Das muss man doch gelesen haben!
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Nicht mehr alle Abiturienten müssen im Fach Deutsch Goethes "Faust" lesen. Was manche für den Anfang vom Ende der Kultur halten, sehen andere als notwendige Modernisierung des Bildungskanons. Wichtiger wird die Lektürekompetenz, sagt Stephan Porombka.
Ob Goethes "Faust", Fontanes "Effi Briest" oder Grass‘ "Blechtrommel" – Generationen von Abiturienten im Fach Deutsch wurden mit diesen Werken geprüft, gebildet und gequält. Sie gelten als Klassiker, also als Werke, die ein Deutschabiturient gelesen haben sollte. Aber ist diese Auswahl von Literatur überhaupt noch zeitgemäß?
Auf einer Tagung disktutieren an diesem Montag Fachleute, welche Werke für eine Abiturprüfung im Jahre 2030 angemessen sein könnten. Schon heute ist der Bildungskanon jedoch alles andere als eindeutig: In 15 von 16 Bundesländern gilt der "Faust" zwar noch als Pflichtlektüre. Die Liste der ansonsten in der Schule gelesenen Werke hingegen umfasst aber über 200 Bücher. Überschneidungen gibt es wenige.
Kompetenz statt Substanz
"Es gibt eine Verschiebung von der Lektüresubstanz, die konkret gelesen wird, hin zur Lektürekompetenz", sagt Stephan Porombka, Professor für Texttheorie und Textgestaltung an der Universität der Künste Berlin.
Anstatt große Werke durchzupflügen werde in der Oberstufe vielmehr versucht, den Schülern beizubringen, "wie man Literatur liest, sich dafür zu interessieren, in Zeitungen zu gucken und auch im Netz nach Literatur und Literaturrezensionen zu suchen". Da sei es gar nicht so wichtig, ob man Faust gelesen oder Slam Poetry gemacht habe – solange es den Lehrern gelinge, ihre Schüler zu aktivieren und zu inspirieren.
Kritische Perspektiven fördern
Gleichzeitig spricht sich Porombka dafür aus, die aktuelle Diskussion um den Inhalt des Bildungskanons Teil des Unterrichts werden zu lassen. "Den Schülerinnen und Schülern muss man auch in der Oberstufe klar machen, dass um den Kanon gestritten wird, dass es Aushandlungsprozesse sind."
Laut dem Professor sei der Inhalt des Bildungskanons schon immer Gegenstand von Debatten gewesen. Dafür müsse man Schüler sensibilisieren und kritische Perspektiven fördern. Denn sobald etwas Teil eines Kanon werde, müsse man immer auch fragen: Was wird ausgeschlossen?
(rod)