Philosophie als Hilfe zur Lebensführung
Philosophen und Kulturwissenschaftler legen Wert auf die Feststellung, dass "Weisheit" wenig mit Wissenschaft; viel dagegen mit Lebenserfahrung, Lebensklugheit, Lebensführung zu tun hat. Die Weisheit rechnet zu den Tugenden, die man braucht, um ein kluges und richtiges Leben führen zu können.
Einiges von dieser Weisheit ist ins kollektive Gedächtnis der Menschheit eingegangen - in der Regel verpackt in zumeist berühmt gewordene Texte. Zwölf von ihnen erscheinen in diesen Tagen neu ediert und zusammengestellt zu einer "Kleinen Bibliothek der Weltweisheit". Jochen R. Klicker hat sich in ihr umgeschaut.
"Du also, willst du
schauen mit klarem Lichte, was wirklich,
willst auf dem rechten
Pfad deines Wegs gehen,
freue dich nicht mehr,
nichts mehr auch fürchte,
Hoffnung lass hinten,
Schmerz lass nicht bei dir!
Trüb ist der Sinn und
liegt noch in Fesseln,
wo all dies Macht hat."
So unaufgeregt schreibt der spätantike Philosoph Boethius davon, dass Gefühle nichts taugen bei dem Bemühen, Todesangst zu besiegen und furchtlos zu sterben. Der Freund und Kanzler von Gotenkönig Theoderich weiß, wovon er spricht: Denn als er im Jahre 524 in der Haft seinen Trost der Philosophie verfasst, erwarten ihn als Folge politischer Intrige falsche Zeugen, grausame Folter, ein Unrechts- und Schauprozess, am Ende die Hinrichtung mit dem Würgeeisen.
Es heißt, er solle den Herrscher von Rom verraten haben. Doch nichts hätte dem christlichen Edelmann und gelehrten Weisen ferner gelegen. Aber er schickt sich in das Unvermeidliche, nachdem er einzig wirksamen Trost im Philosophieren gefunden hat. Genauer: In einem therapeutischen Gespräch zwischen ihm als dem klagenden Schuldlosen sowie enttäuschten Gerechten und der Dame Philosophia, die - in kunstvoller Poesie - nichts anderes von ihm fordert als gelassene Konsequenz.
"Er selbst trägt dann seine Anschauung vor, nach der das Böse als unreal anzusehen ist. Gott, als mit dem höchsten Gut gleichgesetzt, ist allmächtig, aber das Böse kann er nicht wirken. Also existiert das Böse gar nicht. Denn Gott, der alles kann, kann nichts reales Böses tun. Es muss also vorgegaukelt sein. Das Böse ist in Wirklichkeit nichts anderes als die Ohnmacht der Ohnmächtigen."
Das besondere an dem Trost der Philosophie des Boethius ist: Das Werk trennt nicht Dichtung und Wahrheit; es ist kein "Sachbuch", sondern ein Lebensbuch, das auch vom Sterben handelt. Es sagt, dass weder im Leben noch im Sterben den Gefühlen wie Freude und Furcht, Hoffnung und Schmerz Wirkungsmacht einzuräumen sei. Denn die stehe allein der Vernunft zu. Dazu der Herausgeber des Boethius-Bändchens, der Bochumer Philosoph Kurt Flasch:
"Boethius wollte zeigen, dass es die Vernunft allein vermag, der Todesangst Halt zu gebieten. Sie gestattet den Zweifel und löst die Einwände auf. Genau das hatte Sokrates in seiner Todesstunde getan."
Während Boethius auf das Steuer der Vernunft setzt, um durch das Chaos der Menschenwelt per kluger Lebensführung hindurch zu finden, nimmt Arthur Schopenhauer dafür seine Richtschnur des Mitleids - jedenfalls in seinen vier kleinen Traktaten Über das Mitleid. Sein Herausgeber Franco Volpi von der Universität von Padua meint:
"Mitleid ist "eine unleugbare Tatsache des menschlichen Bewusstseins". ... Im Mitleid, woraus es auch immer entspringen mag, öffne ich mich für die Möglichkeit, mich an die Stelle des anderen zu fühlen, und zwar nicht in einem objektivierenden, Abstand nehmenden und neutralen Gedankenexperiment, sondern in der schmerzhaften Teilhabe am faktischen Leiden eines jeweiligen konkreten Lebewesens. Das Mitleid hebt die Mauer zwischen Du und Ich auf."
Und zwar genau jene Mauer, die zuvor der Wille errichtet und so Leiden als Konsequenz aus dem Egoismus und der Grausamkeit der menschlichen Handlungen erst hat entstehen lassen. Das Leben ist nicht schön, solange der Wille des Menschen darauf gerichtet ist, alles zu genießen, alles zu haben, alles zu beherrschen. Allein das Mitleid vermag, gegen den willentlichen Eigennutz moralisch zu intervenieren - mit dem Bemühen um Gerechtigkeit und Menschenliebe. Bedachtsame Weisheit sagt, worum es "guter" Lebensführung geht:
"Sei tolerant und solidarisch!"
"Weisheit macht frei von Zweifeln. Sittlichkeit macht frei von Leid. Entschlossenheit macht frei von Furcht."
Das ist die Summe der Gespräche des Konfuzius, die auch im abendländischen Westen ...
"... als Handbuch zur Selbstkultivierung gelesen werden, ..."
... wie es der Herausgeber, der Münchner Sinologe Hans van Ess sagt. In knapp 300 Sentenzen ist zusammengetragen, was die öffentlichen und privaten Tugenden ausmacht, die zum Alltag einer um Lebensweisheit bemühten Bildungselite gehören. Vieles davon klingt "modern", als komme es direkt aus den think tanks der einschlägigen Ethikkommissionen.
Insgesamt sind die Werke von zeitloser Gültigkeit und größter "globaler" Bedeutung, die jetzt gemeinsam von den Verlagen dtv und C.H. Beck neu herausgebracht werden. Und jeder dieser Bände ist zusätzlich noch eine Augenweide dank der achtsamen Ausstattung, die der britische Grafik-Designer David Pearson den Büchern mitgegeben hat.
Ein ganz großer Wurf in zwölf kleinen Formaten - faszinierend erzählt, verständlich für jedermann und mit sechs Euro pro Band auch noch "wohlfeil" im besten Sinne des Wortes.
Boethius: Trost der Philosophie
Kleine Bibliothek der Weltweisheit 9.
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Kurt Flasch.
159 Seiten, 6 €.
Arthur Schopenhauer: Über das Mitleid
Kleine Bibliothek der Weltweisheit 10.
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Franco Volpi.
160 Seiten, 6 €.
Konfuzius: Gespräche Lun-yü
Kleine Bibliothek der Weltweisheit 6.
Aus dem Chinesischen von R. Wilhelm. Mit einem Nachwort von Hans van Ess.
238 Seiten, 6 €.
Alle erschienen im Verlag dtv C.H.Beck München, November 2005.
"Du also, willst du
schauen mit klarem Lichte, was wirklich,
willst auf dem rechten
Pfad deines Wegs gehen,
freue dich nicht mehr,
nichts mehr auch fürchte,
Hoffnung lass hinten,
Schmerz lass nicht bei dir!
Trüb ist der Sinn und
liegt noch in Fesseln,
wo all dies Macht hat."
So unaufgeregt schreibt der spätantike Philosoph Boethius davon, dass Gefühle nichts taugen bei dem Bemühen, Todesangst zu besiegen und furchtlos zu sterben. Der Freund und Kanzler von Gotenkönig Theoderich weiß, wovon er spricht: Denn als er im Jahre 524 in der Haft seinen Trost der Philosophie verfasst, erwarten ihn als Folge politischer Intrige falsche Zeugen, grausame Folter, ein Unrechts- und Schauprozess, am Ende die Hinrichtung mit dem Würgeeisen.
Es heißt, er solle den Herrscher von Rom verraten haben. Doch nichts hätte dem christlichen Edelmann und gelehrten Weisen ferner gelegen. Aber er schickt sich in das Unvermeidliche, nachdem er einzig wirksamen Trost im Philosophieren gefunden hat. Genauer: In einem therapeutischen Gespräch zwischen ihm als dem klagenden Schuldlosen sowie enttäuschten Gerechten und der Dame Philosophia, die - in kunstvoller Poesie - nichts anderes von ihm fordert als gelassene Konsequenz.
"Er selbst trägt dann seine Anschauung vor, nach der das Böse als unreal anzusehen ist. Gott, als mit dem höchsten Gut gleichgesetzt, ist allmächtig, aber das Böse kann er nicht wirken. Also existiert das Böse gar nicht. Denn Gott, der alles kann, kann nichts reales Böses tun. Es muss also vorgegaukelt sein. Das Böse ist in Wirklichkeit nichts anderes als die Ohnmacht der Ohnmächtigen."
Das besondere an dem Trost der Philosophie des Boethius ist: Das Werk trennt nicht Dichtung und Wahrheit; es ist kein "Sachbuch", sondern ein Lebensbuch, das auch vom Sterben handelt. Es sagt, dass weder im Leben noch im Sterben den Gefühlen wie Freude und Furcht, Hoffnung und Schmerz Wirkungsmacht einzuräumen sei. Denn die stehe allein der Vernunft zu. Dazu der Herausgeber des Boethius-Bändchens, der Bochumer Philosoph Kurt Flasch:
"Boethius wollte zeigen, dass es die Vernunft allein vermag, der Todesangst Halt zu gebieten. Sie gestattet den Zweifel und löst die Einwände auf. Genau das hatte Sokrates in seiner Todesstunde getan."
Während Boethius auf das Steuer der Vernunft setzt, um durch das Chaos der Menschenwelt per kluger Lebensführung hindurch zu finden, nimmt Arthur Schopenhauer dafür seine Richtschnur des Mitleids - jedenfalls in seinen vier kleinen Traktaten Über das Mitleid. Sein Herausgeber Franco Volpi von der Universität von Padua meint:
"Mitleid ist "eine unleugbare Tatsache des menschlichen Bewusstseins". ... Im Mitleid, woraus es auch immer entspringen mag, öffne ich mich für die Möglichkeit, mich an die Stelle des anderen zu fühlen, und zwar nicht in einem objektivierenden, Abstand nehmenden und neutralen Gedankenexperiment, sondern in der schmerzhaften Teilhabe am faktischen Leiden eines jeweiligen konkreten Lebewesens. Das Mitleid hebt die Mauer zwischen Du und Ich auf."
Und zwar genau jene Mauer, die zuvor der Wille errichtet und so Leiden als Konsequenz aus dem Egoismus und der Grausamkeit der menschlichen Handlungen erst hat entstehen lassen. Das Leben ist nicht schön, solange der Wille des Menschen darauf gerichtet ist, alles zu genießen, alles zu haben, alles zu beherrschen. Allein das Mitleid vermag, gegen den willentlichen Eigennutz moralisch zu intervenieren - mit dem Bemühen um Gerechtigkeit und Menschenliebe. Bedachtsame Weisheit sagt, worum es "guter" Lebensführung geht:
"Sei tolerant und solidarisch!"
"Weisheit macht frei von Zweifeln. Sittlichkeit macht frei von Leid. Entschlossenheit macht frei von Furcht."
Das ist die Summe der Gespräche des Konfuzius, die auch im abendländischen Westen ...
"... als Handbuch zur Selbstkultivierung gelesen werden, ..."
... wie es der Herausgeber, der Münchner Sinologe Hans van Ess sagt. In knapp 300 Sentenzen ist zusammengetragen, was die öffentlichen und privaten Tugenden ausmacht, die zum Alltag einer um Lebensweisheit bemühten Bildungselite gehören. Vieles davon klingt "modern", als komme es direkt aus den think tanks der einschlägigen Ethikkommissionen.
Insgesamt sind die Werke von zeitloser Gültigkeit und größter "globaler" Bedeutung, die jetzt gemeinsam von den Verlagen dtv und C.H. Beck neu herausgebracht werden. Und jeder dieser Bände ist zusätzlich noch eine Augenweide dank der achtsamen Ausstattung, die der britische Grafik-Designer David Pearson den Büchern mitgegeben hat.
Ein ganz großer Wurf in zwölf kleinen Formaten - faszinierend erzählt, verständlich für jedermann und mit sechs Euro pro Band auch noch "wohlfeil" im besten Sinne des Wortes.
Boethius: Trost der Philosophie
Kleine Bibliothek der Weltweisheit 9.
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Kurt Flasch.
159 Seiten, 6 €.
Arthur Schopenhauer: Über das Mitleid
Kleine Bibliothek der Weltweisheit 10.
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Franco Volpi.
160 Seiten, 6 €.
Konfuzius: Gespräche Lun-yü
Kleine Bibliothek der Weltweisheit 6.
Aus dem Chinesischen von R. Wilhelm. Mit einem Nachwort von Hans van Ess.
238 Seiten, 6 €.
Alle erschienen im Verlag dtv C.H.Beck München, November 2005.