Pfeiffer mit drei ''f''

Von Anke Petermann |
"Pfeiffer ist ein guter Beobachter, entsprechend präzise sind seine Beschreibungen des nächtlichen Wiesbaden mit seinen düsteren Seiten" - schrieb das "Main-Echo" 2005 über den Wiesbaden-Krimi "Im Bauch der Stadt" von Alexander Pfeiffer. Die hellere Seite erlebt Anke Petermann in Wiesbaden am Tage, wenn der Autor sie durch seine Stadt führt.
Michael von Poser, Schriftsteller und Frontmann der Bürgerliste Wiesbaden.

"Ich habe eine Liebe zu den alten Häusern, speziell zu denen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das hängt wohl damit zusammen, dass meine Stadt, nämlich Wiesbaden, neben Berlin den größten Bestand davon aufzuweisen hat."

Michael Bischoff, ehrenamtlicher Ortsvorsteher im Westend, SPD.

"Wiesbaden hatte ja mal einen Ruf als Weltkurstadt. Der resultierte daraus, dass Kaiser Wilhelm diese Stadt sehr geliebt hat und jedes Jahr mehrmals hier war – also er war von dieser Stadt ziemlich begeistert, was dazu geführt hat, dass viele Adelige und höhere Beamte hier gekurt haben."

Hans Henn, Eigentümer eines Tabakladens in dritter Generation und einer kleinen An- und Verkaufsladenkette auf der Wellritzstraße.

"Also, hier waren überwiegend Geschäftsleute, die dann auch in den Häusern in der ersten Etage meistens gewohnt und gelebt haben, dann haben wir in der Sedanstraße viele Handwerksbetriebe gehabt wie Schreinereien und Schlossereien, und man kann auch heute noch an den Häusern schön erkennen: die erste Etage noch schön ausgestattet mit Stuck und allem drum und dran und die anderen sehr schlicht und einfach gehalten, da hat halt das normale Arbeitervolk gewohnt und gelebt, und das war natürlich auch die Kundschaft von meinem Großvater 1920 – das war überwiegend Kundschaft aus dem Westend."

Wiesbadens Westend – anders als das Frankfurter nie "Feine-Leute-Viertel" gewesen. Heute: das Klein-Kreuzberg der mondänen Kurstadt.

"Reisebüro, Bäcker, Kneipe, Friseur, Juwelier, Fahrschule, Call Shop, HiFi-Laden, Antiquitätenhandel, Krimskramslädchen, Kiosk, Dönerbude. Sobald hier einer seinen Laden aufgibt, steht der Nächste Gewehr bei Fuß, um mit einer neuen Geschäftsidee einzuziehen. Und 200 Meter weiter jammern die Ladeninhaber der Fußgängerzone über hohe Mieten und flaue Geschäfte."

Die Wellritzstraße – Zentrum multikultureller Geschäftigkeit – so erlebt es der Romanheld Art Pfeilschifter in Alexander Pfeiffers Wiesbaden-Krimi "So wie durchs Feuer hindurch".

"Während ich die Wellritzstraße entlanggehe, höre ich niemanden jammern. Die Menschen sind zu beschäftigt dazu. Wer gerade keine Haare schneidet, Fladenbrote über die Theke reicht, ein Telefon bedient, einen Billigflug nach Istanbul verhökert oder einen verstaubten Koran im Goldschnitt aus dem Schaufenster hievt, der steht mit mindestens drei bis vier anderen auf dem Bürgersteig und debattiert lautstark über die Themen, die die Welt bewegen."

Michael Meyer wohnt im vornehmen Villenviertel hinterm Kurhaus – großzügige Prachtbauten, spektakuläre Aussicht vom Hang auf die Stadt hinunter, frische Luft. "Vorher habe ich in Frankfurt irgendwo in der Bronx gewohnt", erzählt der Neu-Wiesbadener aus dem Ruhrgebiet. Jetzt fährt er jedes Wochenende zum Einkaufen ins weniger vornehme Westend,

"… weil ich hier genau das kriege, was ich brauche – frische Sachen, vor allen Dingen Kräuter und so. Ich wohne inner toten Gegend in Wiesbaden, 'Rentnerhausen' nenn’ ich dat. Und hier ist immer richtig Leben, dat macht Spaß. Kaffeetrinken, und dann wird man immer mal angeschnackt, das fehlt dahinten …"

Meyer reicht Geld für Minze-, Rauke- und Koriander-Bündelchen über die Theke von Bucaks Gemüseladen. Im Hintergrund rauscht die Kühlung für riesige Schafskäse-Batzen und Auberginenpüree.
In der Bäckerei nebenan kauft Meyer noch Olivenbaguette. Ertugrul Bucak führt beide Läden in zweiter Generation. Mögen andere das Westend mit verächtlichem Unterton "Klein-Istanbul" nennen, Bucak findet es lebendig.

"Also, es ist für mich wie Klein-New-York, verschiedene Völker, verschiedene Kulturen in einer Gegend, und das harmoniert, man versteht sich ganz gut, und das macht einfach viel Spaß."

Wiesbaden im Jahr 2000. Taxifahrer Matthias Groß fährt Nachtschicht wie immer. Wenig los, der Umsatz tröpfelt. Groß raucht und versinkt in einem Buch. So die Eingangsszene in Alexander Pfeiffers Krimi-Erstling "Im Bauch der Stadt".

"Die Stimme aus dem Funkgerät riss mich in die Wirklichkeit zurück. -
368! - Ich meldete mich. Zur Westendstube, 368! -
Die Westenendstube, ausgerechnet. Ein mieses Loch für Flaschenbiertrinker, praktisch direkt gegenüber meiner Wohnung Ich legte das Buch weg und fuhr los."

Alexander Pfeiffer, Krimi-Autor und Aushilfs-Taxifahrer, schlendert durch sein Zuhause, das äußere Westend, die etwas ruhigere Wohngegend westlich der geschäftigen Wellritzstraße. Pfeiffer ist Mitte dreißig, lässig gekleidet in Jeans und Lederjacke, die zurückgekämmten Haare stoßen fast auf die Schultern. Auf der Mitte der leicht abschüssigen kopfsteingepflasterten Gneisenaustraße bleibt er stehen. Vor einem vierstöckigen Mietshaus - Ende 19. Jahrhundert, wie alle in dieser Reihe. Gegen die Nachbarhäuser mit ihren opulenten Backsteinfassaden in Ocker und Ziegelrot wirkt das Grau-weiß der Nummer 20 besonders schmuddelig. Bröckelnde Putten halten Wappen, denen die Farbe fehlt, auf der Mitte der Fassade breitet ein Adler die Schwingen aus – der Kopf ist abgebrochen. Alexander Pfeiffer deutet auf das Haus, das für seinen Romanhelden Matthias Groß zu einer Art Schutzwall gegen die Attacken aus der Unterwelt wird.

"Der wohnte unter anderem auch deshalb hier, weil ich selbst relativ lange in der Gneisenaustraße hier gewohnt habe, da drüben, wo jetzt der Sperrmüll steht, da im Hinterhof hatte ich ne ganz kleine Wohnung, 25 Quadratmeter, war superbillig aber natürlich auch ganz einfach."

"Im Bauch der Stadt" – sechs Tage und Nächte im Leben des Wiesbadener Taxifahrers Matthis Groß. Nach einer nächtlichen Auftragsfahrt ins Bordell trifft er auf die zusammengeschlagene Prostituierte Martina, nimmt sie in seiner Wohnung auf. Gerät mitten in ein Spiel von Gewalt, Erpressung und Bestechung rund um ein Neubauprojekt.

"Gegenüber der Westendstube klaffte eine Baulücke in der Häuserreihe. Direkt daneben stand das Haus, in dem ich wohnte. Und neben diesem ein Haus, in dem seit einiger Zeit niemand mehr wohnte. Entmietet. Vor der Baulücke ragte ein großes Schild an zwei Holzpfosten unheilvoll in die Nacht: Stadtteilsanierung 'Westend'. Hier entstehen neue Wohn- und Gewerbeflächen. Bauausführende Firma: Heilmann. Finanziert aus Sanierungsfördermitteln des Landes Hessen. Ihr Tiefbauamt."

Abriss und Neubau mit Landesmitteln – das allerdings passiert nur im Roman. Die Gneisenaustraße 20 steht noch, keine Baulücken weit und breit. Pfeiffers älterer Schriftsteller-Kollege Michael von Poser ist Denkmalschützer aus Passion und weiß:

"Das Westend, soweit der alte Baubestand reicht, ist unter Ensembleschutz, und im Augenblick sehe ich keinerlei Gefahr, nachdem sich die Stimmung in Wiesbaden mal grundsätzlich geändert hat und wir nun wünschen, als Weltkulturerbe zu reüssieren, scheint mir im Augenblick die Gefahr, dass ein Haus hier kaputt saniert oder abgerissen wird, relativ klein zu sein."

"Ich lieb nun mal die alten Häuser" hat von Poser einen Essay für den Südwestrundfunk genannt, und er meinte auch die alten Häuser im Wiesbadener Feldherrenviertel. Von Blücher, Scharnhorst, Gneisenau – Straßennamen und Gebäude im äußeren Westend - beide stammen aus der Zeit des deutschen Hurra-Patriotismus.

"Ich kenne alle Einwände gegen eine solche Architektur. Ich schlage mich seit Jahrzehnten damit herum. Ich habe Verständnis dafür, dass man sie nicht mag. Der Hauptvorwurf ist natürlich das Pompöse, das Gelogene, die eingemischten gotischen, barocken, klassizistischen und sonstigen Elemente. Tatsächlich scheint alles erlaubt gewesen zu sein. Es gibt bei uns Häuser mit ägyptischem Einschlag und andere, die wie Merowinger-Festungen aussehen. Unser Rathaus ist dickste Pseudorenaissance. Aber, um es einmal positiv zu wenden, wenn man herum läuft in der Stadt, kann man immer etwas entdecken: Türmchen, Erker und verzwickte Balkons, Friese und Skulpturen. Wenn es gelogen ist, ist es halt gut gelogen."

Nur ein paar Schritte entfernt von der abgeschabten Gneisenaustraße 20 entfernt wohnt von Poser selbst ganz oben in einem zartgelb verputzten Eckhaus. Vor dem Eingang Blücherstraße das besondere Markenzeichen der von Posers: ein Gärtchen am Bürgersteigrand mit roten Rosen und blauem Wiesensalbei– eine bunte Liebeserklärung an das Viertel, in dem sie wohnen. An ein Quartier, das schon mehrfach bedroht war. Zuletzt in den 80ern und 90ern - nicht von Abriss, sondern von Spekulation und Luxussanierung. Um zu zeigen, worum es damals ging, schlägt Ortsvorsteher Michael Bischoff den Weg in die Seerobenstraße ein, zu einem dreigliederigen Mietshaus-Komplex mit vorspringenden Balkonen, Säulengeländern und Erkern – neobarocke Prachtentfaltung in strahlendem Weiß. Anfang der 80er Jahre, so erinnert sich Ortsvorsteher Bischoff eines der ersten Opfer von Spekulanten,

"… die massenweise auf einmal auf dem Markt aufgetreten sind, die Altbausubstanz aufgekauft haben, renoviert haben, also ein bisschen aufgebrezelt nach außen, aufgehübscht, in Einzeleigentum aufgeteilt und dann verkauft. Verkauft heißt, dass der, der’s gekauft hat, nicht drin wohnen musste, sondern meistens waren das dann Leute, die Gelder, über deren Herkunft man trefflich streiten kann, irgendwo unterbringen wollten – das ist dann alles in diese Eigentumswohnungen reingeflossen und dann hat man die vermietet."

An zahlungskräftigere Kundschaft als die vormaligen Mieter. Wie es ist, wenn Immobilienhaie zubeißen – das bekamen damals viele Bewohner schmerzlich zu spüren.

"Da kamen dann solche Rollkommandos und haben dann samstags morgens um sechs Uhr angefangen, irgendwelche Leitungen im Haus zu entfernen. Oder größere Löcher in Böden und Wände zu brechen, die eigentlich nicht notwendig waren, aber man hat eben Schmutz, Staub und Lärm verursacht, manchmal auch den Strom abgestellt, und das waren dann die Methoden, die Leute da raus zu kriegen."

"Justus Heilmann" heißt in Alexander Pfeiffers Roman der abrisswütige Baulöwe, der mit der hessischen Landespolitik unter einer Decke steckt – so jedenfalls die literarische Version. "Justus Heilmann" klingt ein bisschen nach "Philipp Holzmann". Unter dem Eindruck der millionenschweren Pleite dieses Frankfurter Bauriesen und der vergeblichen Versuche auch von Landesseite, den Konkurs aufzufangen, stand Hessen in der Entstehungszeit des Pfeiffer-Krimis um die Jahrtausendwende. Doch die Methoden der Spekulanten im Wiesbadener Westend erinnern Ortsvorsteher Bischoff mehr an einen anderen Immobilienunternehmer aus der Region.

"Mit dem Geld, was sie aus dem Verkauf der Wohnungen erlöst haben, haben sie dann gleich das nächste Objekt gekauft - wie so ein Schneeballsystem. Das hat auch ne Zeit lang gut funktioniert, weil die Nachfrage dementsprechend da war. Einer, der das in größerem Maßstab gemacht hat, Dr. Schneider, der hat das ja mit großen Objekten gemacht, und mit der gleichen Systematik. Eins aufkaufen, modernisieren und mit dem Erlös daraus wieder das nächste kaufen. Das heißt, diese Firmen an sich waren, was die Kapitaldecke anging, kürzer als mein Hemd."

… und deshalb zuweilen pleite, bevor man sie für ihre Schlampereien beim "Aufhübschen" zur Verantwortung ziehen konnte. Mit Hilfe sogenannter "Erhaltungssatzungen" für spekulationsbedrohte Viertel wehrte sich der Wiesbadener Magistrat schließlich dagegen, dass windige Unternehmer die alteingesessene Mieterschaft verdrängten. Er machte Abriss und Nutzungsänderung genehmigungspflichtig, bei Immobilientransaktionen konnte die Stadt ein Vorkaufsrecht wahrnehmen. "Milieuschutz" war das Motto. Die spezielle Westend-Mischung aus Migranten und ‚Eingeborenen’, aus Künstlern, Handwerkern, Geschäftsleuten und Arbeitern sollte als soziales Biotop erhalten werden. Der Schriftsteller Michael von Poser hatte damals selbst befürchtet, Opfer der um sich greifenden Entmietung zu werden.

"Wir saßen hier in unserer Wohnung und wussten nicht, wer wird sie bekommen, wir waren erst mal natürlich froh, dass die Stadt sie gekauft hatte – als Übergang war das nützlich. Ich hab mir auch die Interessenten alle angeschaut, und mir schien, es gab durchaus auch den Typus, der an der Sache Geld verdienen wollte. Wir können von Glück in diesem Haus sagen, dass dann ein Besitzer es bekommen hat, der wirklich damit umzugehen weiß."

Im benachbarten Rheingauviertel mit seinen prächtigeren Bürgerhäusern hatten nicht alle Mieter dieses Glück. Ab 2001 verzichtete der neue schwarz-gelbe Magistrat immer häufiger auf das Vorkaufsrecht der Stadt, mit dem Ergebnis, dass sich die Spekulation dort trotz Erhaltungssatzung wieder breit machte.

"Da gab’s einig Fälle, wo aufwändig saniert und eine ganz neue Klientel in die Häuser geholt wurde."

… so Alexander Pfeiffer, der diese Wohnungspolitik ebenso wenig versteht wie sein Protagonist Matthias Groß die im Roman fingierte Stadtteilsanierung.

"Noch wurde hier nicht gebaut. Dazu mussten zuerst noch ein paar Häuser fallen. Zum Beispiel das, in dem ich wohnte. Der ganze Block sollte komplett neu gebaut werden. Moderne Citywohnungen mit Zentralheizung und Doppelglasfenstern. Die Anbindung des maroden Westends an die mondäne Innenstadt. Ein Traum der Stadtväter, dessen Verwirklichung noch auf sich warten ließ."

Michael von Poser schenkt Tee aus im "Salon" seiner Westend- Dachwohnung. Antike, gepolsterte Sessel mit Blumenmustern auf zierlichen Holzfüßen, überfüllte Bücherregale aus dunklem Holz. Grauer Anzug - auf den ersten Blick wirkt von Poser distinguiert. Auf den zweiten verbindlich, humorvoll. Zum Lachen reizt den Hobby-Denkmalschützer, dass der Romanheld seines jüngeren Schriftsteller-Kollegen Alexander Pfeiffer den "Stadtvätern" unterstellt, eine gestalterische Vision zu haben. Dass sie keine haben, hat von Poser selbst letztendlich in die Kommunalpolitik getrieben, heute ist er Fraktionschef der unabhängigen Bürgerliste Wiesbaden.

"Die Stadtväter, das ist ja mein Problem über Jahrzehnte gewesen, gestalten, ohne tragfähige Ideen zu haben. Sie können keine richtigen Plätze machen. Sie wählen die falsche Architektur aus, sie verdichten, wo es nicht sein darf, und von denen zu erwarten, dass sie ein Bild einer mondänen Stadt haben, dass sich dann auch noch aufs Westend ausdehnt, das ist einfach aberwitzig, denn erstmal waren sie immer nur daran interessiert, alles, was mondän sein könnte, ratzeputz wegzutun – in den siebziger Jahren alle schönen alten Villen als ‚kaiserlichen Rumpelkram’ zu beseitigen – also da werden unsere Stadtväter überschätzt, – die sind daran interessiert, Geld zu verdienen und zu verkaufen, was zu verkaufen ist."

Wiesbaden – heute neben Berlin das wichtigste deutsche Stadtdenkmal des Historismus. Kommunalpolitiker sind stolz auf die wilhelminische Pracht im Kurbezirk, in herrschaftlichen Villengebieten, groß- und kleinbürgerlichen Wohnvierteln. Mit dem Historismus zum UNESCO-Weltkulturerbe zu werden, ist Ziel der Stadt. Die noch vor einigen Jahrzehnten wild entschlossen war, den verschnörkelten ‚Plunder’ abzuräumen. Funktionale Bürohäuser statt neoklassizistischer Villenfassaden waren Anfang der siebziger Jahre angesagt.

"Da haben wir Glück gehabt, dass zu dieser Zeit eine Gruppe junger, dynamischer Menschen aufgetreten ist, und hat gesagt, nee, das können wir nicht machen. Und die Pläne, die damals bestanden, ganze Viertel abzureißen und durch Neubauten zu ersetzen mit sogenannten Punkt-Hochhäusern, das heißt, die Fläche dann mit sechs-, sieben- , acht- oder zehnstöckigen Häusern zu bebauen, das ist Gott sei Dank nur auf dem Papier gemacht worden, aber nicht realiter."

… erinnert sich SPD-Mann Bischoff. Zu den jungen Wilden im Denkmalschutz gehörte damals neben einigen seiner Genossen auch der Schriftsteller Michael von Poser:

"Und da haben wir eine Initiative gegründet, haben die Bevölkerung rebellisch gemacht, und die Folge war, dass das Parlament den eigenen Beschluss aufgehoben hat, das heißt nicht Niederlegung der Gebäude, sondern Erhaltung. Und ich glaube, heute sind sich alle einig, auch die damals dagegen gestimmt haben, zum Beispiel die CDU, dass das richtig war, die Gebäude für die Zukunft Wiesbadens zu bewahren."

Mit der geänderten Beschlusslage war das Problem vorerst nicht ganz aus der Welt. Frankfurter Spekulanten hatten abrissgeweihte Villen im Vertrauen auf fette Rendite ja schon gekauft,

"… und die waren natürlich im höchsten Grade entrüstet, als das Ganze dann rückgängig gemacht wurde, und der spätere Stadtentwicklungsdezernent Jordan, der ja zu der Initiative auch gehörte, musste die Gebäude zum Teil nachts durch Polizeischutz schützen, weil da Banden kamen, die die zusammenschlugen. Die hatten sich eben schon darauf eingerichtet, dass man mit dem Abriss Geld machen konnte. Also, es war ne sehr dramatische Zeit."

Dass die Abriss-Story des jungen Autors Alexander Pfeiffer in Wiesbaden heute nicht mehr denkbar scheint, resultiert auch aus den Lektionen dieser dramatischen Zeit. Und so kann man heute vielleicht wohlig schauern, während Zuhälter Blacky in Alexander Pfeiffers Erstlingskrimi ausbreitet, was er über die - wohlgemerkt fiktive - Beteiligung der hessischen Landespolitik an dunklen Immobiliengeschäften denkt:

"Irgend so ein Sanierungsprojekt, wo ein paar runtergekommene Klitschen gegen Neubauten ausgetauscht werden sollen. Heilmann will sie bauen, aber alle Welt ist dagegen. Vollkommen bescheuert! Die Leute wollen lieber alte Häuser anstelle von neuen. Das soll jemand begreifen! Also muss Heilmann ein paar Scheinchen locker machen, damit Klug seine Kollegen im Landtag auf Kurs bringt."

"Norbert Klug" - so heißt im Roman Hessens Ministerpräsident – das klingt nach "Roland Koch". Aber Alexander Pfeiffer hat keine dokumentarische Enthüllungsstory geschrieben. Sein Wiesbadener Publikum ist schon geschockt genug, wenn der Autor die düsteren Seiten der adretten alten Kurstadt beschreibt, die sich ihm als Taxifahrer aufdrängen: Prostitution, Drogen, Gewalt. Nur ein paar Kilometer weiter in einem beschaulichen Taunus-Städtchen fällt es Krimifans dagegen erstaunlich leicht, sich mit den Schatten auf dem glanzvollen Bild der mondänen Landeshauptstadt abzufinden. Stimmen nach einer Lesung von Alexander Pfeiffer auf der Burg Eppstein:

"Die dunklen Seiten von Wiesbaden die hat’s immer schon gegeben, bestimmt schon vor 100 Jahren. Wenn man so ’n bisschen über die Spielbank mal liest, über Dostojewski und so weiter, dann ist wohl doch schon bekannt, dass auch in Wiesbaden so Mauscheleien, so geheimnisvolle Sachen passiert sind."

"Wir kommen aus Hofheim, und da habe ich gesagt, komm, dann gucken wir mal, was so in Wiesbaden in der Unterwelt passiert. Und anscheinend weiß er’s ja. Das sind ja net alles brave Beamte, die da wohnen …"

… und auf diese Erkenntnis genehmigt sich der Leser aus Hofheim erst mal ein Gläschen Rheingau-Riesling.