Philipp Lepenies über Klimapolitik

„Wir sehen nur den bösen Staat, der uns irgendetwas verbieten will“

15:55 Minuten
Schilderwald: Die Verkehrsschilder für eine Baustelle in Hörgering in Bayern warten auf ihren Einsatz.
Rotes Tuch für viele Autofahrende: Die Verkehrsschilder für eine Baustelle in Bayern warten auf ihren Einsatz. © Imago / Rolf Poss
Philipp Lepenies im Gespräch mit Christian Rabhansl |
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Lässt sich die Klimakrise ohne Verzicht bekämpfen? Der Politikwissenschaftler Philipp Lepenies warnt: Es habe sich der Irrglaube durchgesetzt, der Staat dürfe keine Verbote aussprechen. Die Folge sei gefährliche politische Untätigkeit.
Mit dem Siegeszug des Neoliberalismus hat sich weltweit die Meinung durchgesetzt, dass Verbote und Verzicht keine legitimen staatlichen Instrumente sind. Das führe zu einer „Politik aus dem Geiste des Unterlassens“. Davon ist der Berliner Politikwissenschaftler Philipp Lepenies überzeugt.
Im Gespräch über sein Buch „Verbot und Verzicht“ beklagt er eine Politik, die „eigentlich gar keine Idee hat", wie man gestalten will. „Es gibt da diese Haltung von Politikern zu denken: ‚Gute Politik heißt, ich mache nichts.‘ Und es gibt Bürger, die sagen: Genauso soll es auch sein.“
Mit Blick auf den Klimawandel sei dies gefährlich, weil gar keine Sachdebatte mehr geführt werde, ob und welche Verbote und Beschränkungen nötig seien.

„Das ist Verbotspolitik, das darf nicht sein“

Lepenies ist nicht für Verbote und Verzicht um ihrer selbst willen. „Ich argumentiere nur, dass wir im Hinblick auf die Transformations-Erfordernisse des Klimawandels ohne Verbote und Verzicht nicht die Zukunft gestalten werden können."
Seit etwa zehn Jahren sei es Teil der politischen Kultur in Deutschland, dass es bei jedem Versuch, das individuelle Verhalten einzuschränken, sofort heiße: "Das ist Verbotspolitik, das darf nicht sein.“
Es gehe in einer Demokratie aber gerade um das Verhandeln. „Wir sind dabei, die elementaren demokratischen Prozesse zu verlernen, indem wir von vornherein sagen, eine Idee des Verbots sei illegitim, ohne zu diskutieren, ob die jeweilige Verbotsidee vielleicht richtig ist oder vielleicht abgeändert werden kann oder vielleicht auch aus guten Gründen falsch ist.“
Er beobachtet eine „Vorstellung der Konsumentendemokratie“ und eine „neoliberale Skepsis gegenüber der Demokratie“.

Philipp Lepenies: „Verbot und Verzicht. Politik aus dem Geiste des Unterlassens“
Edition Suhrkamp, Berlin 2022
265 Seiten, 18 Euro

Es sei ein wichtiger Topos des Neoliberalismus, Staat und Bürger als getrennte Gegner zu betrachten. „Aber der Staat ist nicht unser Gegner in der Demokratie. Der Staat sind wir, und auch das haben wir längst verlernt. Wir sehen ja nur den Bösen, der uns irgendetwas verbieten will.“
Lepenies empfiehlt, sich mit dem Staat zu identifizieren. In einer funktionierenden Demokratie dagegen gelte: „Wir sind der Staat.“

„So wird jede Sachdiskussion ad absurdum geführt“

Um den Klimawandel zu bekämpfen, müsse notfalls auch über Verbote gesprochen werden. Lepenies' Wunsch daher: dass Ideen von „gesellschaftlicher Transformation, die absolut notwendig sind, offen und sachlich diskutiert werden und wir im Staat keinen Gegner sehen.“
Natürlich habe die Liberalisierung der vergangenen Jahrzehnte in der Gesellschaft einen „unglaublich positiven Effekt“ gehabt. „Auch diese Individual-Zentrierung ist ja auf der Ebene, sich selbst entfalten zu können, etwas ganz Wunderbares“.
Aber wenn es um individuellen Konsum gehe, „dann wird das Ganze problematisch“. Da gebe es die Vorstellung von illegitimem staatlichem Handeln, „und diese Illegitimität ist das Eingreifen in individuelle Konsumentscheidung“.
Lepenies argumentiert, auf Verbotsvorschläge werde dann mit „Emotionen und Hysterie“ reagiert. So heftig reagiere zwar nur eine Minderheit, diese sei aber sehr laut: „Es sind diejenigen, die unsere Debatten bestimmen.“ So werde jede Sachdiskussion ad absurdum geführt.

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