Phänomen Karl-Theodor
Politikerverdrossenheit bietet enorme Chancen. Nicht zuletzt für Politiker, die sich vom Norm-Politiker abzusetzen wissen. Wer erkannt hat, wie dieses Pferdchen zu reiten ist, der hat im politischen Milieu alsbald die Chance, zum "Phänomen" zu werden, zur "Lichtgestalt".
Zunächst aber mal zu diesem Pferd. Platons Philosophie etwa unterscheidet zwischen Phänomen und Idee. Ein Pferd gehört zu den Phänomenen, also zur Erscheinung eines Pferdes, während die Idee des Pferdes in dem besteht, was alle Pferde so auszeichnet. Bei Platon steht zudem das Phänomen als unsicheres Zeugnis der Sinne nicht im besten Rufe. Das Phänomen rückt bei ihm schnell in die Nähe zum Scheinhaften.
Nun, wenn es ein schöner Schein ist, wirkt er oft umso besser. Und so kommen wir zum Phänomen Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jakob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg. Ja, dieser Mann, zur Zeit Bundesminister der Verteidigung, hat so viele Vornamen, dass man denken könnte, er sei mehrere, gar viele.
Der Kürzel KT kann nun für die Erscheinung Karl Theodor stehen oder für: Kanzlertauglichkeit. Wenn wir die Person KT genauer anschauen, müssen wir aber auch von seinen Gegenübern sprechen. Wer sich in nur knapp acht Monaten als Wirtschaftsminister und knapp einem Jahr Amtszeit als Verteidigungsminister derart absetzt von allen Kollegen – im politischen Ruf ebenso wie über Sympathiewerte bei der Bevölkerung –, der hat wohl Gegenüber voller durchexerziertem Mittelmaß.
Die Berliner Ministerriege um die Kanzlerin herum ist – mit Ausnahme der Arbeitsministerin – mitteleloquent, mittelelegant, mittelinteressant, mittelpräzise, mittelkompetent, mittelkreativ, mittelmutig, daher auch mittelauffallend und mittelpräsentabel. Noch leichter, mit Verlaub, kann man es einem Form- und Redegewandten wirklich nicht machen.
Und alle Beobachter tun auch viel dazu. Sie wünschen sich doch jene Besonderen herbei, die da so knackig Bella Figura machen. Karl-Theodor, er bedient dagegen gleich mehrfach jene Kollektion der Sehnsüchte aus der Regenbogenpresse. Er ist adelig, bis dato auch untadelig, schnieke, galant, kommt aus einem interessanten Elternhaus, wurde auf einem Schloss groß, hat Manieren und eine Ehefrau, die ebenfalls Bella Figura macht und darüber hinaus dem Hochadel entstammt als Nachkomme des Reichsgründers Otto von Bismarck. Besser geht`s wahrlich kaum für unsere Medienkultur.
Das Phänomen KT ist nicht unwesentlich also ein von uns selbst erarbeitetes Produkt, eine Sehnsuchtsgeburt aus unseren Köpfen und Herzen. Die Öffentlichkeit und die veröffentlichte Meinung sollten jedoch immer genau auf Leistung schauen, nicht auf Darstellung. Selten ist jemand mit derartig winzigem politischen Erfahrungsraum und ohne – bis dato – wirklich manifeste politische Groß-Erfolge so kraftvoll ins Kanzleramt gelobt worden.
Gemessen an den Stahlbädern, durch die sich etwa ein Willy Brandt durchrudern musste bis zum Amt, wirkt der Weg von Karl-Theodor bis heute wie das Rudern mit dem Finger im Aquarium.
Entspannend und spannend zugleich ist, dass dieser Karl-Theodor sehr genau weiß, dass er im Medien-Paternoster gerade auffällig lange nach oben unterwegs ist. "Ein Absturz hätte bei mir längst kommen müssen", sagt er. Diese Erkenntnisfähigkeit ist sehr beruhigend. Und noch ein – Phänomen.
Paul-Hermann Gruner, Publizist und Künstler, geboren 1959, ist Politikwissenschaftler und Historiker. Seit Beginn der achtziger Jahre tätig als bildender Künstler mit den Schwerpunkten Montage, Installation und Performance. Seit 1996 in der Redaktion des "Darmstädter Echo", daneben Veröffentlichungen in regionalen und überregionalen Zeitungen, satirische Texte, Buchpublikationen unter anderem zu Sprachpolitik und Zeitgeistkritik.
Nun, wenn es ein schöner Schein ist, wirkt er oft umso besser. Und so kommen wir zum Phänomen Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jakob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg. Ja, dieser Mann, zur Zeit Bundesminister der Verteidigung, hat so viele Vornamen, dass man denken könnte, er sei mehrere, gar viele.
Der Kürzel KT kann nun für die Erscheinung Karl Theodor stehen oder für: Kanzlertauglichkeit. Wenn wir die Person KT genauer anschauen, müssen wir aber auch von seinen Gegenübern sprechen. Wer sich in nur knapp acht Monaten als Wirtschaftsminister und knapp einem Jahr Amtszeit als Verteidigungsminister derart absetzt von allen Kollegen – im politischen Ruf ebenso wie über Sympathiewerte bei der Bevölkerung –, der hat wohl Gegenüber voller durchexerziertem Mittelmaß.
Die Berliner Ministerriege um die Kanzlerin herum ist – mit Ausnahme der Arbeitsministerin – mitteleloquent, mittelelegant, mittelinteressant, mittelpräzise, mittelkompetent, mittelkreativ, mittelmutig, daher auch mittelauffallend und mittelpräsentabel. Noch leichter, mit Verlaub, kann man es einem Form- und Redegewandten wirklich nicht machen.
Und alle Beobachter tun auch viel dazu. Sie wünschen sich doch jene Besonderen herbei, die da so knackig Bella Figura machen. Karl-Theodor, er bedient dagegen gleich mehrfach jene Kollektion der Sehnsüchte aus der Regenbogenpresse. Er ist adelig, bis dato auch untadelig, schnieke, galant, kommt aus einem interessanten Elternhaus, wurde auf einem Schloss groß, hat Manieren und eine Ehefrau, die ebenfalls Bella Figura macht und darüber hinaus dem Hochadel entstammt als Nachkomme des Reichsgründers Otto von Bismarck. Besser geht`s wahrlich kaum für unsere Medienkultur.
Das Phänomen KT ist nicht unwesentlich also ein von uns selbst erarbeitetes Produkt, eine Sehnsuchtsgeburt aus unseren Köpfen und Herzen. Die Öffentlichkeit und die veröffentlichte Meinung sollten jedoch immer genau auf Leistung schauen, nicht auf Darstellung. Selten ist jemand mit derartig winzigem politischen Erfahrungsraum und ohne – bis dato – wirklich manifeste politische Groß-Erfolge so kraftvoll ins Kanzleramt gelobt worden.
Gemessen an den Stahlbädern, durch die sich etwa ein Willy Brandt durchrudern musste bis zum Amt, wirkt der Weg von Karl-Theodor bis heute wie das Rudern mit dem Finger im Aquarium.
Entspannend und spannend zugleich ist, dass dieser Karl-Theodor sehr genau weiß, dass er im Medien-Paternoster gerade auffällig lange nach oben unterwegs ist. "Ein Absturz hätte bei mir längst kommen müssen", sagt er. Diese Erkenntnisfähigkeit ist sehr beruhigend. Und noch ein – Phänomen.
Paul-Hermann Gruner, Publizist und Künstler, geboren 1959, ist Politikwissenschaftler und Historiker. Seit Beginn der achtziger Jahre tätig als bildender Künstler mit den Schwerpunkten Montage, Installation und Performance. Seit 1996 in der Redaktion des "Darmstädter Echo", daneben Veröffentlichungen in regionalen und überregionalen Zeitungen, satirische Texte, Buchpublikationen unter anderem zu Sprachpolitik und Zeitgeistkritik.