Pfarrer: Syriens Präsident Assad unterstützt christliche Minderheit
Der evangelische Pfarrer Jonas Weiß-Lange hat den Präsidenten Baschar al-Assad als Schutz für die christliche Minderheit in Syrien bezeichnet. Bei den Christen sei deshalb der Wunsch da, dass sich daran nicht soviel ändere.
Marietta Schwarz: Fünf Monate dauern nun schon die Proteste in Syrien an, regierungstreue Truppen gehen weiter mit Militärgewalt gegen Regimegegner vor. Hunderte Menschen wurden inzwischen getötet, Tausende festgenommen. Während die westliche Welt darüber berät, die bereits verhängten Sanktionen gegen das Assad-Regime zu verschärfen, halten manche Syrer im Land selbst die Aufständischen für die größere Gefahr.
Zum Beispiel die überwiegende Zahl der Christen, die unter Assads Regierung relative Freiheit genießen. Sie haben Angst vor radikal-islamischen Kräften, sollte es zu einem Umsturz kommen. Vor der Sendung hatte ich Gelegenheit, mit einem evangelischen Pfarrer aus Beirut über die Situation der christlichen Minderheiten in Syrien zu sprechen. Jonas Weiß-Lange reist regelmäßig nach Syrien und war zuletzt vor vier Wochen in Damaskus. Im Gespräch berichtete er zunächst von seinen Eindrücken dort.
Jonas Weiß-Lange: Seit Beginn dessen, was Unruhen oder irgendwie anders genannt wird in Syrien, ist Damaskus eigentlich immer gleich gewesen. Man spürt, es ist was da, aber die Menschen machen ihr Wochenende – bei uns ist der Gottesdienst am Sonnabend Abend. Das heißt, hinterher, wenn wir dann noch in der Stadt unterwegs sind, ist es auch sozusagen ganz normales Wochenende. Dasselbe trifft zu für Aleppo, da allerdings war ich zum letzten Mal Ostern.
Schwarz: Wenn Sie da hinfahren, um Gottesdienste abzuhalten, werden in diesen Gottesdiensten möglicherweise auch politische Themen thematisiert?
Weiß-Lange: Sicher. Ich denke, in jedem Gottesdienst kommt es zur Sprache. Wir sprechen das Glaubensbekenntnis. Wenn wir uns zum Gottesdienst versammeln im Namen Gottes, kommt alles zur Sprache. Es ist nicht so, dass ich dann von mir aus dann einen Vortrag halten würde oder Zeitungsnachrichten, aber in den Gesprächen vor dem Gottesdienst kommen Dinge zur Sprache, die dann einfließen in Predigt und natürlich in die Gebete.
Schwarz: Kann man denn als Pfarrer öffentlich in der Gemeinde möglicherweise auch Kritik üben, kann man seine politische Meinung in diesen Zeiten in Syrien äußern?
Weiß-Lange: Das kann man schon, die Frage ist, was es möglicherweise für Folgen hat. Ich denke, dass das in unserer kleinen Gemeinde erst mal nicht so ein Problem wäre, aber wenn es die Folgen hätte, dass ich zum Beispiel nicht mehr hinfahren könnte oder dass Menschen dort Schwierigkeiten bekommen, das möchte ich natürlich wirklich vermeiden. Dazu kommt, dass durchaus zu beobachten ist, dass Menschen mehr reden, auch über Politik in Damaskus. Ich überschaue jetzt zwei Jahre, und es hat sich durchaus verändert, dass Menschen bereit sind, sowohl in der Gemeinde, wenn wir zum Beispiel im Café sitzen, wo ja irgendjemand anders auch mithören könnte, als auch Leute im Taxi oder im Café oder im Restaurant, mit denen man ins Gespräch kommt, das ist möglich, mit denen politisch ins Gespräch zu kommen. Das war vor zwei Jahren nicht der Fall.
Schwarz: Was sagen die?
Weiß-Lange: Ganz vorne sind ihre Sorgen. Was ich am häufigsten – oder meistens bin ich mit meiner Frau zusammen dort – was wir am häufigsten gehört haben, sind Hinweise auf das Nachbarland oder auf die Nachbarländer, also aktuell auf den Irak, dass viele sagen, natürlich muss es Veränderungen geben, aber wir haben Sorge, dass es dann wird wie dort oder wie bei euch im Libanon von 75 bis 90.
Schwarz: Sie stehen in Syrien vermutlich eher mit der christlichen Minderheit in Kontakt. Nun richtet sich die Gewalt im Land ja nicht gegen die Christen – stehen die Christen hinter der Regierung, ist sie möglicherweise für die Christen sogar ein Garant der Religionsfreiheit? Also wo positioniert denn sich da die christliche Minderheit in Syrien?
Weiß-Lange: Also das, was ich weiß von leitenden Geistlichen, also der Kirchen im Land, ist, dass sie einfach deutlich machen, dass sie dankbar sind für den Schutz, den sie haben, und der ist durch das Regime. Das wird unterschiedlich formuliert, aber das ist die Position. Offiziell ist es ein säkulares Land, aber von der Geschichte her, die orientalische Christen in muslimischen Ländern haben, muss es immer jemand sein, der sie beschützt in diesem Land: Das Staatsoberhaupt, und das ist in dem Sinne in Syrien heute der Präsident. Und deshalb ist natürlich bei aller Kritik, die es auch gibt und die durchaus auch geäußert wird, schon der Wunsch da, dass sich da möglichst nicht so viel dran ändern möge.
Schwarz: Und vor Kurzem hat ja Präsident Assad auch einen griechisch-orthodoxen Christen zum Verteidigungsminister ernannt, also ist das auch als Signal Assads zu verstehen, dass er mit den Christen in einem Boot sitzt, sitzen will?
Weiß-Lange: Das ist insofern nichts Außergewöhnliches, dass es Christen auch in hohen Positionen immer wieder gab, einer der Gründer der Baath-Partei war Christ, das ist insofern nichts Außergewöhnliches. Es ist eher so, dass natürlich jemand, der selber wie Assad und seine Familie einer Minderheit angehört in diesem Land, schauen muss, welche anderen Minderheiten er mit sozusagen – das klingt so merkwürdig, wenn man das sagt – mit ins Boot nehmen kann.
Schwarz: Herr Weiß-Lange, ich sag jetzt mal einfach, die westliche Welt sieht eher sehr kritisch auf die Regierung Assads und auf das, was dort gerade passiert. Es sind unzählige Menschen festgenommen worden und bei den Unruhen getötet worden. Da ist das für mich jetzt natürlich überraschend zu hören, dass da jemand sagt, wir Christen, wir verbünden uns jetzt nicht unbedingt mit der Opposition oder wir sehen das aus einer anderen Perspektive.
Weiß-Lange: Sie sprechen genau den Punkt an. An der Stelle, wenn Sie so fragen, fühle ich mich natürlich, auch wenn ich hin und wieder dort zu den Gottesdiensten bin, doch als jemand sehr von außen und dementsprechend eher vorsichtig mit allem, was so in Richtung, wie soll ich sagen, Einschätzung oder gar Ratschläge gehen kann. Was ich verstanden habe, ist schlicht, dass in dieser Situation, wie sie die letzten Jahre war, es Christen einfach leichter war zu leben in Syrien und natürlich verglichen mit vielen Ländern drum herum. Und das ist etwas, was ich erst mal zur Kenntnis nehmen muss.
Schwarz: Die christliche Minderheit in Syrien ist ja auch gespalten, zerklüftet, besteht aus einer Vielzahl von auch orthodoxen Strömungen – gibt es denn da überhaupt eine gemeinsame Haltung?
Weiß-Lange: Ich denke, an der Stelle, auf die ihre Frage abzielte, was sind unsere Sorgen, wie geht es weiter, wird das Land in Chaos stürzen und wo wir dann die Verlierer sind, ich sag es jetzt mal überspitzt, da sind sich Christen unterschiedlichster Richtung in Syrien einig.
Schwarz: Das heißt, man erwartet nicht, man hofft nicht, dass Assad demnächst nicht mehr Präsident ist, dass die Regierung gestürzt wird?
Weiß-Lange: Der Wunsch ist einfach, schlicht, ich weiß, das klingt jetzt sehr pathetisch, aber der Wunsch ist schlicht zu überleben.
Schwarz: Jonas Weiß-Lange war das, evangelischer Pfarrer in der Auslandsgemeinde Beirut. Er reist regelmäßig nach Syrien und war vor Kurzem in Damaskus. Herr Weiß-Lange, ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch und alles Gute!
Weiß-Lange: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Zum Beispiel die überwiegende Zahl der Christen, die unter Assads Regierung relative Freiheit genießen. Sie haben Angst vor radikal-islamischen Kräften, sollte es zu einem Umsturz kommen. Vor der Sendung hatte ich Gelegenheit, mit einem evangelischen Pfarrer aus Beirut über die Situation der christlichen Minderheiten in Syrien zu sprechen. Jonas Weiß-Lange reist regelmäßig nach Syrien und war zuletzt vor vier Wochen in Damaskus. Im Gespräch berichtete er zunächst von seinen Eindrücken dort.
Jonas Weiß-Lange: Seit Beginn dessen, was Unruhen oder irgendwie anders genannt wird in Syrien, ist Damaskus eigentlich immer gleich gewesen. Man spürt, es ist was da, aber die Menschen machen ihr Wochenende – bei uns ist der Gottesdienst am Sonnabend Abend. Das heißt, hinterher, wenn wir dann noch in der Stadt unterwegs sind, ist es auch sozusagen ganz normales Wochenende. Dasselbe trifft zu für Aleppo, da allerdings war ich zum letzten Mal Ostern.
Schwarz: Wenn Sie da hinfahren, um Gottesdienste abzuhalten, werden in diesen Gottesdiensten möglicherweise auch politische Themen thematisiert?
Weiß-Lange: Sicher. Ich denke, in jedem Gottesdienst kommt es zur Sprache. Wir sprechen das Glaubensbekenntnis. Wenn wir uns zum Gottesdienst versammeln im Namen Gottes, kommt alles zur Sprache. Es ist nicht so, dass ich dann von mir aus dann einen Vortrag halten würde oder Zeitungsnachrichten, aber in den Gesprächen vor dem Gottesdienst kommen Dinge zur Sprache, die dann einfließen in Predigt und natürlich in die Gebete.
Schwarz: Kann man denn als Pfarrer öffentlich in der Gemeinde möglicherweise auch Kritik üben, kann man seine politische Meinung in diesen Zeiten in Syrien äußern?
Weiß-Lange: Das kann man schon, die Frage ist, was es möglicherweise für Folgen hat. Ich denke, dass das in unserer kleinen Gemeinde erst mal nicht so ein Problem wäre, aber wenn es die Folgen hätte, dass ich zum Beispiel nicht mehr hinfahren könnte oder dass Menschen dort Schwierigkeiten bekommen, das möchte ich natürlich wirklich vermeiden. Dazu kommt, dass durchaus zu beobachten ist, dass Menschen mehr reden, auch über Politik in Damaskus. Ich überschaue jetzt zwei Jahre, und es hat sich durchaus verändert, dass Menschen bereit sind, sowohl in der Gemeinde, wenn wir zum Beispiel im Café sitzen, wo ja irgendjemand anders auch mithören könnte, als auch Leute im Taxi oder im Café oder im Restaurant, mit denen man ins Gespräch kommt, das ist möglich, mit denen politisch ins Gespräch zu kommen. Das war vor zwei Jahren nicht der Fall.
Schwarz: Was sagen die?
Weiß-Lange: Ganz vorne sind ihre Sorgen. Was ich am häufigsten – oder meistens bin ich mit meiner Frau zusammen dort – was wir am häufigsten gehört haben, sind Hinweise auf das Nachbarland oder auf die Nachbarländer, also aktuell auf den Irak, dass viele sagen, natürlich muss es Veränderungen geben, aber wir haben Sorge, dass es dann wird wie dort oder wie bei euch im Libanon von 75 bis 90.
Schwarz: Sie stehen in Syrien vermutlich eher mit der christlichen Minderheit in Kontakt. Nun richtet sich die Gewalt im Land ja nicht gegen die Christen – stehen die Christen hinter der Regierung, ist sie möglicherweise für die Christen sogar ein Garant der Religionsfreiheit? Also wo positioniert denn sich da die christliche Minderheit in Syrien?
Weiß-Lange: Also das, was ich weiß von leitenden Geistlichen, also der Kirchen im Land, ist, dass sie einfach deutlich machen, dass sie dankbar sind für den Schutz, den sie haben, und der ist durch das Regime. Das wird unterschiedlich formuliert, aber das ist die Position. Offiziell ist es ein säkulares Land, aber von der Geschichte her, die orientalische Christen in muslimischen Ländern haben, muss es immer jemand sein, der sie beschützt in diesem Land: Das Staatsoberhaupt, und das ist in dem Sinne in Syrien heute der Präsident. Und deshalb ist natürlich bei aller Kritik, die es auch gibt und die durchaus auch geäußert wird, schon der Wunsch da, dass sich da möglichst nicht so viel dran ändern möge.
Schwarz: Und vor Kurzem hat ja Präsident Assad auch einen griechisch-orthodoxen Christen zum Verteidigungsminister ernannt, also ist das auch als Signal Assads zu verstehen, dass er mit den Christen in einem Boot sitzt, sitzen will?
Weiß-Lange: Das ist insofern nichts Außergewöhnliches, dass es Christen auch in hohen Positionen immer wieder gab, einer der Gründer der Baath-Partei war Christ, das ist insofern nichts Außergewöhnliches. Es ist eher so, dass natürlich jemand, der selber wie Assad und seine Familie einer Minderheit angehört in diesem Land, schauen muss, welche anderen Minderheiten er mit sozusagen – das klingt so merkwürdig, wenn man das sagt – mit ins Boot nehmen kann.
Schwarz: Herr Weiß-Lange, ich sag jetzt mal einfach, die westliche Welt sieht eher sehr kritisch auf die Regierung Assads und auf das, was dort gerade passiert. Es sind unzählige Menschen festgenommen worden und bei den Unruhen getötet worden. Da ist das für mich jetzt natürlich überraschend zu hören, dass da jemand sagt, wir Christen, wir verbünden uns jetzt nicht unbedingt mit der Opposition oder wir sehen das aus einer anderen Perspektive.
Weiß-Lange: Sie sprechen genau den Punkt an. An der Stelle, wenn Sie so fragen, fühle ich mich natürlich, auch wenn ich hin und wieder dort zu den Gottesdiensten bin, doch als jemand sehr von außen und dementsprechend eher vorsichtig mit allem, was so in Richtung, wie soll ich sagen, Einschätzung oder gar Ratschläge gehen kann. Was ich verstanden habe, ist schlicht, dass in dieser Situation, wie sie die letzten Jahre war, es Christen einfach leichter war zu leben in Syrien und natürlich verglichen mit vielen Ländern drum herum. Und das ist etwas, was ich erst mal zur Kenntnis nehmen muss.
Schwarz: Die christliche Minderheit in Syrien ist ja auch gespalten, zerklüftet, besteht aus einer Vielzahl von auch orthodoxen Strömungen – gibt es denn da überhaupt eine gemeinsame Haltung?
Weiß-Lange: Ich denke, an der Stelle, auf die ihre Frage abzielte, was sind unsere Sorgen, wie geht es weiter, wird das Land in Chaos stürzen und wo wir dann die Verlierer sind, ich sag es jetzt mal überspitzt, da sind sich Christen unterschiedlichster Richtung in Syrien einig.
Schwarz: Das heißt, man erwartet nicht, man hofft nicht, dass Assad demnächst nicht mehr Präsident ist, dass die Regierung gestürzt wird?
Weiß-Lange: Der Wunsch ist einfach, schlicht, ich weiß, das klingt jetzt sehr pathetisch, aber der Wunsch ist schlicht zu überleben.
Schwarz: Jonas Weiß-Lange war das, evangelischer Pfarrer in der Auslandsgemeinde Beirut. Er reist regelmäßig nach Syrien und war vor Kurzem in Damaskus. Herr Weiß-Lange, ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch und alles Gute!
Weiß-Lange: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.