Philippe Parreno: Die Ausstellung ohne Titel ist bis zum 5. August im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen.
Eine Ausstellung ohne den Menschen
In Philippe Parrenos Universum sprechen Steine, erschaffen Hefekulturen eine ganze Welt und gewinnt ein Kugelfisch das Blickduell mit dem Besucher. Seine Vision einer Ausstellung ohne den Menschen ist zurzeit im Martin-Gropius-Bau zu sehen.
Langsam erwacht das Haus. Von unsichtbarer Hand gesteuert öffnen sich die Jalousien wie ein erstes Blinzeln und schließen sich gleich wieder. Aus einem Versorgungsschacht ertönt ein Grummeln. Die spiegelblanke Wasserfläche in der großen Eingangshalle kräuselt sich. Die konzentrischen Kreise werden von kaum wahrnehmbaren Theta-Wellen bewegt, die auf Kreativität und Intuition wirken sollen. In dem Universum von Philippe Parreno sind die Besucher Zeugen des Erschaffungsprozesses. Vor den Augen des Publikums wird die Ausstellung lebendig, erweckt von Hefekulturen.
Unter Glas gluckern mit Flüssigkeit gefüllte Flaschen, Messgeräte kontrollieren die Arbeitsbedingungen der Hefehelfer, sagt Angela Rosenberg vom kuratorischen Team der Berliner Festspiele: "Die Hefekulturen steuern gewissermaßen die Ausstellung. Sie sind der Drahtzieher der Ausstellung. Es gibt fünf Parameter, die gemessen werden in diesen Hefekulturen. Das sind u. a. PH-Wert, Temperatur, die Dichte der Hefezellen, der Sauerstoffgehalt. Und mit diesen Werten werden Algorithmen erstellt, die bestimmte Aspekte der Ausstellung steuern."
Ein sprechender Stein leitet die Besucher
Eine Ausstellung ohne den Menschen schwebte Philippe Parreno für den Berliner Martin-Gropius-Bau vor. Ein Automat, der Kunst eigenständig gestaltet, wie ein sprechender Stein den Besuchern erklärt: "Der erste Automaton hält Einzug im Alltag. Die öffentliche Straßenbeleuchtung. Laternen sind das Drehbuch eines Platzes. Die Welt begegnet uns als Drehbuch."
Ein paar Räume weiter beginnt ein Klavier zu spielen. Die Tasten bewegen sich, die Töne sind deutlich vernehmbar, aber der Pianist bleibt unsichtbar. Immer wieder trennt Philippe Parreno in seiner Erlebnis-Ausstellung Ton und Bild und schärft so die Aufmerksamkeit. Inspiriert hat ihn eine Geschichte des Science-Fiction-Autors Philip K. Dick, in der Aliens auf der Erde landen, die nicht hören können. Die Sprache der Menschen müssen sie sehen:
Ein paar Räume weiter beginnt ein Klavier zu spielen. Die Tasten bewegen sich, die Töne sind deutlich vernehmbar, aber der Pianist bleibt unsichtbar. Immer wieder trennt Philippe Parreno in seiner Erlebnis-Ausstellung Ton und Bild und schärft so die Aufmerksamkeit. Inspiriert hat ihn eine Geschichte des Science-Fiction-Autors Philip K. Dick, in der Aliens auf der Erde landen, die nicht hören können. Die Sprache der Menschen müssen sie sehen:
"Ich glaube, wenn man die Dinge auseinander nimmt, kann man sie neu wahrnehmen. Man merkt, dass es sich um zwei oder drei verschiedene Eindrücke handelt und nicht nur um einen. Man sieht etwas, man hört etwas. Man braucht beides, aber nicht unbedingt synchron."
In einem Film schwimmt ein Tintenfisch auf die Zuschauer zu und fixiert sie mit Kugelaugen. Der Künstler hat das Tier lange mit der Kamera beobachtet. Es lebte in einem Aquarium in seinem Atelier. Wie zum Sprechen bewegt der Oktopus schnabelähnliche Kauwerkzeuge, eine weibliche Stimme übersetzt seinen inneren Monolog: "This is not a recording." Die Worte stammen von einer Bauchrednerin. "There is a rhymeless reason to believe."
Philippe Parreno: "Er ist überhaupt nicht scheu. Wenn man ihn lange anschaut, dann blickt er sehr intensiv zurück. Das ist eine seltsame Begegnung. Normalerweise sagt man im Spiel: Ich schaue dich an, du schaust mich an und wer zuerst seinen Blick senkt, hat verloren. Bei ihm verliert man immer."
In einem Film schwimmt ein Tintenfisch auf die Zuschauer zu und fixiert sie mit Kugelaugen. Der Künstler hat das Tier lange mit der Kamera beobachtet. Es lebte in einem Aquarium in seinem Atelier. Wie zum Sprechen bewegt der Oktopus schnabelähnliche Kauwerkzeuge, eine weibliche Stimme übersetzt seinen inneren Monolog: "This is not a recording." Die Worte stammen von einer Bauchrednerin. "There is a rhymeless reason to believe."
Philippe Parreno: "Er ist überhaupt nicht scheu. Wenn man ihn lange anschaut, dann blickt er sehr intensiv zurück. Das ist eine seltsame Begegnung. Normalerweise sagt man im Spiel: Ich schaue dich an, du schaust mich an und wer zuerst seinen Blick senkt, hat verloren. Bei ihm verliert man immer."
Alles von Künstlerhand genau geplant
Was aussieht wie eine eigene Welt, ist in Wahrheit natürlich von Künstlerhand kontrolliert. Zur Vorbereitung einer Ausstellung sammelt Philippe Parreno alle Gebäudedaten und fertigt in seinem Studio ein 3D-Modell der Räumlichkeiten. Darin simuliert er den Lebensrhythmus der Objekte. Auch die Aktivitäten der Hefe im Bioreaktor sind genau geplant. Sie lassen sich durch Zufuhr von Zucker beflügeln. Die Hefebakterien sind mit Philippe Parreno schon um die Welt gereist, zuletzt machten sie in Mexiko Station. Nach der aktuellen Ausstellung will der Künstler ihre DNA analysieren lassen:
"Es ist interessant zu sehen, wie eine Serie von kulturellen Ereignissen den genetischen Code eines unsichtbaren Wesens beeinflusst. Und zu sehen, wie diese unsichtbaren Kreaturen unsere Wahrnehmung lenken, indem sie die Ausstellung in Bewegung setzen. Dadurch merken wir, sie sind nicht neben uns, sondern in uns. Wir atmen sie ein, und sie atmen uns ein."
In Berlin kommt Philippe Parreno dem großen Traum der Menschheit erstaunlich nahe, einmal die ganze Welt zu erschaffen. Aber die ambitionierte Schau im Martin-Gropius-Bau zeigt auch: Das ist gar nicht so einfach. Denn obwohl immer wieder schwebende Momente gelingen, obwohl technisch alles reibungslos funktioniert, geht in den weitläufigen Räumen doch der innere Zusammenhalt verloren. Wenn sich die Fensterjalousien öffnen und den Blick freigeben auf Bäume, Himmel, Wolken, dann grüßt von draußen die Natur und scheint zu rufen: Das kann ich alleine besser.
"Es ist interessant zu sehen, wie eine Serie von kulturellen Ereignissen den genetischen Code eines unsichtbaren Wesens beeinflusst. Und zu sehen, wie diese unsichtbaren Kreaturen unsere Wahrnehmung lenken, indem sie die Ausstellung in Bewegung setzen. Dadurch merken wir, sie sind nicht neben uns, sondern in uns. Wir atmen sie ein, und sie atmen uns ein."
In Berlin kommt Philippe Parreno dem großen Traum der Menschheit erstaunlich nahe, einmal die ganze Welt zu erschaffen. Aber die ambitionierte Schau im Martin-Gropius-Bau zeigt auch: Das ist gar nicht so einfach. Denn obwohl immer wieder schwebende Momente gelingen, obwohl technisch alles reibungslos funktioniert, geht in den weitläufigen Räumen doch der innere Zusammenhalt verloren. Wenn sich die Fensterjalousien öffnen und den Blick freigeben auf Bäume, Himmel, Wolken, dann grüßt von draußen die Natur und scheint zu rufen: Das kann ich alleine besser.