Peymann inszeniert Ionesco
"Theater ist mein Leben", sagt Claus Peymann. "Ich bin Theater pur, der große Theaterclown. Und das werde ich immer sein. Wenn nicht, bin ich nicht mehr da.“ © imago images/Rudolf Gigler
Theater des Wahnsinns
12:48 Minuten
Claus Peymann bezeichnet sich selbst als „Theaterclown“. Passend dazu inszeniert der Regisseur in Ingolstadt gerade "Die Nashörner" von Ionesco. Und erklärt, warum das absurde Theater nur zu gut zum aktuellen Wahnsinn passt.
Einst war er skandalumwitterter Theaterchef in Stuttgart, Bochum, am Wiener Burgtheater und bis zu seinem Ruhestand vor fünf Jahren am Berliner Ensemble. Jetzt hat sich Regisseur Claus Peymann aufs absurde Theater verlegt. Nach Inszenierungen in Wien probt er am Stadttheater Ingolstadt derzeit „Die Nashörner“ von Eugene Ionesco.
„Ich habe den Eindruck, dass das absurde Theater wiederkommt“, sagt er. Aus seiner Sicht sei das Theater, das von einer politischen Position ausging, derzeit von der Wirklichkeit eingeholt: „Die Politik hat uns einfach überholt. Sie ist so wahnsinnig, so verrückt geworden und schrecklich, dass wir wieder an einen Weltkrieg denken müssen. Das ist so unvorstellbar.“
Die Bestien in uns
Aus Sicht des 84-Jährigen, der den Zweiten Weltkrieg miterlebt hat, beschreibt Ionesco in seinem Stück die Monster, die in den Menschen wohnen und plötzlich an die Macht kommen können.
„Es ist der schiere Wahnsinn. Und das absurde Theater ist das Theater des Wahnsinns. Also passt es.“ Neu sei auch, „dass wir selber den Wahnsinn beobachten und in uns selbst fühlen. Plötzlich sind die Bestien wieder da und übernehmen.“
Allerdings gelinge es dem Komödienschreiber Ionesco mit Hilfe des Humors, das Böse so böse zu finden, „dass man darüber nur Witze reißen kann“. Anders als Heiner Müller seien sowohl Ionesco als auch Thomas Bernhard trotz allem nicht zynisch geworden, also beide eine Art „philosophischer Clown, der auch in der Verzweiflung nicht den Humor verliert“.
Theater spielen gegen die Angst
Den Glauben an das Theater hat Claus Peymann in den vielen Jahren nie verloren, betont er: „Wir haben selbst vergessen, wie gut wir sind. Wir sind zwar nicht systemrelevant, aber wir sind systemkritisch und sind nie Aufbauer gewesen. Wir waren immer Zerstörer. Die Kunst zerstört. Die Kunst stellt infrage."
Die Menschen hätten immer Theater gespielt, um ihre Ängste zu bändigen. Das sei Teil der menschlichen Psyche. "Das Theater wird nicht untergehen. Wenn die Institute und die Strukturen vielleicht verloren gehen und wir schlechtes Theater machen, dann werden wir neu anfangen – in den Vorstädten, in den kleinen Kellerbühnen. Ohne Kunst, ohne Theater ist die Gesellschaft Beton.“