Philip Roth gestorben

Abschied von einem großen amerikanischen Schriftsteller

Philip Roth, hier eine Aufnahme von 2006, starb im Alter von 85 Jahren.
Für Kolja Mensing steht Roth in einer Reihe mit Saul Bellow und John Updike. © imago/ZUMA Press
Der Literaturbetrieb trauert um Philip Roth. Lange galt der US-Schriftsteller als aussichtsreichster Kandidat für den Literatur-Nobelpreis. Unsere Gesprächspartner blicken zurück auf ein einzigartiges literarisches Werk und eine faszinierende Persönlichkeit.
Der US-Schriftsteller Philip Roth ist im Alter von 85 Jahren gestorben. Roth galt als einer der wichtigsten Schriftsteller seiner Generation und wurde viele Jahre als Kandidat für den Literaturnobelpreis gehandelt. Roth wuchs in Newark in der Nähe von New York auf. Der Sohn jüdischer Einwanderer aus ärmlichen Verhältnissen ging hier zur Grundschule und verbrachte seine Jugend. Viele seiner Romane spielen im Newark seiner Jugend. Später lebte Roth auf einer Farm in Connecticut.

Ein "wahnsinnig wichtiger" Autor

Zu den bekanntesten Werken des Pulitzer-Preisträgers gehören unter anderem die Roman-Trilogie "Der Ghostwriter", "Zuckermans Befreiung" und "Die Anatomiestunde". Insgesamt veröffentlichte Roth mehr als 25 Romane. Hinzu kamen zahlreiche Novellen, Kurzgeschichten und Essays.
Als "wahnsinnig wichtig" bezeichnete Dlf-Kultur-Literaturredakteur Kolja Mensing Roth' Durchbruchs-Roman "Portnoys Beschwerden": Er habe darin über eine jüdisch-amerikanische Familie geschrieben, kombiniert mit dem Schreiben über Sexualität - "vor allem sexuelle Beschwerden, Neurosen und so weiter. Darum ist dieser Roman auch so angegriffen worden."

Wahnsinn der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft

Roth habe dann autobiografische Romane verfasst und sich mit Nathan Zuckerman ein literarisches Alter Ego geschaffen - einen Schriftsteller, der weiterhin unter seinen Eltern und seinem Erfolg leide. In den achtziger Jahren habe er schließlich zu der Form gefunden, für die wir ihn heute schätzten, so Mensing. Zum großen amerikanischen Autor sei er mit der "Amerikanischen Trilogie" geworden: Darin habe Roth den "Wahnsinn einer weißen amerikanischen Nachkriegsgesellschaft" beschrieben, die durch den Vietnamkrieg durcheinandergewirbelt und politisiert werde, "die aber auch gewaltig auf den Hund kommt". In dieser Zeit habe sich Roth "seinen Ruf erschrieben", so Mensing.
Philip Roth im Büro seines Verlegers vor einer Bücherwand
Der US-Schriftsteller Philip Roth ist am 22. Mai 2018 gestorben © dpa/AP
2010 erschien mit "Nemesis" sein letztes Werk. 2012 kündigte er den Ausstieg aus dem Literaturbetrieb an. 2009 würdigte der "Guarduian" Roth als "den größten Schriftsteller unserer Zeit." Roth selbst sagte, nachdem er seinen Ruhestand verkündet hatte: "Ich bin 83 und habe keine Erben."
Mensings Fazit: "Ein wirklich großer amerikanischer Autor, der in einer Reihe steht mit Saul Bellow und John Updike."

"Einer der großen sexuellen Befreier"

Außerdem äußerte sich unser Literaturkritiker Joachim Scholl über Philip Roths Werk, in dem es vor allem um die jüdisch-amerikanische Lebenswelt gegangen ist. In der jüdisch-amerikanischen Gemeinschaft stieß dies mitunter auch auf heftige Kritik, so Scholl.
Immer sei es in Roths Romanen auch um Sexualität gegangen, führte er im weiteren aus. "Roth war einer der großen sexuellen Befreier des Amerikas der 60er- und 70er-Jahre", so Scholl. Zahlreiche Bibliotheken in den USA hätten sich daher geweigert, Roths Bücher ins Angebot aufzunehmen.
Hören Sie hier unser Gespräch mit Scholl:
2016 sprach Literaturkritiker Denis Scheck im Deutschlandfunk mit Philip Roth. Wir haben das Gespräch wieder online gestellt:

"Sehr schnell, sehr witzig, sehr intelligent"

Michael Krüger hat Philip Roth viele Jahre lang in Deutschland verlegt und war darüber hinaus mit ihm befreundet. "Er war ein unendlich spartanischer Mensch", sagte er in der Lesart. Außerdem erzählte Krüger davon, dass er gemeinsam mit dem rumänischen Schriftsteller Norman Manea den Wunsch hegte, nebeneinander begraben zu werden: "Weil die beiden jeden Tag telefoniert haben, um sich jüdische Witze zu erzählen." Roth "war sehr schnell, sehr witzig, sehr intelligent." Die typisch deutsche abwägende Art der politischen Diskussion war Roths Sache nicht: "Seine Urteile waren schneidend und schnell." Hier das Gespräch mit Krüger in voller Länge:
Außerdem wiederholen wir am 25. Mai 2018 um 19:30 in den "Zeitfragen" ein 2010 entstandenes Porträt über Philip Roth von Thomas David. Vorab online zu hören hier:

"Sein großes Thema ist die Moral"

Jens Jessen, Redakteur im Feuilleton der Wochenzeitung "Die Zeit", sieht eher nicht Religion oder Sex, sondern Moral als Roth' großes Thema. Er habe viel Aufwand getrieben, um zu zeigen, dass die Berufung auf Moral viele Lügen produziere, sagte Jessen in der Sendung Studio 9 - Der Tag mit... über den Autor. Am eindrucksvollsten zeige das der Roman "Ein amerikanisches Idyll", in dem eine unbedarfte Hauptfigur versucht, ihr privates Idyll zu verteidigen. Dieses sei aber in Wahrheit "schon immer verdorben" gewesen:
"Von dort aus führt auch ein relativ direkter Weg zu seiner impliziten und später auch in dem letzten Interview über Trump expliziten Kritik. Denn Trump ist ja auch so jemand, der unter Berufung auf ein vielleicht mal in der Vergangenheit vorhandenes amerikanisches Idyll allerlei rabiate und aggressive Politiken entwickelt."
Das Gespräch mit Jens Jessen hören Sie hier:

Mit viel Witz und viel Bitterkeit

Der ehemalige Kulturstaatsminister sowie Journalist und Verleger Michael Naumann traf Roth einst persönlich in dessen New Yorker Apartment. "Da begegnete mir ein sehr professioneller Autor, der genau weiß, was er in solchen Gesprächen zu sagen hat", erzählt Naumann. "Gleichzeitig machte er auf mich den Eindruck eines nicht mehr sehr glücklichen Zeitgenossen."
Für Naumann ist Roth' Thema die Emanzipation des aus Europa eingewanderten Juden zum Amerikaner - obwohl Religion ihn eigentlich kaum interessierte. Politik hingegen schon.
Hören Sie hier das vollständige Gespräch und was Roth über Donald Trump sagte:
Auch Norman Manea gehört zu den Weggefährten von Philip Roth. Erst mit über 50 lernten sich die beiden New Yorker kennen und wurden enge Freunde. Wie es dazu kam, sagte uns Manea in unserer Sendung Fazit:
Für den österreichischen Schriftsteller Michael Köhlmeier war Roth ein großes Vorbild. Wie einem gutem Freund zuzuhören sei es, wenn er ein Buch des amerikanischen Schriftstellers lese, sagte er in unserer Sendung "Fazit":
(bth/mhi/thg/inh/mle)

Programmhinweis:

Am Freitag, 25.05.2018, um 19:30 können Sie noch einmal ausführlich von Philip Roth hören: in unserem Feature "Gegenleben. Der amerikanische Autor Philip Roth" von Thomas David bei Deutschlandfunk Kultur.

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