Peymann räumt auf!

Von Jürgen Stratmann |
Eine der tollsten Auktionen nannte Peymann die Versteigerung von Roben und verstaubtem Krempel. Nach dem Motto: Alles muss raus!, verdingte er sich auch selbst als Auktionator der sentimental besetzten Möbelstücke. Am meisten begehrt: die legendäre BE- Kantineneinrichtung, noch von Helene Weigel zusammengestellt.
Peymann als Auktionator: " ... Katharina Thalbach trug als Sängerin in Brechts Kaukasischen im Jahre 1976 ein beigefarbenes Kleid mit aufwendig besticktem Rock, das kann man wirklich bestätigen, da ist die ganze DDR-Kunst zu sehen ... (Gelächter)
... mit aufwendig besticktem Rock, Kuppke hat inszeniert, Kostüme hat Annemarie Rost gemacht, - eine Devotionalie von Katharina Thalbach, man kann sie sich richtig vorstellen ... 15 Euro! 15 Euro? 20 Euro ..."

Peymann im Interview: " ... Ja, das ist sicher eine der tollsten Auktionen, die hier in den letzten Jahrzehnten hier in Berlin waren, ausgelöst wurde das Ganze dadurch, dass wir ein Lager aufgelöst haben ... "

... und was darin zu finden war, wurde heute unters Volk gebracht. Die Auslage: Muffige Roben, im Fundus verblasst, ein fellbespanntes Bühnenpferd in Lebensgröße, das aussieht, wie vom Abdecker vergessen, gräulich-bräunliche Korbstuhl-Garnituren, roh-hölzerne Kantinentische und allerlei Ramponiertes aus dem Requisitenlager. Wenn auch sicher von bemühten Bühnenarbeiterhänden schon für's geneigte Käuferauge aufgehübscht, würde man sich nicht scheuen, den ganzen verstaubten Krempel als schäbig zu bezeichnen, handelte es sich hier nicht um theaterhistorisch höchst bedeutungsschwangeren Krempel:

Peymann: " Das sind natürlich sehr schöne, wie soll ich mal sagen? – stark sentimental besetzte Möbelstücke, da saß der Hintern von Brecht drauf und von Heiner Müller und der Po von Frau Weigel und was weiß ich, Gisela May, von diesen ganzen legendären Theaterfiguren, also, das ist ein Stück Devotionalie, und eh wir das verschrotten, ha 'm wir gedacht, das sind doch tolle Souvenirs, und das hat sich dann ausgeweitet zu allen möglichen sehr schönen, nicht mehr gebrauchten Gegenständen, wunderbaren Requisiten, Masken, Puppen, und das schenken wir einfach unserm Publikum meistbietend gegen Bar, ja. "

Meistbietend gegen bar verschenken, das ist kein fröhlicher Euphemismus, sondern meint wohl, das die hier zu erwerbenden Gegenstände eigentlich mit Geld gar nicht zu bezahlen sind.

Peymann: " ... also diese Thomas-Bernhard-Figur und der Hitler oder Albert Einstein oder so, das sind Figuren, die haben uns, weiß nicht, 5000, 6000, 7000, 8000 Euro gekostet, oder wir ha 'm da eine ganz geile Sache, es gibt da eine Erektionsmaschine, die wir für ein Stück brauchten, wo ein Schauspieler völlig überraschend beim Anblick eines netten Mädchens seine Hose nicht mehr im Zug hält, und das ist, hähä, so'n dolles Ding, das kann man gar nicht bezahlen, das ist ein technisches Meisterwerk."

Schade drum, aber es hilft nichts, alles muss raus!

Umfrage: " Das ist natürlich 'ne Schande, und womit begründet der Intendant das, sie müssten hier ja normalerweise Riesendemonstrationen sein ..."

Peymann: " Ich bin ja wahrscheinlich doch derjenige, der doch am allertraditionsbewusstesten ist, nicht indem ich ein Museum leite, sondern indem wir versuchen, Brecht und das große klassische Erbe auch der modernen Literatur eben lebendig zu spielen, und die größte Würdigung für Brecht is ja, dass er sich eben als für heute nützlich erweisen soll, es werden nicht die Geister vertrieben, sondern es werden die Geister wachgeküsst, manchmal müssen sie eben neue Klamotten anziehen, und dann können die alten weg – Peymann räumt auf!"

Und dass Claus Peymann das Erbe seiner Vorgänger höchstpersönlich unter den Hammer nimmt, das habe ganz praktische Gründe:

Peymann: " Ach Gott, wir haben keinen, der lauter schreit als ich, ja, wenn ich richtig loslege, dann bleiben ja am Bahnhof Friedrichshain die Züge stehen, weil sie denken, da ist 'n Elefant im Dschungel, ja? (lacht) - und da ich ja nicht mehr so lange in Berlin bin, bereite ich mich auf meinen Ruhestand vor, vielleicht brauchen die ja in Sotheby noch irgend 'n Schreihals, und dann werde ich auf jeden Fall Auktionator. "

Und den Ruf des Schreihalses hörte man weit...

Umfrage: " Wir kommen gerade aus Hamburg und finden, das macht er sehr humorvoll, sehr toll, wir sind ganz angetan, wir sind gerade erst zehn Minuten hier ... "

Und schon begeistert: Auktionator Klaus Peymann hat sein Publikum im Griff, die Nachfrage ist groß, das Geschäft läuft.
Peymann Auktion: " ... jetzt kommt ein Kleid, das die große Marianne Hoppe trug als Frau Antoine in "Müllers Auftrag", 1996, ein rotes bodenloses, bodenlanges hochgeschlossenes Kleid mit Glitzer, Regie Frank Castorf - so hat der damals die Leute angezogen, schauen se sich das an – Gelächter – da isser auch weitergekommen, ja (lacht sich kaputt) "

Umfrage: " Ich hab zu mein Mädchen, - ich zieh ihr das natürlich vom Haushaltsgeld ab – gesagt, wir wollen da mal 'n paar Requisiten kaufen, ich hab' da an ein Kostüm für mein Mädchen gedacht ... "

Mädchen: " ... aber es kommt mir jetzt nicht drauf an, wer's getragen hat, es müsste schön alt sein und meine Lieblingsfarbe ist rosa und wallende Stoffe ... "

Umfrage: " Das ist ganz amüsant, weil teilweise die Leute hier aussehen, als hätten sie schon einiges aus dem Fundus an ... "

Höhepunkt der ganzen Aktion war die Versteigerung der legendären BE- Kantineneinrichtung, einst zusammengestellt von Helene Weigel, bestehend aus 81 Korbstühlen und Holztischen. Viele sind extra dafür gekommen, es hatten sich gut 300 Personen auf dem Platz versammelt. Es fand sich aber dann doch kein Käufer, der das Inventar, wie erhofft, komplett für 5000 Euro übernehmen wollte. Trotzdem: Am Ende wart alles weg...

" ... 45 Euro zum 1., zum 2., und zum 3., Voilá..."