Philippinischer Präsident Duterte

Drogenkrieg in Wildwestmanier

Rodrigo Duterte bei seiner Vereidigung
Rodrigo Duterte bei seiner Vereidigung: An ihm scheiden sich die Geister © picture alliance / dpa / Malacanang Photo Bureau
Von Thomas Kruchem |
Seit dem Amtsantritt von Präsident Rodrigo Duterte im Juni sind auf den Philippinen etliche Personen wegen Drogendelikten erschossen worden. Duterte hatte eine Liste mit angeblich in Drogengeschäfte verstrickte Personen vorgelesen - und so indirekt zu einem solchen Vorgehen aufgerufen.
Ein kleiner Saal voll tanzender Kinder; hell, freundlich; geschmückt mit Bildern idyllischer Landschaften. "Haus der Hoffnung" heißt das zweistöckige Wohnhaus für krebskranke Kinder und deren Eltern auf dem Gelände des "Southern Philippines Medical Center" in Davao City. Dies Krankenhaus ist das größte der im Süden der Philippinen gelegenen Insel Mindanao.
Die Kinder hier hätten es auch deshalb so gut, weil sich Rodrigo Duterte um sie kümmere, sagt mit Tränen in den Augen, Arlene Paredez, die Leiterin des "Hauses der Hoffnung". Immer wieder habe Duterte als Bürgermeister der Stadt das Haus besucht - mit Taschen voller Medikamente, Spielzeug, Milch – und stets einem guten Wort für die kranken Kinder.
Anders wird der neue philippinische Präsident im Haus der Kinderschutzorganisation Tambayan gesehen, das in einem Außenbezirk von Davao City seine Räume hat. Dort erzählt die Mitarbeiterin Luise Suamen von einer sogenannten außergerichtlichen Hinrichtung - eine von vielen in diesen Wochen.
"Am 30. Mai dieses Jahres wurde eine junge Frau, die wir schon als Kind betreut hatten, von Unbekannten ermordet - mit zwei Schüssen mitten ins Gesicht. Niemand kennt die Täter. Einige vermuten, dass die Frau wegen einer Liebesaffäre sterben musste. Die meisten aber glauben, dass ihr die Verwicklung in die Drogenszene zum Verhängnis wurde."
Davao City auf Mindanao - an die zwei Millionen Einwohner, die flächenmäßig größte Stadt der Philippinen, bis Ende der 80er-Jahre ein Sumpf aus Terror, Bandenkrieg und Drogenkriminalität, heute eine Stadt harter Ordnung. Mit fruchtbaren Böden und einem Klima, das mehrere Ernten pro Jahr möglich macht: Reichlich Sonne und Regen, keine zerstörerischen Taifune, wie sie die Philippinen andernorts heimsuchen. Zu Davao zählen auch Bauern- und Fischersiedlungen. Die Industrie im Stadtgebiet verarbeitet vorwiegend Produkte der Bananen-, Ananas- und Kokosplantagen - oder Durian, die in Südostasien beliebte Stinkfrucht.
Aber Armee-Hubschrauber im Tiefflug erinnern immer wieder daran, dass in den zerklüfteten Bergen der Stadt bis heute die sogenannte New People's Army kämpft, der bewaffnete Arm der Kommunistischen Partei der Philippinen.

Von vielen Bewohnern verehrt, fast geliebt

27 Jahre lang war Rodrigo Duterte Bürgermeister dieser Stadt - verehrt, ja von vielen ihrer Bewohner fast geliebt. Bei den Präsidentschaftswahlen am 9. Mai 2016 bekam er in Davao City 96 Prozent der Stimmen. Zugleich jedoch ist der inzwischen 71-jährige Duterte, den sie liebevoll "Rody" oder "Digong" nennen, höchst umstritten: Viele Filipinos machen ihn verantwortlich für zahllose Attentate auf angebliche Kriminelle, für außergerichtliche Hinrichtungen.
Wer ist Rodrigo Duterte? – Spurensuche bei Menschen, die mit ihm zu tun hatten in Davao – bei Bruder Carlito Gaspar zum Beispiel. Gaspar, ein hoch gewachsener älterer Herr mit fein geschnittenen Gesichtszügen, ist Mitglied der Kongregation des Heiligen Erlösers und Professor für Anthropologie an der jesuitischen Ateneo-Universität von Davao.
Anfang der 1960er-Jahre saß er in der Schule neben Duterte, dessen Vater Gouverneur der Region war. Sein damals 16-jähriger Klassenkamerad sei eher bescheiden aufgetreten, erinnert sich Gaspar, nicht raubeinig und arrogant wie andere Söhne prominenter Eltern. Als die beiden sich als Erwachsene wiedertrafen, war Gaspar politischer Gefangener des Marcos-Regimes und Duterte Staatsanwalt des Regimes.
"Es muss eine komische Situation gewesen sein für ihn. Man entwickelt ja, wenn man zusammen zur Schule gegangen ist, eine gewisse Kameradschaft. Andererseits musste er damals seinen Job erledigen. Und das tat er, soweit ich es beurteilen kann, so gut er konnte. Ich weiß, wie es anderen politischen Gefangenen jener Zeit erging. Da tat der Staatsanwalt alles, um Beweismaterial, Zeugen und sämtliche Personen im Gerichtssaal gegen den Angeklagten zu mobilisieren. Sie wollte um jeden Preis eine Verurteilung erreichen. Ganz anders handelte in meinem Fall Rodrigo Duterte: Er saß eigentlich nur da, verfolgte das Verfahren und verlas nüchtern gehaltene Schriftsätze, wenn ihn der Richter darum bat."
Carlito Gaspar, angeklagt wegen verbotenen Waffenbesitzes, wurde freigesprochen. Seinen einstigen Klassenkameraden hat der Anthropologie-Professor als widersprüchlich oder, man könne auch sagen "pragmatisch", in Erinnerung.
"Duterte ist clever. Das wusste ich schon in der Schule - auch wenn er dort oft still in der letzten Bank saß. Dieser Eindruck bestätigte sich, als ich ihn später als Bürgermeister erlebte. Rodrigo Duterte ist ein Mann, der Dinge sorgfältig durchdenkt - so wie er es während seines Jurastudiums bei den Benediktinern gelernt hat. Und täuschen Sie sich nicht: Seine oft vulgär daherkommenden Sprüche sind stets kühl kalkuliert. Als er, zum Beispiel, merkte, dass der Einfluss der katholischen Bischöfe auf die Menschen abnahm, begann er, sie öffentlich anzugreifen und sagte ganz offen: Ihr seid Heuchler."
Als Rodrigo Duterte 1989 Bürgermeister wurde, galt Davao als unsicherste Stadt der Philippinen: Kommunistische Guerilleros lieferten sich Gefechte mit Sicherheitskräften; Heute wirkt die Stadt verschlafen, sauber: Kein Auto fährt über 30, keine Zigarettenkippe liegt auf dem Gehweg, geschweige denn ganze Müllhaufen wie in anderen Städten der Philippinen.
Auch die soziale Situation gilt als vorbildlich: Weit mehr Kinder als anderswo schließen in Davao die Schule ab - unterstützt durch städtische Stipendien; Seniorenausweise berechtigen zu Nachlässen in Geschäften, bei Medikamenten und anderen Dienstleistungen. Und: Jeder Antrag auf eine städtische Leistung muss, auf Anordnung des Bürgermeisters, innerhalb von 72 Stunden beschieden werden.
Jeder Antrag - auch in jenem kleinen Pavillon vor dem "Southern Philippines Medical Center" mit seinen 1.200 Betten, 1000 ambulanten Behandlungen pro Tag und 3500 Beschäftigten. In dem kleinen Büro sitzt "Mum" Nanette Makapundag.
"Diese Anlaufstelle für besonders arme Patienten richtete Bürgermeister Rodrigo Duterte 2001 ein. Wir helfen den Menschen, radiologische Untersuchungen und Labortests zu bezahlen; wir geben Ihnen Medikamente oder Gutscheine für die Krankenhausapotheke. Jeden Montag kümmern wir uns um rund 700 Patienten, an anderen Wochentagen um 200 bis 300. Unser Jahresbudget von derzeit 175 Millionen Pesos, 3,5 Millionen Euro, finanziert allein die Stadt Davao. In keiner anderen Stadt der Philippinen gibt es eine Einrichtung wie diese."
Auch Romeo Cabarde, in feines Tuch gekleideter Jura-Dozent an der Jesuiten-Universität und Vertreter der Menschenrechtsorganisation "Amnesty International" in Davao lobt die Stadtverwaltung.
"Schon bevor der Kongress der Philippinen sein Gesetz über reproduktive Gesundheit verabschiedete, erließ die Verwaltung von Davao City eine einschlägige Verordnung: Danach haben alle Bewohner der Stadt kostenlos Zugang zu modernen Mitteln der Familienplanung und zu umfassender Information darüber. Sie brauchen sich nur an das Gesundheitsamt der Stadt oder die Gesundheitszentren der Barangays, der Stadtviertel, zu wenden."
Bürgermeister Duterte habe stets auch gegen die Diskriminierung von Minderheiten gekämpft, berichtet Cabarde. Seit 2012 gilt eine Verwaltungsverordnung in Davao, die jede Diskriminierung zum Verbrechen erklärt - jede Diskriminierung wegen sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität, wegen einer Behinderung oder wegen der Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder Religion. Ein nationales Gesetz, das Ähnliches vorsieht, schmort seit 20 Jahren im Kongress.

Über zwei Millionen Menschen sind süchtig

Es gibt allerdings auch Menschen in Davao City, die - ignoriert von Duterte und der Stadtverwaltung seit Jahren im Elend leben - die Müllsammler von New Carmen, zum Beispiel.
Es ist, bis auf das Fauchen eines Lastwagens, nahezu still auf der Müllkippe. 40, 50 Männer stehen knietief im Morast und stochern im Abfall. Etwas abseits sortieren Frauen Plastikflaschen und Alu-Dosen. In der kleinen Siedlung wenige hundert Meter entfernt, atmet Jocelyn Kaluntan, eine Mutter von sechs Kindern mit sehr jugendlichem Gesicht, erst einmal durch.
"Die Arbeit auf der Müllkippe ist hart. Die Sonne brennt dir auf den Kopf. Es stinkt; Schwärme von Fliegen plagen dich. Ständig fühlst du dich bedroht durch schwere Lastwagen, die Müll abladen neben dir. Der Untergrund ist glitschig; manchmal verliert ein Fahrer die Kontrolle und fährt in die Menschen hinein. Letztes Jahr arbeiteten, an einem regnerischen Tag, 15 von uns auf der Kippe, als ein Lastwagen in sie hineinrutschte. Fünf Männer starben; sechs wurden schwer verletzt."
Das Leben in New Carmen könne ungesunder kaum sein, sagt Fritz Adam Rondero, Mitarbeiter der "Mindanao Land Foundation", einer lokalen Hilfsorganisation.
"Viele Menschen hier sind krank. Sie leiden unter Husten, Brechreiz, Durchfall und Dengue-Fieber. Außerdem essen immer wieder ganze Familien Nahrungsmittel, die sie im Müll finden. Erst letzte Woche aßen zehn Familien verdorbenen Poto, Reiskuchen. Und fast alle, die davon aßen, bekamen Brechanfälle und Durchfall."
Damit die Menschen von New Carmen nicht auch noch das bakterienverseuchte Wasser der Quellen hier trinken müssen, hat die "Mindanao Land Foundation" einen regelmäßigen Tankertransport organisiert, der sauberes Wasser von einem 20 Kilometer entfernten Tiefbrunnen bringt, unterstützt aus Deutschland vom katholischen Hilfswerk Misereor.
Vor der Hütte von Jocelyn Kaluntan haben sich einige Frauen um einen Bildschirm geschart; das Mikrofon geht reihum. Karaoke mit Film, das die Seele in Träumen von inniger Liebe und palmenbestandenen Stränden versinken lässt. Manchen allerdings reicht das nicht, sagt Leta Lebreto, eine Freundin Jocelyns.
"Etliche junge Leute hier haben mit Drogen zu tun - vor allem mit Shabu. Manche dieser Jugendlichen liegen den ganzen Tag auf dem Bett. Nur manchmal laufen sie hektisch herum, weil sie Nachschub brauchen. Und dann stehlen sie auch – Handys, Geld, manchmal sogar Kleider. Diese Süchtigen sind eine zusätzliche Last für uns, die wir so mühsam um unser Überleben kämpfen."
Kokain, Marihuana und vor allem das Amphetamin Shabu sind die Drogen der Wahl auf den Philippinen, wo über zwei Millionen Menschen süchtig sind. Die Stadt Davao versuche, Drogensüchtigen zu helfen, erklärt im Büro der Kinderschutzorganisation Tambayan deren Chef Emmanuel Roldan; ein drahtiger, energisch gestikulierender Rechtsanwalt. Wer sich freiwillig in ein Rehabilitationszentrum einweisen lassen, habe keine Strafverfolgung zu befürchten.

1324 außergerichtliche Hinrichtungen

Sehr schlecht allerdings ergehe es denen in Davao City, die nicht ablassen von Drogen und Verbrechen. Schon in den 90er-Jahren seien Hunderte Kriminelle oder Verdächtige von Motorrädern aus erschossen worden - ermutigt durch, wie Roldan meint, eindeutige Äußerungen von Bürgermeister Rodrigo Duterte. Duterte habe zwar nicht ausdrücklich zu Attentaten aufgerufen, aber deutlich durchblicken lassen, dass er sie billige. Um die Jahrtausendwende sei der Umgang mit Drogenkriminellen und Verdächtigen systematisiert worden in Davao.
"Nach den Kommunalwahlen 2001 bat der Bürgermeister die Barangay Captains, die Bezirksbürgermeister, ihm Listen zu liefern von Leuten, die mit Drogen zu tun haben. Diese Listen verlas Duterte dann in seiner wöchentlichen Fernseh- und Radiokolumne. Und er sagte, zum Beispiel: Matina, du stehst auf dieser Liste. Ich warne dich: Hör auf mit deinen Verbrechen. Andernfalls wird sich das Gesetz um dich kümmern. Wenige Wochen später kam es, helllichten Tages, zu etlichen außergerichtlichen Hinrichtungen - oft in unmittelbarer Nähe einer Polizeistation oder einer Barangay-Halle; an Orten also, die normalerweise als sicher gelten. Die Polizisten, die irgendwann am Tatort eintrafen, sagten dann häufig: Dieser Mann steht auf unserer Liste der Drogenhändler, Drogenkonsumenten und Kidnapper. Er war ein Krimineller."
Wenig später stiegen die Verbrecherjäger von Davao City, um auf das bis heute praktizierte, sogenannte "Tok Han"-Verfahren, berichtet Emmanuel Roldan: Mitarbeiter der Barangay-Verwaltung oder Polizisten klopfen an die Tür Verdächtiger: "Du stehst auf der Liste der Drogendealer und -konsumenten. Hör besser auf mit deinen Verbrechen." Zwei-, dreimal werde sie gewarnt, sagt Roldan; dann sei das Leben der Betroffenen keinen Pfifferling mehr wert.
1324 Bürger Davao Citys starben zwischen 1998 und 2015 durch außergerichtliche Hinrichtungen. Wer hat all diese Menschen getötet? - Es gibt viele Vermutungen: Polizisten in Zivil; Bürgerwehren; Drogenkonsumenten, um die eigene Haut zu retten. Bis heute wurde nicht ein Täter verurteilt, berichtet "Amnesty"-Vertreter Romeo Cabarde.

"Duterte weiß als Jurist sehr gut, was er sagt"

"Die Polizei ermittelt durchaus in Fällen außergerichtlicher Hinrichtungen. Das Problem ist: In den meisten Fällen gibt es nur sehr wenige oder überhaupt keine Zeugen. Und vor Gericht Anklage zu erheben ohne Zeugen, ist sehr schwierig."
Während die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" starke Hinweise sieht, dass Polizisten beteiligt sind, vermeidet "Amnesty"-Vertreter Cabarde Schuldzuweisungen. Was Duterte angeht, sei er besorgt über dessen "unbedachte Äußerungen". Aber:
"Wir müssen unterscheiden zwischen dem, was er sagt, und dem, was seine Anhänger tun. Ich glaube, Duterte weiß, als erfahrener Jurist, sehr gut, dass alles, was er sagt, gesetzeskonform sein muss. Und wenn er den Bürgern sagt: 'Ihr dürft Kriminelle, Drogenhändler und -konsumenten verfolgen' - dann sagt er nicht: 'Ihr dürft sie einfach umbringen.' Das hat Rodrigo Duterte meines Wissens nie getan. Und wir haben auch keine Beweise dafür, dass er in Kontakt steht mit Leuten, die verantwortlich sind für außergerichtliche Hinrichtungen."
Der Ruf des neuen Präsidenten der Philippinen indes - und seine kaum verhüllten Drohungen auch in jüngster Zeit - zeigen Wirkung, nun auch auf nationaler Ebene: Von seinem Amtsantritt am 30. Juni 2016 bis zum 31. Juli wurden auf den Philippinen 700 Kleinkriminelle oder Verdächtige getötet - 430 davon in Auseinandersetzungen mit der Polizei, der Rest durch nicht identifizierte Attentäter. Über 100.000 Drogentäter sollen sich ergeben haben.
Auf dem Rizal-Platz von Davao spielt ein Lautsprecherwagen jenes überall zu hörende Lied: Rodrigo Duterte verspricht den Menschen der Philippinen, sie in eine bessere Zukunft zu führen - frei von Verbrechen, Unterdrückung und Armut.

Ist Duterte der Trump der Philippinen?

Der mal herzlich, mal raubeinig vulgär auftretende Duterte wirke authentisch und volksnah in einem Land, wo das Machotum tief verankert sei, sagt sein einstiger Klassenkamerad Carlito Gaspar. Die Menschen hätten die Nase voll von all den korrupten Richtern, die Strafverfahren regelmäßig einstellten; die Nase voll davon, dass das Wirtschaftswachstum von zuletzt über sechs Prozent nur den reichen Eliten zugutekomme - und nicht der armen Mehrheit. Ist Rodrigo Duterte ein Populist, so wie der Amerikaner Donald Trump?
"Ich halte den Vergleich für nicht fair, verstehe aber, dass manche Leute in Duterte den Trump der Philippinen sehen. Beide benutzen eine recht vulgäre Sprache. Wichtiger jedoch sind die Unterschiede: Duterte war nie Unternehmer; und auch seine Eltern waren nicht sehr reich."
"Politisch würde er mit Immigranten nie so umgehen wie Trump; und er ist überhaupt gegen jede Diskriminierung - wie man an seinem Umgang mit Homosexuellen und indigenen Volksgruppen sieht. Auch Angehörige der Mittelschicht und Intellektuelle, auf dem Land wie in der Stadt, sind für Duterte."
Der neue Präsident der Philippinen zeigt Flagge nicht nur gegenüber Kleinkriminellen. Er hat mehrere Polizei- und Armeegeneräle, die in Drogengeschäfte verwickelt sein sollen, zum Rücktritt aufgefordert; er hat der Korruption in Finanz- und Zollbehörden den Kampf angekündigt. Und er bemüht sich um Frieden mit den Kommunisten, die seit 1969 einen zähen Kampf gegen die Regierung führen; mit muslimischen Rebellen auf Mindanao und anderen Inseln des Südens.

"Geben wir ihm eine Chance"

In seinem Kabinett sitzen viele radikale Reformer: Rafael Mariano, einst Führer des Bauernflügels der Kommunistischen Partei. Er will die völlig versandete Landreform wieder in Gang bringen; Gina Lopez, die neue Ministerin für Umwelt und nationale Ressourcen. Sie hat erste Maßnahmen gegen ökologisch und sozial schädlichen Bergbau ergriffen.
Die Erwartungen an Duterte seien riesig, sagt Carlito Gaspar. Er könne sie eigentlich nur enttäuschen. Und darauf warteten seine Gegner: traditionelle Eliten, Drogenbarone, Bergbauunternehmer, korrupte Offiziere in Polizei und Militär. Er habe Angst um seinen Klassenkameraden, sagt Gaspar schließlich: Angst, dass ihm etwas geschehe - oder dass er selbst Grenzen überschreite.
"Geben wir ihm eine Chance und schauen, was in den nächsten sechs Jahren geschieht. Wir christlichen Intellektuellen und Menschenrechtler allerdings werden wachsam bleiben. Wir werden genau beobachten, was Duterte tut. Und überschreitet er tatsächlich die rote Linie; gibt es also Anzeichen dafür, dass er Menschenrechte missachtet, dann liegt es in unserer Verantwortung, unsere Stimme zu erheben."