Philip Reeve: "Mortal Engines. Krieg der Städte".
Aus dem Englischen von Gesine Schröder und Nadine Püschel
Fischer Tor, Frankfurt am Main 2018
336 Seiten, 12 Euro
Mad Max trifft Jules Verne
Im Genre "Steampunk" treffen Fantasy und Science Fiction aufeinander. Mit "Mortal Engines" von Philip Reeve ist nun ein Klassiker des Genres verfilmt worden. Die seltsam rückwärts gewandten Zukunftsvisionen haben einen ganz eigenen Reiz.
Was wäre, wenn unsere Zukunft gar nicht von Computern bestimmt wäre, von Künstlicher Intelligenz, hauchdünnen Bildschirmen, glatt designten Raumschiffen oder von Totalüberwachung? Was, wenn unsere Zukunft den Glanz des Viktorianischen Zeitalters atmen würde, aber gleichzeitig auch den Staub, Dampf und Dreck dieser Epoche? Was, wenn die Zukunft dampfmaschinen- und zahnradgetrieben wäre?
Das Genre, das dieses Gedankenexperiment verfolgt, nennt sich Steampunk und ist die vielleicht verspielteste Fantasy-Unterart. Kein Wunder, dass sich Filmemacher davon schon immer gerne inspirieren ließen. Kostümfilm gepaart mit Industrieromantik: Dass das auf der Leinwand – zumindest aus ästhetischer Sicht – hervorragend funktioniert, zeigen Streifen wie "Sherlock Holmes", "Wild Wild West" oder "Der Goldene Kompass".
Die perfekte Vorlage für Peter Jackson
Jetzt haben sich Peter Jackson als Produzent und Drehbuchautor und sein Zögling Christian Rivers als Regisseur einen Klassiker des Steampunk-Genres für ihr neues Filmprojekt nach dem Hobbit vorgenommen: die vierteilige Young-Adult-Buchserie Mortal Engines des britischen Schriftstellers und Illustrators Philip Reeve.
Für Jackson und Rivers, beide Experten für Spezialeffekte, Splatter-, Fantasy-und Science-Fiction-Movies, ist es die perfekte Romanvorlage. Verkürzt könnte man sagen: In "Mortal Engines" trifft Mad Max Fury Road auf Jules Verne. Von den Forderungen an Hollywood, in Zukunft diversere Filme zu produzieren, ist hier allerdings nichts zu spüren.
Steampunk ist – das bringt das Viktorianische Zeitalter so mit sich – ziemlich eurozentristisch. Und so geht es in Teil eins auch um London: Die Erde ist seit dem 60-Minuten-Krieg größtenteils verwüstet. Um zu überleben, haben sich die Städte auf riesigen Zahnrädern in Bewegung gesetzt, aufgestapelt zu vielen Stockwerken, vom Maschinenraum bis zum Oberdeck. Die großen sogenannten Traktionsstädte fressen die kleinen beziehungsweise die schnellen fressen die langsamen, der Städtedarwinismus bestimmt die Hackordnung.
Traktionsstädte, Luftschiffe und Piraten
London konnte sich zahlreiche kleinere Städte einverleiben. Auf dem zweiten Deck arbeitet der Waise Tom Natsworthy als dritter Gehilfe der Historikergilde im London Museum und träumt von großen Heldentaten. Als eines Tages das Mädchen Hester Shaw auftaucht, beginnt das Abenteuer: Tom und sie entern Traktionsstädte und Luftschiffe, begegnen Piraten, Aeronauten und Kopfgeldjägern und geraten zwischen die Fronten des Kriegs zwischen den Städten.
Normalerweise heißt es, eine Verfilmung kann nie so gut sein, wie die Welt, die die eigene Fantasie erschafft. Philip Reeves Werke könnten da eine Ausnahme sein. Denn die Romanhandlung des ausgebildeten Illustrators ist eigentlich nicht das Faszinierende an diesen Büchern. Voller Plots und Unterplots, verschlungen wie bei einer barocken Oper, gibt es nicht diesen einen großen faszinierenden Handlungsbogen. Seine Bücher sind vielmehr eine Ansammlung zahlreicher, als Geschichten getarnter Gemälde, die den Stoffen, der Technik und dem Design einer vergangenen Zeit huldigen – und nach Schmieröl riechen.
Und deshalb verrät schon der Trailer des Films: Diese Fantasiewelt mit ihren Traktionsstädten und Maschinen, mit ihren Luftschiffen und Aeronauten, hat nur darauf gewartet, auf der Leinwand zum Leben erweckt zu werden.