Pfefferminz: Kühles Kraut für heiße Tage

Was einst als kühlender Tee für heiße Tage gefeiert wurde, gerät immer mehr in den Ruf eines omnipotenten Naturheilmittels. In der medizinischen Fachpresse wird das Pfefferminzöl aktuell vor allem bei Verdauungsproblemen, dem sogenannten Reizdarm, erwogen. Eine Reihe von Studien zeigte, dass damit insbesondere Blähungen und Bauchschmerzen seltener wurden. Allerdings hatten die Studienergebnisse eine große Schwankungsbreite, was dafür spricht, dass es bei manchen Patienten hilft und bei anderen rein gar nichts bewirkt.
Wie wirkt Pfefferminzöl bei Reizdarm?
Nach Auffassung der Experten werden durch das ätherische Öl, insbesondere durch das kühlende Menthol, die Nerven im Darm daran gehindert, den Schmerz zu vermelden. Dafür spricht, dass Pfefferminzöl krampflösend wirkt. Außerdem wird es auch bei Muskel- und Nervenschmerzen äußerlich angewandt. Da aber bei den Darm-Patienten auch die Blähungen abnehmen, dürfte die Hauptwirkung eine andere sein. Denn ohne Blähungen keine Schmerzen. Der Grund ist also eher in den antibiotischen Eigenschaften des ätherischen Öls zu suchen. Es tötet zahlreiche Keime ab: Nicht nur Bakterien, sondern auch Hefen wie Candida sowie zahlreiche Schimmelpilze. Damit das Öl auch am rechten Ort ankommt, wird es für diesen Zweck so verkapselt, dass es erst im Darm freigesetzt wird.
Woher kommt der Reizdarm?
Bei wiederkehrenden schmerzhaften Blähungen stehen zwei Ursachen im Vordergrund: 1. Unverträglichkeiten durch Probleme mit der Absorption, wie z. B. bei Laktoseintoleranz. 2. "Gesunde" Ernährung, also eine ballaststoffreiche, rohkost- und körnerbetonte Kost. Da der Verdauungstrakt des Menschen dank seines kurzen Dickdarms auf eine ballastsstoffreduzierte Ernährung ausgelegt ist, kommt es bei Überladung mit schwerverdaulicher Kost oft zu schmerzhaften Blähungen. Die Blähungen resultieren in beiden Fällen aus unverdauten Kohlenhydraten, die nach einiger Zeit zu einer Besiedelung des Darmes mit Hefen führen. Bei langandauerndem Konsum stark blähender Vollkornprodukte verändert sich die Darmflora nachhaltig. Hier verschaffen verkapselte, magensaftresistente Pfefferminzöle manchen Patienten offensichtlich Linderung, indem sie unerwünschten Keimen im Darm, insbesondere Hefen und Pilzen das Lebenslicht ausblasen. Das unterbindet die Blähungen und verhindert damit die Schmerzen. Das ist wohl auch der Grund, warum es nur bei manchen Patienten wirkt: Es hängt halt von den Keimen ab.
Die antibiotischen Wirkungen sind es auch, die dem Pfefferminzöl traditionell einen Platz bei der Behandlung von Atemwegserkrankungen verschafft haben. Neuerdings wird Pfefferminzwasser äußerlich gegen Brustentzündungen bei stillenden Müttern empfohlen.
Nebenwirkungen:
Pfefferminzöl ist offenbar wirksam – und kann deshalb auch schon mal schaden. Es wird angenommen, dass 10 Gramm Pfefferminzöl ausreichen, um einen Menschen zu töten. Beim Tier treten bei einer Vergiftung Unkoordiniertheit, Krämpfe und schließlich ein betäubungsähnlicher Zustand auf. Chronische Zufuhr führt zu Veränderungen im Gehirn (Encephalopathien) sowie zu Leberschäden. Beim Menschen werden auch Fälle von Nierenversagen mit dem Konsum größerer Mengen Pfefferminzöl in Verbindung gebracht. Nicht umsonst wirkt das Öl auch als Insektizid z.B. gegen Spinnmilben und Kornkäfer.
Sind Pfefferminzbonbons riskant?
Nein. Die rein rechnerisch noch harmlose Dosis liegt etwa in der Größenordnung jener Menge an Pfefferminzöl, die in einer üblichen Süßwarenpackung enthalten ist.
Verfälschungen:
Pfefferminzöl ist teuer. Deshalb wird es gerne mit dem deutlich billigeren Minzöl verpanscht. Am häufigsten ist ein Verschnitt von rektifiziertem Minzöl, das mit synthetischem Menthofuran und Menthol auf Pfefferminze getrimmt wurde. Teilweise stehen auch Pfefferminzsorten zur Verfügung, die einen ungewöhnlich hohen Gehalt an Menthofuran aufweisen, die dann mit fraktioniertem Minzöl verdünnt werden. Auch das billigere Öl der Krauseminze hat eine pharmakologische Wirkung: Die Krauseminze verändert die Spiegel an Sexualhormonen. Bei Frauen, die an einer erhöhten Produktion von männlichen Sexualhormonen litten, kam es durch Krauseminzetee zu einem deutlichen Absinken der Testosteronspiegel, sowie zu einem Anstieg von Östradiol. Ob sich Krauseminze zur Behandlung entsprechender Erkrankungen tatsächlich bewährt, bleibt abzuwarten.
Fazit:
Manche mögen Pfefferminze – und denen sei sie gegönnte. Andere mögen sie nicht. Und die tun gut daran, das Kraut zu verschmähen. Was bleibt ist die kühlende Wirkung. Sie entsteht allerdings auf anderem Wege als bei Eiskonfekt. Der wirkt kühlend, weil beim Schmelzen Wärmeenergie verbraucht wird. Die Pfefferminze bzw. der hierfür verantwortliche Aromastoff Menthol wirkt über die Aktivierung von Kälterezeptoren. Sie signalisieren dem Gehirn dann das Gefühl von Erfrischung.
Literatur
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