Philipp Rösler und die "Taz"
Anfang September druckte die Berliner "Tageszeitung" statt eines Interviews mit Philipp Rösler nur die Fragen und weiße Flecken. Der FDP-Chef hatte das Interview zurückgezogen, das Blatt mokierte sich auf seine Weise. Die Reaktionen gingen dann aber in eine unerwartete Richtung.
Wenn Politiker keine Programmdebatte wollen, dann personalisieren sie, und da machen die Journalisten begeistert mit, denn Personalisierung ist viel unterhaltsamer als die trockenen Sachthemen.
Erinnern Sie sich? In der heißen Phase des Wahlkampfs diskutierten die Medien begeistert die Halskette von Frau Merkel, den Stinkefinger von Steinbrück und die Empfindsamkeit des FDP-Kandidaten Rösler. Letzterer Fall ist deshalb interessant, weil es hier um eine Zeitung geht, die für einen unkonventionellen, mitunter frechen, eher links-grün gebürsteten Journalismus steht. Wir reden von der Berliner Tageszeitung, in der Branche kurz taz genannt.
Am 9. September machte die taz mit der fetten Schlagzeile auf: "Philipp Rösler: Fragen und keine Antworten." In der Unterzeile stand, dass die taz den Rösler interviewt, dieser aber die Veröffentlichung untersagt habe. Die taz machte auf Empörung. Ein Skandal?
Hier muss nun erwähnt werden, dass es im Pressejournalismus üblich ist, dass der Interviewte den für die Veröffentlichung präparierten Interviewtext – noch vor der Drucklegung – zur Überprüfung bekommt. Man nennt dies in der Branche Autorisierung. Und das ist auch gut so. Denn ein Lesetext weicht praktisch immer ab vom gesprochenen Dialog. Die Redaktion glättet, stellt um und kürzt.
Erinnern Sie sich? In der heißen Phase des Wahlkampfs diskutierten die Medien begeistert die Halskette von Frau Merkel, den Stinkefinger von Steinbrück und die Empfindsamkeit des FDP-Kandidaten Rösler. Letzterer Fall ist deshalb interessant, weil es hier um eine Zeitung geht, die für einen unkonventionellen, mitunter frechen, eher links-grün gebürsteten Journalismus steht. Wir reden von der Berliner Tageszeitung, in der Branche kurz taz genannt.
Am 9. September machte die taz mit der fetten Schlagzeile auf: "Philipp Rösler: Fragen und keine Antworten." In der Unterzeile stand, dass die taz den Rösler interviewt, dieser aber die Veröffentlichung untersagt habe. Die taz machte auf Empörung. Ein Skandal?
Hier muss nun erwähnt werden, dass es im Pressejournalismus üblich ist, dass der Interviewte den für die Veröffentlichung präparierten Interviewtext – noch vor der Drucklegung – zur Überprüfung bekommt. Man nennt dies in der Branche Autorisierung. Und das ist auch gut so. Denn ein Lesetext weicht praktisch immer ab vom gesprochenen Dialog. Die Redaktion glättet, stellt um und kürzt.
Auch Spiegel-Interviews werden autorisert
Bereits das erste große Streitgespräch des Nachkriegsjournalismus wurde noch vor der Veröffentlichung autorisiert. Es war das Interview, das die Spiegel-Redakteure 1956 mit dem damaligen Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß führten. Damals begründete der Spiegel die Autorisierungsregel mit dem Gebot der Fairness. Und mit dem Hinweis, dass Spiegel-Gespräche dokumentarische Geltung besitzen. Der Interviewpartner solle nie sagen können, seine Aussagen seien entstellt worden.
Praktisch alle bedeutenden Presse-Interviews mit Regierungschefs, mit Wissenschaftlern und Künstlern sind seither autorisierte Fassungen. Natürlich kam es öfters vor, dass Politiker hinterher beim Gegenlesen nicht mehr gesagt haben wollten, was sie gesagt haben. Und wegstrichen oder verharmlosten. Doch daran sind die Journalisten nicht ganz unschuldig. Denn oftmals haben sie selbst den Dialog nachher aufgehübscht und superschlaue Fragen getextet, die so gar nicht gestellt worden waren. Das Autorisierungsverfahren geriet auch wegen dieser Tendenzen ein wenig in Verruf.
Zurück zum Rösler-Interview. Die taz-Journalisten hatten die Idee, Parteichef Rösler mit dem Thema Rassismus in der FDP zu traktieren. Rösler war wegen seiner vietnamesischen Herkunft ja schon wiederholt aufs Korn genommen worden. Nun sollte Rösler als Opfer parteiinterner Rassisten vorgeführt werden. Das war der Plan.
Allerdings wusste Rösler davon nichts, die meisten Fragen der Interviewer galten politischen Themen. Das dann zur Autorisierung vorgelegte Interview allerdings drehte sich überwiegend darum, dass Rösler in seiner Partei Rassismus ausgesetzt sei. Rösler fand das weder frech noch lustig – und zog alle Antworten zurück. Pech gehabt, so hätten die taz-Leute reagieren können, wir haben‘s versucht und es hat nicht geklappt.
Praktisch alle bedeutenden Presse-Interviews mit Regierungschefs, mit Wissenschaftlern und Künstlern sind seither autorisierte Fassungen. Natürlich kam es öfters vor, dass Politiker hinterher beim Gegenlesen nicht mehr gesagt haben wollten, was sie gesagt haben. Und wegstrichen oder verharmlosten. Doch daran sind die Journalisten nicht ganz unschuldig. Denn oftmals haben sie selbst den Dialog nachher aufgehübscht und superschlaue Fragen getextet, die so gar nicht gestellt worden waren. Das Autorisierungsverfahren geriet auch wegen dieser Tendenzen ein wenig in Verruf.
Zurück zum Rösler-Interview. Die taz-Journalisten hatten die Idee, Parteichef Rösler mit dem Thema Rassismus in der FDP zu traktieren. Rösler war wegen seiner vietnamesischen Herkunft ja schon wiederholt aufs Korn genommen worden. Nun sollte Rösler als Opfer parteiinterner Rassisten vorgeführt werden. Das war der Plan.
Allerdings wusste Rösler davon nichts, die meisten Fragen der Interviewer galten politischen Themen. Das dann zur Autorisierung vorgelegte Interview allerdings drehte sich überwiegend darum, dass Rösler in seiner Partei Rassismus ausgesetzt sei. Rösler fand das weder frech noch lustig – und zog alle Antworten zurück. Pech gehabt, so hätten die taz-Leute reagieren können, wir haben‘s versucht und es hat nicht geklappt.
Shitstorm nicht gegen Rösler, sondern gegen die taz
Doch statt das missglückte Interview in die Mülltonne zu treten, druckten sie nun ihre Fragen ohne Röslers Antworten und empörten sich. Rösler habe mit seiner Verweigerung gegen geltende Regeln verstoßen. Doch dieser Schluss ging nach hinten los, denn nun konnten die taz-Leser nachlesen, dass die taz-Fragen ihrerseits nicht ganz frei von rassistischem Denken waren, weil sie sich mit Röslers asiatischem Aussehen befassten. Im Internet brach nun ein Shitstorm nicht gegen Rösler, sondern gegen die taz-Macher los.
Nun, die Wahlen sind vorbei, und ich denke, viele Journalisten nehmen die Erfahrung mit, dass glaubwürdiger Journalismus gerade in Wahlzeiten neben dem Handwerk auch Fairnessregeln braucht. Und vielleicht haben sie auch erkannt, dass heiße Politik-Themen übers Personalisieren nicht zu packen sind.
Ob es rassistisch eingestellte Politiker in der FDP gibt? Kann schon sein. Doch hierzu hätte die taz hart recherchieren müssen. Und die Medien hätten dann auch ein echtes Thema gehabt – in diesem Wahlkampf, der viel zu sehr vom Personalisieren lebte.
Michael Haller ist wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Praktische Journalismus- und Kommunikationsforschung (IPJ) in Leipzig. Bis zu seiner Emeritierung hatte er den Lehrstuhl Journalistik an der Universität Leipzig inne. Zuvor war Haller lange Jahre als Ressortleiter bei der "Baseler Zeitung", der Züricher "Weltwoche", dem "Spiegel" und der "Zeit" tätig. Er ist Gründungsherausgeber der Journalistenzeitschrift "Message" und publiziert Fachbücher. Zuletzt erschienen: "Das Interview" (UVK-Verlagsgesellschaft).
Nun, die Wahlen sind vorbei, und ich denke, viele Journalisten nehmen die Erfahrung mit, dass glaubwürdiger Journalismus gerade in Wahlzeiten neben dem Handwerk auch Fairnessregeln braucht. Und vielleicht haben sie auch erkannt, dass heiße Politik-Themen übers Personalisieren nicht zu packen sind.
Ob es rassistisch eingestellte Politiker in der FDP gibt? Kann schon sein. Doch hierzu hätte die taz hart recherchieren müssen. Und die Medien hätten dann auch ein echtes Thema gehabt – in diesem Wahlkampf, der viel zu sehr vom Personalisieren lebte.
Michael Haller ist wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Praktische Journalismus- und Kommunikationsforschung (IPJ) in Leipzig. Bis zu seiner Emeritierung hatte er den Lehrstuhl Journalistik an der Universität Leipzig inne. Zuvor war Haller lange Jahre als Ressortleiter bei der "Baseler Zeitung", der Züricher "Weltwoche", dem "Spiegel" und der "Zeit" tätig. Er ist Gründungsherausgeber der Journalistenzeitschrift "Message" und publiziert Fachbücher. Zuletzt erschienen: "Das Interview" (UVK-Verlagsgesellschaft).

Michael Haller© picture alliance / dpa / Arno Burgi