Pharaonen-Tratsch aus 3000 Jahren
Die heute 84-jährige Romanautorin und Ägyptologin Barbara Mertz hat ein Sachbuch über das Alte Ägypten geschrieben. Das Ergebnis ist ein ebenso unterhaltsames wie kenntnisreiches Geschichtswerk im Stil einer bunten Promi-Illustrierten.
Amelia Peabody ist eine energische Frau mit einer ausgeprägten Leidenschaft für das alte Ägypten. Viel Zeit verbringt sie im oberägyptischen Luxor, um mit ihrem Mann, einem berühmten Archäologen, nach Mumien und Schätzen zu graben. Wie es der Zufall will, stolpert Miss Peabody immer wieder in mysteriöse Mordfälle, die sie zu lösen hat.
Es lässt sich erahnen: Die resolute Dame ist eine Romanfigur. Die Bücher um die Heldin tragen Titel wie "Das Königsgrab", "Der Donner des Ra" oder "Ein Rätsel für Ramses" – Krimikost mit Tendenz zum Trivialen.
Amelia Peabody ist aber auch das Alter Ego ihrer Schöpferin: der Amerikanerin Barbara Mertz, die ihre Romane unter dem Pseudonym Elizabeth Peters schreibt. Peabody und Mertz – beide haben ihr Leben der Ägyptologie verschrieben. Und beide lieben das Abenteuer: "Mumien, Tempel, Pharaoen".
So ist es kein Zufall, dass auch der Titel des Sachbuches über die mehr als 3000-jährige Geschichte des Alten Ägypten nach Krimi klingt. Denn eins macht die Schriftstellerin gleich am Anfang klar: Sie wollte kein wissenschaftliches Buch schreiben:
"Ein Ägyptologe könnte auf den folgenden Seiten durchaus das eine oder andere Mal Anstoß nehmen an einem seiner Ansicht nach vielleicht unseriösen oder allzu fantasievollen Ton der Darstellung. Mangelnden Ernst kann man mir vielleicht tatsächlich vorwerfen; das darf man aber nicht als Verunglimpfung der Ägyptologie verstehen.
Einem wissenschaftlichen Thema hilft es nur selten, wenn man sich ihm mit verbissener Ernsthaftigkeit nähert. Ich glaube vielmehr, dass die meisten Themen von ein bisschen wohlmeinendem Spott durchaus profitieren können, vor allem, wenn er aus den eigenen Reihen kommt."
Sie schreibt ein Geschichtswerk im Stil einer bunten Promi-Illustrierten. Die Autorin interessieren vor allem die Könige und Königinnen mit ihrer Macht und ihrem Pomp: Hatschepsut, Tutanchamun, Ramses II. und all die anderen Pharaoen.
Oft in Kombination mit dem Klatsch, der über sie erzählt wurde und wird. Wer war mit wem verheiratet? Wer hatte mit wem möglicherweise ein Verhältnis? Barbara Mertz hebt sich bewusst ab von der akademischen Geschichtsschreibung, in der das Individuum aus der Mode gekommen sei, wie sie beklagt:
"Ich schließe mich der konventionellen Meinung an, dass historische Ereignisse das Ergebnis der Interaktion von Menschen und Verhältnissen sind, aber ich bin fest davon überzeugt, dass sie durch eben jenen Mann oder jene Frau geprägt werden, der oder die zu einem bestimmten Zeitpunkt die Zügel des Schicksals in der Hand hielt. Deshalb habe ich offen und ungeniert über Menschen geschrieben, wo immer ich es konnte."
Kausalitäten und Zusammenhänge vernachlässigt sie. Überhaupt zweifelt sie, ob die Ägyptologie eine richtige Wissenschaft ist – ein kleiner Seitenhieb gegen die professionellen Altertumsforscher:
"Geschichte mag zwar ihrem Ansatz nach 'wissenschaftlich' sein, und die Gesellschaftswissenschaften sind 'Wissenschaften' in dem Sinne, dass sie sich ihrem Thema mit leidenschaftslosen, kritischen und rigoros logischen Analysen nähern.
Doch von den Fachbereichen, die sich mit dem Menschen und seinen ganz besonderen Angelegenheiten befassen, kann man nicht erwarten, dass sie die Methoden der Naturwissenschaft anwenden oder deren Ergebnisse vorausnehmen. Das Experiment Mensch ist nicht unter Laborbedingungen reproduzierbar."
Wer ihr Buch liest, der weiß, warum diese weit entfernte Vergangenheit die Menschen noch immer fasziniert: gewaltige Pyramiden und Tempel, geheimnisvolle Gräber und Mumien, mächtige Könige – das ist Stoff aus dem Dramen geschrieben werden.
Das alte Ägypten ist auch frei vom Ballast moderner Kulturkonflikte zwischen dem Westen und der arabisch-islamischen Welt. Wer durch das Tal der Könige in Luxor streift, kann die komplexen Fragen ignorieren, die sich im 21. Jahrhundert aus dem Aufeinandertreffen von Orient und Okzident ergeben. Das alte und das moderne Ägypten verbindet da nur die geografische Lage – ansonsten aber scheinen sie zwei Welten zu sein, die nichts miteinander zu tun haben.
Der altägyptischen Geschichte fehlen die Quellen. Sie ist voller Lücken, die viel Raum für Spekulationen lassen – wie geschaffen für eine Romanautorin. Barbara Mertz lässt ihrer Fantasie immer wieder freien Lauf und schmückt die Vergangenheit reich, manchmal gar schwülstig aus – so wie in dieser Szene aus der Frühzeit der Ägypter, als Einwanderer aus der Wüste das Niltal erreichten:
"Ein heißer Wind blies von hinten, so schauten sie mit glänzenden, sorgenvollen Augen auf das neue Land unter ihnen, eine grüne Lebensader, die sich durch die wachsende Ödnis rings umher zog. Der Anführer sah mit scharfem Blick glitzerndes Wasser und schlagende Flügel; seine Jägerohren erlauschten das Gebell eines Flusspferds in der Ferne.
Dort unten gab es Nahrung und Wasser; und doch zögerte der Stammesführer. Er kannte das alte Leben mit all seinen Gefahren. Würde er es wagen, sich den unabsehbaren Gefahren des Unbekannten zu stellen, und, ohne es vorauszuahnen, den ersten Schritt auf die Pyramiden zuzugehen?"
Das ist hübsch erzählt, aber natürlich frei erfunden. Wer ein seriöses Interesse am alten Ägypten hat, könnte sich nun mit Abscheu und Empörung von dem Buch abwenden. Damit aber würde er der Fachfrau in der Schriftstellerin Unrecht tun – denn sie macht immer deutlich, was Fakt und was Fiktion ist.
Auch ihren Hang zu Klatsch und Tratsch kann man ihr nachsehen – schließlich ist die Genealogie für Archäologen eine wichtige Hilfsdisziplin. Wer die altägyptische Vergangenheit rekonstruieren will, muss wissen, welcher König mit welcher Frau liiert war und Kinder zeugte.
Überhaupt muss man sagen: Barbara Mertz kennt ihr Sujet aus dem Effeff. Die heute 84-Jährige hat einst in Ägyptologie promoviert. Sie schreibt zwar mit leichter Feder und Spott – aber sie führt den Leser immer sehr kenntnisreich durch die Wirren von knapp 3000 Jahren.
Ihr charmanter Ton erinnert an die längst verblichene Zeit der frühen Altertumsforscher, als Ägyptologie wirklich noch ein Abenteuer war. Fans von Amelia Peabody jedenfalls dürften auch Spaß an diesem Geschichtsbuch haben.
Barbara Mertz: Mumien, Tempel, Pharaonen. Eine Geschichte des Alten Ägypten
Übersetzt von Karin Schuler
Konrad Theiss Verlag, Stuttgart
Es lässt sich erahnen: Die resolute Dame ist eine Romanfigur. Die Bücher um die Heldin tragen Titel wie "Das Königsgrab", "Der Donner des Ra" oder "Ein Rätsel für Ramses" – Krimikost mit Tendenz zum Trivialen.
Amelia Peabody ist aber auch das Alter Ego ihrer Schöpferin: der Amerikanerin Barbara Mertz, die ihre Romane unter dem Pseudonym Elizabeth Peters schreibt. Peabody und Mertz – beide haben ihr Leben der Ägyptologie verschrieben. Und beide lieben das Abenteuer: "Mumien, Tempel, Pharaoen".
So ist es kein Zufall, dass auch der Titel des Sachbuches über die mehr als 3000-jährige Geschichte des Alten Ägypten nach Krimi klingt. Denn eins macht die Schriftstellerin gleich am Anfang klar: Sie wollte kein wissenschaftliches Buch schreiben:
"Ein Ägyptologe könnte auf den folgenden Seiten durchaus das eine oder andere Mal Anstoß nehmen an einem seiner Ansicht nach vielleicht unseriösen oder allzu fantasievollen Ton der Darstellung. Mangelnden Ernst kann man mir vielleicht tatsächlich vorwerfen; das darf man aber nicht als Verunglimpfung der Ägyptologie verstehen.
Einem wissenschaftlichen Thema hilft es nur selten, wenn man sich ihm mit verbissener Ernsthaftigkeit nähert. Ich glaube vielmehr, dass die meisten Themen von ein bisschen wohlmeinendem Spott durchaus profitieren können, vor allem, wenn er aus den eigenen Reihen kommt."
Sie schreibt ein Geschichtswerk im Stil einer bunten Promi-Illustrierten. Die Autorin interessieren vor allem die Könige und Königinnen mit ihrer Macht und ihrem Pomp: Hatschepsut, Tutanchamun, Ramses II. und all die anderen Pharaoen.
Oft in Kombination mit dem Klatsch, der über sie erzählt wurde und wird. Wer war mit wem verheiratet? Wer hatte mit wem möglicherweise ein Verhältnis? Barbara Mertz hebt sich bewusst ab von der akademischen Geschichtsschreibung, in der das Individuum aus der Mode gekommen sei, wie sie beklagt:
"Ich schließe mich der konventionellen Meinung an, dass historische Ereignisse das Ergebnis der Interaktion von Menschen und Verhältnissen sind, aber ich bin fest davon überzeugt, dass sie durch eben jenen Mann oder jene Frau geprägt werden, der oder die zu einem bestimmten Zeitpunkt die Zügel des Schicksals in der Hand hielt. Deshalb habe ich offen und ungeniert über Menschen geschrieben, wo immer ich es konnte."
Kausalitäten und Zusammenhänge vernachlässigt sie. Überhaupt zweifelt sie, ob die Ägyptologie eine richtige Wissenschaft ist – ein kleiner Seitenhieb gegen die professionellen Altertumsforscher:
"Geschichte mag zwar ihrem Ansatz nach 'wissenschaftlich' sein, und die Gesellschaftswissenschaften sind 'Wissenschaften' in dem Sinne, dass sie sich ihrem Thema mit leidenschaftslosen, kritischen und rigoros logischen Analysen nähern.
Doch von den Fachbereichen, die sich mit dem Menschen und seinen ganz besonderen Angelegenheiten befassen, kann man nicht erwarten, dass sie die Methoden der Naturwissenschaft anwenden oder deren Ergebnisse vorausnehmen. Das Experiment Mensch ist nicht unter Laborbedingungen reproduzierbar."
Wer ihr Buch liest, der weiß, warum diese weit entfernte Vergangenheit die Menschen noch immer fasziniert: gewaltige Pyramiden und Tempel, geheimnisvolle Gräber und Mumien, mächtige Könige – das ist Stoff aus dem Dramen geschrieben werden.
Das alte Ägypten ist auch frei vom Ballast moderner Kulturkonflikte zwischen dem Westen und der arabisch-islamischen Welt. Wer durch das Tal der Könige in Luxor streift, kann die komplexen Fragen ignorieren, die sich im 21. Jahrhundert aus dem Aufeinandertreffen von Orient und Okzident ergeben. Das alte und das moderne Ägypten verbindet da nur die geografische Lage – ansonsten aber scheinen sie zwei Welten zu sein, die nichts miteinander zu tun haben.
Der altägyptischen Geschichte fehlen die Quellen. Sie ist voller Lücken, die viel Raum für Spekulationen lassen – wie geschaffen für eine Romanautorin. Barbara Mertz lässt ihrer Fantasie immer wieder freien Lauf und schmückt die Vergangenheit reich, manchmal gar schwülstig aus – so wie in dieser Szene aus der Frühzeit der Ägypter, als Einwanderer aus der Wüste das Niltal erreichten:
"Ein heißer Wind blies von hinten, so schauten sie mit glänzenden, sorgenvollen Augen auf das neue Land unter ihnen, eine grüne Lebensader, die sich durch die wachsende Ödnis rings umher zog. Der Anführer sah mit scharfem Blick glitzerndes Wasser und schlagende Flügel; seine Jägerohren erlauschten das Gebell eines Flusspferds in der Ferne.
Dort unten gab es Nahrung und Wasser; und doch zögerte der Stammesführer. Er kannte das alte Leben mit all seinen Gefahren. Würde er es wagen, sich den unabsehbaren Gefahren des Unbekannten zu stellen, und, ohne es vorauszuahnen, den ersten Schritt auf die Pyramiden zuzugehen?"
Das ist hübsch erzählt, aber natürlich frei erfunden. Wer ein seriöses Interesse am alten Ägypten hat, könnte sich nun mit Abscheu und Empörung von dem Buch abwenden. Damit aber würde er der Fachfrau in der Schriftstellerin Unrecht tun – denn sie macht immer deutlich, was Fakt und was Fiktion ist.
Auch ihren Hang zu Klatsch und Tratsch kann man ihr nachsehen – schließlich ist die Genealogie für Archäologen eine wichtige Hilfsdisziplin. Wer die altägyptische Vergangenheit rekonstruieren will, muss wissen, welcher König mit welcher Frau liiert war und Kinder zeugte.
Überhaupt muss man sagen: Barbara Mertz kennt ihr Sujet aus dem Effeff. Die heute 84-Jährige hat einst in Ägyptologie promoviert. Sie schreibt zwar mit leichter Feder und Spott – aber sie führt den Leser immer sehr kenntnisreich durch die Wirren von knapp 3000 Jahren.
Ihr charmanter Ton erinnert an die längst verblichene Zeit der frühen Altertumsforscher, als Ägyptologie wirklich noch ein Abenteuer war. Fans von Amelia Peabody jedenfalls dürften auch Spaß an diesem Geschichtsbuch haben.
Barbara Mertz: Mumien, Tempel, Pharaonen. Eine Geschichte des Alten Ägypten
Übersetzt von Karin Schuler
Konrad Theiss Verlag, Stuttgart