Phänomen der Stärke

Von Beatrix Novy |
Noch heute hat die 1981 gestorbene Zarah Leander ihre Fans. Sie sammeln Devotionalien und Dokumente, versuchen verborgenen Seiten in ihrem Leben auf die Spur zu kommen. Was von Zarah Leanders Leben offen zutage lag, das waren drei Ehemänner, zwei Kinder, ein Landgut in Schweden und eine Stimme, wie sie es nur selten gibt: ein Kontra-Alt.
Was für Töne. Und die Stimme! Was die Emanzipation der einzelnen Frau betrifft, war Zarah Leander ihren Zeitgenossinnen um einiges voraus.

"Ich lüge auch! Und bin Dein!"

Das ist doch wohl nicht die Frau, die dem geläufigen Nazi-Propaganda-Ideal entspricht? Trotzdem und deswegen fiel die große Filmkarriere der Zarah Leander genau in die Jahre des Dritten Reichs

"Wissen Sie, ich verdanke Deutschland meine größten Erfolge","

sagte sie in einem Interview viele Jahre nach dem Krieg, bei einer ihrer Tourneen, denn sie ging auf die Bühne, solange sie irgend konnte und selbst dann, wenn der Rahmen nicht mehr ganz so glanzvoll war. Zarah Leander war eben, es kann nicht anders sein, als Künstlerin zur Welt gekommen, am 15. März 1907 im Karlstadt, als Tochter wohlsituierter Eltern. Ein Schulklassenfoto von ihr gibt in der Tat nicht mal eine Ahnung von der Schönheit dieses Gesichts, das Regisseure später gern in Großaufnahme zeigten, immer wieder.

Dieses sehr erwachsene, herbe Gesicht war groß und, bis auf die Nase, ebenmäßig wie die ganze Zarah, dieser "Turm von Schönheit". Ihr Mienenspiel war ungehemmt: die sich verschleiernden Augen, der Aufschlag der ausgeprägten Augenlider, der zuckende Mund. Dazu das rollende R und wie sie den Kopf sehr langsam zurücksinken ließ vor Leid. Denn Frauenleid war ihr Schicksal in fast allen Filmen, mochte es gut oder tragisch für sie enden, mochten sie in der Wüste, in Australien oder sonst einem der künstlich-exotischen Ufa-Fluchtorte spielen

Zarah Leander war ein Phänomen der Stärke, das viele bis heute fasziniert. Vielleicht trägt zur Faszination die Doppelbödigkeit dieser Existenz auf dem Vulkan der Nazi- und Kriegszeit bei. Durch Detlef Siercks Filme "La Habanera", "Zu neuen Ufern" und "Heimat" war sie so berühmt geworden, dass Joseph Goebbels ihr seine Anerkennung nicht versagen konnte, obwohl er lieber eine Deutsche in der Rolle der nationalen Ikone gesehen hätte. Nur hatte Marlene Dietrich diese Rolle in aller Deutlichkeit abgelehnt, während Zarah Leander die, wie sie glaubte, neutrale Rolle des "politischen Idioten" übernahm. Als solcher pflegte sie lockeren Umgang mit den Größen des Reichs, und ihre Erinnerungen daran liest man entgeistert:

""Diese Unverfrorenheit verschlug Goebbels zunächst die Sprache, doch dann fasste er sich und sagte in bestimmtem Ton, eine derart freche Person habe ihm noch nie gegenüber gesessen, worauf ich mir die Antwort erlaubte: 'Ganz meinerseits, Herr Minister.' Worauf wir beide schallend lachten."

Während die beiden schallend lachten, lauschten Soldaten im Feld den Heimweh- und Durchhalteklängen der Leander. Zarah Leander selbst hielt nicht durch. Sie hatte ihre schwedische Staatsbürgerschaft und ihr schwedisches Landgut und verließ Berlin 1943. Dass ihre Landsleute sie gar nicht freundlich aufnahmen, hat sie nie verstanden.


Das Radiofeuilleton im Deutschlandradio Kultur hat die Biografie "Zarah Leander. Das Leben einer Diva" von Jutta Jacobi rezensiert.
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