Zu wenig Personal
16:04 Minuten
In Deutschland fehlen Tausende Pflegefachkräfte in Krankenhäusern. Zukünftige Sanktionen und eine neue Verordnung im nächsten Jahr sollen diesen Missstand lindern. Experten sehen die Lösung eher woanders.
Das Waldkrankenhaus in Berlin-Spandau. Hier arbeitet Christine Hoth in der Pflege – und seit 25 Jahren in der Stationsleitung. Aktuell ist sie für zwei geriatrische Abteilungen zuständig.
"Wenn ich ganz alleine zehn Patienten versorgen, man muss sich vorstellen, von den Patienten sind manchmal acht zu waschen, Nahrung zu reichen, alle drei Stunden, vier Stunden zu lagern. Und dann bei noch, was wir ja in der Akut-Geriatrie haben, dass die Diagnostik ganz weit oben steht, ist es kaum zu schaffen."
Und so schnell wird sich das vermutlich auch nicht ändern. Anspruch auf zusätzliches Pflegepersonal kann das Waldkrankenhaus kaum anmelden.
Zehn Patienten für eine Pflegekraft, das entspricht jedenfalls exakt dem Verhältnis, das die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung – kurz: PpUVG seit dem 1. Januar 2019 verbindlich vorschreibt. Eine Verordnung, die eigentlich dafür sorgen sollte, dass sich die Pflege in den Krankenhäusern verbessert. Unter den Pflegenden im Waldkrankenhaus ist davon wenig zu spüren:
"Also wenn ich als Krankenschwester eine Hilfskraft habe, sagen wir mal eine einjährig examinierte, dann würde das gut hinhauen."
Doch auch auf zusätzliche Pflegehilfskräfte kann Christine Hoth nicht hoffen. Denn nach der neuen Verordnung dürfen maximal ein Fünftel aller Pflegekräfte im Tagesteam Hilfskräfte sein – und das sind auf Hoths Station weniger als in der Zeit vor der Verordnung. Für ihre Dienstplanungen ist dieses Messinstrument belastend und deshalb wünscht sie sich:
"Fachkräfte, die wir dringend brauchen, um dieses einzuhalten. Weil man muss immer bedenken, dass auch – gerade in der Krankenpflege – oftmals Mitarbeiter krank sind. Gerade jetzt auch in der Grippezeit, Durchfallzeit. Und das müssen wir alles mitabdecken. Und dann mit Leasing, was eben auch für das Haus sehr teuer wird."
Die Dienstplan-Gestaltung ist für Christine Hoth also sehr kompliziert.
Eine Lösung: Mehr Pflegekräfte einstellen. Nur: auf dem Arbeitsmarkt sind kaum welche verfügbar.
"Wir haben einmal diese Durchschnittswerte, die wir betrachten müssen, da sehen wir eigentlich ganz gut aus."
Andrea Lemke, Pflegedirektorin am Waldkrankenhaus Spandau.
"Aber trotzdem kommt es punktuell vor, dass man eine Schicht reißt, weil eben jemand spontan wirklich erkrankt und sie haben nicht immer jemanden im Backoffice, der einspringen könnte."
Und das müssen die anderen Pflegekräfte in ihrer Arbeit auffangen.
"Wenn ich ganz alleine zehn Patienten versorgen, man muss sich vorstellen, von den Patienten sind manchmal acht zu waschen, Nahrung zu reichen, alle drei Stunden, vier Stunden zu lagern. Und dann bei noch, was wir ja in der Akut-Geriatrie haben, dass die Diagnostik ganz weit oben steht, ist es kaum zu schaffen."
Und so schnell wird sich das vermutlich auch nicht ändern. Anspruch auf zusätzliches Pflegepersonal kann das Waldkrankenhaus kaum anmelden.
Zehn Patienten für eine Pflegekraft, das entspricht jedenfalls exakt dem Verhältnis, das die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung – kurz: PpUVG seit dem 1. Januar 2019 verbindlich vorschreibt. Eine Verordnung, die eigentlich dafür sorgen sollte, dass sich die Pflege in den Krankenhäusern verbessert. Unter den Pflegenden im Waldkrankenhaus ist davon wenig zu spüren:
"Also wenn ich als Krankenschwester eine Hilfskraft habe, sagen wir mal eine einjährig examinierte, dann würde das gut hinhauen."
Doch auch auf zusätzliche Pflegehilfskräfte kann Christine Hoth nicht hoffen. Denn nach der neuen Verordnung dürfen maximal ein Fünftel aller Pflegekräfte im Tagesteam Hilfskräfte sein – und das sind auf Hoths Station weniger als in der Zeit vor der Verordnung. Für ihre Dienstplanungen ist dieses Messinstrument belastend und deshalb wünscht sie sich:
"Fachkräfte, die wir dringend brauchen, um dieses einzuhalten. Weil man muss immer bedenken, dass auch – gerade in der Krankenpflege – oftmals Mitarbeiter krank sind. Gerade jetzt auch in der Grippezeit, Durchfallzeit. Und das müssen wir alles mitabdecken. Und dann mit Leasing, was eben auch für das Haus sehr teuer wird."
Die Dienstplan-Gestaltung ist für Christine Hoth also sehr kompliziert.
Eine Lösung: Mehr Pflegekräfte einstellen. Nur: auf dem Arbeitsmarkt sind kaum welche verfügbar.
"Wir haben einmal diese Durchschnittswerte, die wir betrachten müssen, da sehen wir eigentlich ganz gut aus."
Andrea Lemke, Pflegedirektorin am Waldkrankenhaus Spandau.
"Aber trotzdem kommt es punktuell vor, dass man eine Schicht reißt, weil eben jemand spontan wirklich erkrankt und sie haben nicht immer jemanden im Backoffice, der einspringen könnte."
Und das müssen die anderen Pflegekräfte in ihrer Arbeit auffangen.
Sanktionen bei zu wenig Personal
Laut PpUVG kontrollieren unabhängige Wirtschaftsprüfer, dass Kliniken die Grenzen mit ihren Schichtbesetzungen einhalten. Wenn nicht, dann greifen ab dem 31. März 2019 Sanktionen: Krankenhäuser, die die Untergrenzen unterschreiten, müssen künftig Vergütungsabschläge hinnehmen. Wie hoch die sein sollen, ist noch nicht festgelegt.
Andreas Westerfellhaus ist der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung. Mit der Verordnung solle mangelhafte Personalausstattung in Krankenhäusern entgegen gewirkt und eine sichere Patientenversorgung garantiert werden, sagt er. Außerdem:
"Jetzt haben wir diese Vereinbarung auf dieses Verhältnis eins zu zehn, wir haben gesagt, wir werden das begleiten, wir werden das evaluieren. Und wo Korrekturen nötig sind, wird man sich dieser auch nicht verschließen."
Die Pflegepersonal-Untergrenze wirkt aber nicht nur in der Geriatrie, sondern auch in der Kardiologie, der Intensivmedizin und der Unfallchirurgie – alles pflegesensitive Felder, in allen vier Bereichen gilt ein eigener Schlüssel.
Nicht quotiert sind hingegen beispielsweise die Geburtshilfe, Kindermedizin und Anästhesie. Diese Bereichen könnten künftig weniger Personal bekommen, meint Reinhard Busse, Gesundheitsökonom von der Technischen Universität Berlin:
"Insbesondere, weil die Gefahr besteht, wenn ich mir nur auf einzelne Bereiche konzentriere, dass ich ja Pflegepersonal verlege, in die Bereiche, wo es jetzt die Grenzen gibt. Dass dann die Patienten in anderen Bereichen vielleicht schlechter versorgt sind."
Andreas Westerfellhaus ist der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung. Mit der Verordnung solle mangelhafte Personalausstattung in Krankenhäusern entgegen gewirkt und eine sichere Patientenversorgung garantiert werden, sagt er. Außerdem:
"Jetzt haben wir diese Vereinbarung auf dieses Verhältnis eins zu zehn, wir haben gesagt, wir werden das begleiten, wir werden das evaluieren. Und wo Korrekturen nötig sind, wird man sich dieser auch nicht verschließen."
Die Pflegepersonal-Untergrenze wirkt aber nicht nur in der Geriatrie, sondern auch in der Kardiologie, der Intensivmedizin und der Unfallchirurgie – alles pflegesensitive Felder, in allen vier Bereichen gilt ein eigener Schlüssel.
Nicht quotiert sind hingegen beispielsweise die Geburtshilfe, Kindermedizin und Anästhesie. Diese Bereichen könnten künftig weniger Personal bekommen, meint Reinhard Busse, Gesundheitsökonom von der Technischen Universität Berlin:
"Insbesondere, weil die Gefahr besteht, wenn ich mir nur auf einzelne Bereiche konzentriere, dass ich ja Pflegepersonal verlege, in die Bereiche, wo es jetzt die Grenzen gibt. Dass dann die Patienten in anderen Bereichen vielleicht schlechter versorgt sind."
Krankenhäuser konkurrieren um Pflegekräfte
Für alle bettführenden Abteilungen sollen Untergrenzen-Verordnungen gelten. Aber erst ab 2020. Könnten Krankenhäuser bis dahin nicht Pflegekräfte aus unkontrollierten Bereichen in kontrollierte Bereiche, etwa der Geriatrie, umlegen? Pflegedirektorin Lemke bezweifelt das.
"Der Arbeitsmarkt ist so offen. Die könnten mir dann einfach auch sagen: Frau Lempke, da möchte ich nicht tätig werden, dann gehe ich woanders hin."
Stattdessen befürchtet sie, dass sich Krankenhäuser gegenseitig Pflegekräfte abwerben.
"In Ballungszentren, wo sie mit der U-Bahn einfach drei Stationen weiterfahren, geht das ja einfacher, als wenn sie auf einem Flächenland sind, wo sie sagen: Naja, der nächste Anbieter ist 30 Kilometer weg, da denke ich nochmal drüber nach, ob ich das mache."
Der Gesundheitsökonom Reinhard Busse hält davon wenig. Die Versuche von Pflegeeinrichtungen, Personal von der Konkurrenz abzuwerben, werde die Pflege unter dem Strich ja nicht verbessern. Für die Patienten wäre also nichts gewonnen:
"Wenn es den Krankenhäusern gelingen sollte, Pflegekräfte aus den Pflegeheimen zu holen, dann fehlen die natürlich dort. Also insgesamt können wir den Mangel an Pflegepersonal nur dadurch decken – überwiegend –, dass Personen ihre Arbeitszeit aufstocken oder Personen, die qualifiziert sind und derzeit gar nicht am Arbeitsmarkt tätig sind, dass die zurückkommen."
Klingt einfacher, als es ist. Schon jetzt sind tausende von Stellen in Pflegeeinrichtungen unbesetzt, und der Fachkräftemangel wird sich eher verschärfen. Und damit auch der Wettbewerb zwischen den Pflegeeinrichtungen:
"Dann trifft es eben die Häuser, die zu wenig bezahlen, schlechte Arbeitsbedingungen bieten und so weiter. Was dann eigentlich noch ein gerechtfertigtes Kriterium ist, das dort die Betten geschlossen werden."
"Hier tut es gut, darüber nachzudenken, welche innovativen Arbeitsmodelle ich als Arbeitgeber in den Krankenhäusern ansetzen kann, um meine Mitarbeiter an mich zu binden", um eine große Ressource, die Berufsaussteiger, zurück zu holen", so Westerfellhaus.
Wenn das nicht gelingt, dann wird Christine Hoth am Waldkrankenhaus Spandau weiterhin Dienstpläne nur sehr eingeschränkt erstellen können – und das heißt:
"Gerade auch die Wunschpläne, die für uns sehr wichtig sind, weil das das Einzige ist, was wir haben, um unseren Mitarbeitern etwas Gutes zu tun. Die fallen meist jetzt auch hinten runter."
"Der Arbeitsmarkt ist so offen. Die könnten mir dann einfach auch sagen: Frau Lempke, da möchte ich nicht tätig werden, dann gehe ich woanders hin."
Stattdessen befürchtet sie, dass sich Krankenhäuser gegenseitig Pflegekräfte abwerben.
"In Ballungszentren, wo sie mit der U-Bahn einfach drei Stationen weiterfahren, geht das ja einfacher, als wenn sie auf einem Flächenland sind, wo sie sagen: Naja, der nächste Anbieter ist 30 Kilometer weg, da denke ich nochmal drüber nach, ob ich das mache."
Der Gesundheitsökonom Reinhard Busse hält davon wenig. Die Versuche von Pflegeeinrichtungen, Personal von der Konkurrenz abzuwerben, werde die Pflege unter dem Strich ja nicht verbessern. Für die Patienten wäre also nichts gewonnen:
"Wenn es den Krankenhäusern gelingen sollte, Pflegekräfte aus den Pflegeheimen zu holen, dann fehlen die natürlich dort. Also insgesamt können wir den Mangel an Pflegepersonal nur dadurch decken – überwiegend –, dass Personen ihre Arbeitszeit aufstocken oder Personen, die qualifiziert sind und derzeit gar nicht am Arbeitsmarkt tätig sind, dass die zurückkommen."
Klingt einfacher, als es ist. Schon jetzt sind tausende von Stellen in Pflegeeinrichtungen unbesetzt, und der Fachkräftemangel wird sich eher verschärfen. Und damit auch der Wettbewerb zwischen den Pflegeeinrichtungen:
"Dann trifft es eben die Häuser, die zu wenig bezahlen, schlechte Arbeitsbedingungen bieten und so weiter. Was dann eigentlich noch ein gerechtfertigtes Kriterium ist, das dort die Betten geschlossen werden."
"Hier tut es gut, darüber nachzudenken, welche innovativen Arbeitsmodelle ich als Arbeitgeber in den Krankenhäusern ansetzen kann, um meine Mitarbeiter an mich zu binden", um eine große Ressource, die Berufsaussteiger, zurück zu holen", so Westerfellhaus.
Wenn das nicht gelingt, dann wird Christine Hoth am Waldkrankenhaus Spandau weiterhin Dienstpläne nur sehr eingeschränkt erstellen können – und das heißt:
"Gerade auch die Wunschpläne, die für uns sehr wichtig sind, weil das das Einzige ist, was wir haben, um unseren Mitarbeitern etwas Gutes zu tun. Die fallen meist jetzt auch hinten runter."