit dem Icomos-Team weitgehend abzuschließen.

Timm: Das heißt, die archäologischen Arbeiten sind da auch mächtig Ingenieursarbeiten. Wenn Sie am Ziel sind, werden dann die Buddhas so aussehen wie vor der Sprengung oder vielleicht sogar wie vor mehreren Jahrhunderten?

Petzet: Ja, es ist ständig auch ein Ingenieur, Felsmechaniker sind vor Ort. Wir haben hervorragende afghanische Arbeiter, wir haben einen afghanischen Architekten, auch einen sehr, sehr guten afghanischen Steinmetz. Das Ziel kann nicht sein, die Buddhas so wiederherzustellen, wie sie der kleine seit der Mitte des 6. Jahrhunderts, der große im frühen 7. Jahrhundert entstanden sind. Das ist nicht möglich, weil sie ja schon immer wieder stark beschädigt worden sind. Aber die Frage ist natürlich, was können wir mit den Trümmern anfangen, die sich durch die Sprengung von der Rückwand gelöst haben. Das wäre dann die übliche Methode in der Archäologie, eine sogenannte Anastylose, wo man vorgeht mit diesen Fragmenten, diese Fragmente werden sozusagen wieder versammelt an ihrem Platz.

Timm: Ich frage jetzt mal als Laiin, Herr Petzet, wenn Ihre Arbeiten erfolgreich sind, jenseits der Steinkonservierung und all der Ingenieursschwierigkeiten, haben die beiden Buddhas dann wieder ein Gesicht?

Petzet: Ein Gesicht hatten sie schon lange nicht mehr, weil die Gesichter waren ja so Art Masken, es war eine Holzkonstruktion schon ursprünglich. Also das Gesicht, die eigentlichen Gesichter der Buddhas waren schon lange weg. Man wird bei dem kleinen Buddha die Silhouette und weite Bereiche der Oberfläche, die inzwischen konserviert wurden, kann man erkennen. Wie es mit dem großen Buddha weitergeht, das kann ich so nicht entscheiden, das entscheiden auch nicht wir. Letztlich ist das eine Entscheidung oder muss eine Entscheidung sein der afghanischen Regierung. Wir haben eine sehr verständnisvolle Gouverneurin vor Ort, mit der diskutieren wir natürlich diese Fragen, aber letztlich, das ist auch Meinung der Unesco, kann nur die afghanische Regierung das entscheiden.

Timm: Im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur ist Michael Petzet, Ehrenpräsident des Internationalen Rats für Denkmalpflege Icomos und Leiter der Expertengruppe, die sich seit Jahren in Bamiyan um die Rettung der zerstörten Buddhastatuen bemüht. Herr Petzet, was will denn die Bevölkerung im Bamiyan-Tal?

Petzet: Die Bevölkerung … Also man muss ja dazusagen, Afghanistan ist ja kein buddhistisches Land. Wenn wir also einen Buddha hätten, der sozusagen noch im Dienst ist wie in Sri Lanka, dann bräuchte man wahrscheinlich sozusagen einen vollständigen Buddha. Hier geht es zunächst einmal auch um eine Touristenattraktion, um eine archäologische Stätte. Es geht um Fragmente. Man wird selbstverständlich die Zerstörung auch in Zukunft sehen wollen. Also das Interesse auch der afghanischen Regierung ist ein zukünftiger Tourismus – wie man sich den vorstellt, ist eine andere Frage –, aber sicher ist es eine Hauptattraktion des Landes und eines der bedeutendsten Geschichtszeugnisse.

Timm: Aber wie wahrscheinlich ist denn, dass es in der Region nach der Wiederherstellung der Statuen Einnahmen durch Tourismus geben könnte? Afghanistan ist ein Land, in dem herrscht Krieg derzeit.

Petzet: Ja, also es ist so, schon jetzt natürlich freuen sich unsere Arbeiter – wir hatten bis zu 40, 50 Arbeiter bei der Bergung beschäftigt – freuen sich jedes Jahr, wenn wir wiederkommen, und da geht es einfach auch um einen gewissen Verdienst an dieser Arbeit. In Zukunft kann sich da natürlich ein Tourismus entwickeln, aber gegenwärtig kann davon keine Rede sein.

Timm: Wie kommt es eigentlich, dass sich die muslimische Bevölkerung im Bamiyan-Tal so mit den Buddhas identifiziert, die doch keinerlei spirituelle Bedeutung mehr für sie haben?

Petzet: Ja, es sind dort, die Hasara sind ja Schiiten, die unter den Taliban sehr gelitten haben. Also man hat den Eindruck in Gesprächen mit der Bevölkerung, dass sie einfach das als ihre Geschichte auch betrachtet haben. Man hat in früheren Jahrhunderten gar nicht mal gewusst, dass es da um eine Darstellung von Buddha geht, sondern man hat gesagt, Mann, Frau und Kind, in der Mitte ist noch so ein kleiner Buddha, also es war einfach ein Stück Geschichte der eigenen Heimat. Und so wird es bis heute auch empfunden.

Timm: Das heißt, die Taliban haben buddhistische Statuen gesprengt, um den Teil der muslimischen Bevölkerung zu treffen, mit dem sie nicht konform gingen?

Petzet: Ja, es war eine Art Bildersturm, der ja befohlen war, der auch die Museen mit einbezogen hat.

Timm: Nun haben Sie uns geschildert, dass Sie da seit Jahren unter großen Schwierigkeiten arbeiten, in einem Land, in dem es ständig militärische Auseinandersetzungen gibt, auf 2500 Meter Höhe, man bekommt nicht mal einen vernünftigen Kran dahin. Wie lange, glauben Sie, sind Sie im Bamiyan-Tal noch beschäftigt?

Petzet: Ja, das kann ich so nicht sagen. Also es ist ja immer die Frage, bekommen wir weiterhin Mittel vom Auswärtigen Amt, wir freuen uns darüber sehr, auch die Unesco ist sehr interessiert an unserer Arbeit, aber außer diesem Icomos-Team in Afghanistan weiß ich nicht viel, was sonst an anderen Denkmälern und historischen Stätten, welche Hilfsaktionen da zurzeit noch laufen. Wir sind hier, gehören zu den wenigen, die dort arbeiten. Ich war vor etwa 14 Tagen zuletzt dort, und das ist, da bei uns im Bamiyan-Tal war eine sehr gute Stimmung, die Arbeit ist sehr gut gelaufen. Jetzt kommt der Winter, jetzt wird man die Baustelle wieder schließen. Wir hoffen, im nächsten Jahr sehr viel weiter zu kommen, sodass wir vielleicht schon so weit sind, dass die Gerüste bei dem kleinen Buddha entfernt werden können. Man würde diese Gerüste dann am großen Buddha einsetzen können.

Timm: Ist vielleicht eine sehr laienhafte Frage, aber wenn man die großen Buddhas und auch den kleinen Buddha, der immerhin 38 Meter misst, wenn man das nicht schaffen kann, ist es dann eventuell eine realistische Möglichkeit, Teile dieser Statuen in einem Museum auszustellen?

Petzet: Ja, es ist halt eine 55 Meter hohe Figur. Die Trümmer einer solchen Figur in einem Museum, das ist irgendwo absurd.

Timm: Also dann würde man den Krümel vom Buddha sehen und damit nichts?

Petzet: [Anm. d. Red.: Auslassung, da unverständlich] … es würde im Museum, es ist einfach nicht zu präsentieren. Wir haben natürlich ganz besonders geschützt alle historischen Oberflächen. Das Problem ist, dass Regen, Schnee, wenn man diese Trümmer nicht schützt, zerfallen sie zu Sand. Also was bleibt, ist letztlich ein Sandhaufen. Also all das in einem Museum macht im Grunde keinen Sinn.

Timm: Michael Petzet, Ehrenpräsident des Internationalen Rats für Denkmalpflege Icomos, über die Arbeiten in Bamiyan, wo Experten versuchen, die beiden Buddhastatuen zu retten, die vor achteinhalb Jahren von den Taliban so gut wie zerstört wurden. Vielen Dank fürs Gespräch!

Petzet: Danke auch!