Philipp Schönthaler: Portrait des Managers als junger Autor. Zum Verhältnis von Wirtschaft und Literatur. Eine Handreichung
Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2016
168 Seiten, 15 Euro
Wie Erzähler die Chefetage coachen
Erzählen als Schlüssel zum Erfolg? Für viele Unternehmen ist "Storytelling Management" das neue Zauberwort. In seinem Essay "Portrait des Managers als junger Autor" beschreibt Philipp Schönthaler überraschende Allianzen von Wirtschaft und Literatur.
Effizienz und künstlerische Freiheit, Zeitdruck und Zerstreuung – auf den ersten Blick scheint das kaum zusammenzupassen. Dennoch haben internationale Konzerne, Banken und Beratungsfirmen das Erzählen für sich entdeckt. Sie schulen Manager und Mitarbeiter in Storytelling-Seminaren oder stellen hauptberufliche Geschichtenerzähler ein.
Apple-Gründer Steve Jobs als Vorbild
Dahinter steckt keine Nostalgie, sondern ökonomisches Kalkül, so Philipp Schönthaler. Wo Datenmengen immer größer werden und Informationsflüsse sich beschleunigen, da braucht es Geschichten, um die Menschen mitzunehmen und emotional zu erreichen. In der IT-Branche erklären viele den Erfolg des 2011 verstorbenen Apple-Gründers Steve Jobs damit, dass er seinen Zuhörern das Gefühl vermittelte, durch die Mitarbeit in der Firma selbst zum Teil dieser großartigen Apple-Erfolgsgeschichte zu werden.
Philipp Schönthaler versteht es, aus der Verbindung von Wirtschaft und Literatur poetisches Kapital zu schlagen. Schon in "Nach oben ist das Leben offen" schilderte er die Verheißungen und Verrenkungen der Selbstoptimierung und sein Roman "Das Schiff, das singend zieht auf seiner Bahn" ist ein Blick hinter die Fassaden eines Kosmetik-Konzerns. Wie er jetzt in seinem Essay über das Storytelling eine kleine Geste des Daimler-Vorstandschefs Dieter Zetsche als großes Theater entlarvt, das ist fein beobachtet und brillant formuliert.
Creative Writing im Geist des Kalten Krieges
Schönthaler beleuchtet die Anfänge des betriebswirtschaftlichen Storytellings, in den 1990er-Jahren. Er weist auf die Zusammenarbeit von Pentagon und Hollywood hin, mit dem Ziel, "Erzählskripts (...) für militärische, therapeutische und soziale Zwecke anzuwenden."
Erhellend ist auch seine Beobachtung, wie stark die Creative Writing Schulen der USA vom Geist des Kalten Krieges geprägt wurden. Scheinbar apolitische Leitwerte wie die Vielfalt des individuellen Ausdrucks bildeten auch einen Gegenentwurf zur staatlich verordneten Ästhetik des Kommunismus.
Viele bedeutende Schriftsteller lernten dort ihr Handwerk, von Willim Gaddis, Silvia Plath und Thomas Pynchon bis zu Philip Roth oder David Foster Wallace. Es würde sich lohnen, einmal genauer zu untersuchen, inwiefern die international einflussreiche amerikanische Literatur – und wohlmöglich auch die Kriterien der Literaturkritik – bis heute von dieser zeitgeschichtlichen Konstellation geprägt sind.
Ambitionierte Expedition mit Manko
Philipp Schönthaler verfolgt diese Spur nicht weiter. Überhaupt bleiben die eigentlichen Strategien des Erzählens, die konkreten Motive und Maßstäbe des Storytellings in seinem Essay weitgehend außen vor. Das ist ein Manko dieser ambitionierten Expedition ins narrative Management. Denn was da nun im Einzelnen von Führungskräften, Teamleitern und Motivationstrainern erzählt wird, und wie es literarisch zu beurteilen ist, das hätte man schon gern erfahren.