Philosoph Carlo Strenger über Opfergruppen

Die Macht der Beleidigten

US-Präsident Donald Trump bei einer Pressekonferenz
US-Präsident Donald Trump © imago/Eastnews
Moderation: Dieter Kassel |
Beleidigtsein ist zu einem wichtigen Mittel der Macht geworden, sagt Carlo Strenger: Populisten würden sich als Vertreter des "einfachen Volks" präsentieren, das von den Eliten ausgenutzt werde. Erfunden sei der Opferstatus jedoch nicht immer.
Die untere Mittelklasse sehe sich existentiell ständig gefährdet, sagt der Philosoph und Psychologe Carlo Strenger in Deutschlandfunk Kultur. Der Grund dafür liege in der Globalisierung. Die untere Mittelklasse "weiß nie, welche Entwicklung jetzt noch kommen kann, die von heute auf morgen ihren Job einfach zum Verschwinden bringt."
Als Beispiel nennt Strenger die Arbeiter von General Motors, die sich früher als "Pfeiler der amerikanischen Wirtschaft" gefühlt hätten - und sich heute im Dienstleistungssektor wiederfänden, wo es keinen Standesstolz gebe:
"Das heißt, einerseits wird von den populistischen Politikern diese ganze Malaise enorm ausgenutzt. Aber nicht all diese Beleidigungen sind rein erfunden oder existieren nur in der Phantasie."

Die Mitschuld der Eliten

Beleidigtsein sei zu einem "enorm wichtigen Machtmittel" geworden. Der Erfolg der populistischen Politiker in den letzten 15 Jahren zeige, wie stark diese Form der Rhetorik geworden sei. Wenn eine gewisse Gruppe ein Opfer sei oder sich als solches darstelle, habe man gar kein Recht diese zu kritisieren.
Eine Mitschuld an dieser Entwicklung liege nach Strenger bei den Eliten. Sie hätten lange Zeit nicht zugehört: "Wir wussten immer, ja, es gibt so Randphänomene, mit denen wir nicht genau wissen, was wir anfangen sollen, aber die sind nicht wichtig." Geändert habe das der internationale Terrorismus und der politische Populismus: "Wenn ihr uns nicht zuhört, dann werdet ihr uns jetzt im Parlament finden, und dann werdet ihr keine Wahl mehr haben: Ihr werdet uns hören.

Populisten manipulieren die Beleidigung

"Faszinierend" findet es Strenger, dass die meisten Populisten dem "bodenständigen Volk" gar nicht angehörten - also etwa Politiker wie Nigel Farage, Boris Johnson oder "der Elefant dieser Phänomene", Donald Trump:
"Es sind Menschen, die hochintelligent sind, die ausgezeichnet ausgebildet sind und dann einfach auf ganz bewusste Art und Weise die Beleidung dieser Schichten systematisch manipulieren, um politisch Macht zu gewinnen."
(bth)
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