Weshalb es keinen Garten ohne Zaun gibt, und das nicht mal im Paradies, wie englische Landschaftsgärtner dennoch immer den Blick in die Unendlichkeit geöffnet haben, und wie der Garten überhaupt zu seinem Namen kam – auch darüber haben wir mit Hans von Trotha diskutiert.
"Der Garten der Zukunft ist ein städtisches Phänomen"
Gärten sind philosophische Orte. Davon ist der Historiker und Publizist Hans von Trotha überzeugt. „Sein und Streit“ traf ihn für eine Fahrt ins Grüne, auf der Suche nach der Gartenkunst der Zukunft.
"Wir haben ein gartenloses Jahrhundert hinter uns", sagt Hans von Trotha. "Das 20. Jahrhundert hat nicht nur das Verhältnis zur Natur verloren, sondern auch das Verhältnis zum Garten als einem Medium, das gesellschaftlich relevante Fragen formuliert, vorschlägt, begehbar und verständlich macht."
Genau das ändere sich jedoch in jüngster Zeit, beobachtet von Trotha. Das 21. Jahrhundert entdecke den Garten wieder als Gestaltungsraum für neue Lebensformen. Das Gärtnern in der Stadt verbinde Traditionen der Gartenkunst mit einem aktuellen Verständnis von Natur: In der Bewegung des Urban Gardening komme ein Wunsch nach Versöhnung von Kultur und Natur zum Ausdruck, indem der Garten von immer mehr Menschen als Inbegriff von Erholung, Selbstbestimmung und gesunder Ernährung erfahren werde. Dabei verschwimmen die Grenzen von öffentlichem und privatem Raum.
Urban Gardening als Zwischennutzung
Auf dem ehemaligen Flughafen Berlin Tempelhof, einer der größten innerstädtischen Freiflächen der Welt, ziehen Hobby-Gärtner in Hochbeeten ihr eigenes Gemüse und erobern sich auf diese Weise für persönliche Anliegen einen Teil des Stadtraums zurück, der wie eine Allmende gemeinschaftlich genutzt wird. Dabei verwandle sich der Garten zum ersten Mal in der Geschichte in ein flüchtiges Phänomen, sagt von Trotha:
"Früher war Garten eigener Grund und Boden, den man für die Zukunft gestaltet hat. Hier ist es so, dass man Dinge vorübergehend in den Stadtraum stellt und sie nutzt, wissend, dass das jederzeit auch anders genutzt werden kann. Das ganze Urban Gardening versteht sich als Zwischennutzung, und ich denke, diese Form, der geteilten Zwischennutzung ist ein wichtiger Teil des Gartens der Zukunft.
Planetarisches Gärtnern
Zu allen Zeiten haben Menschen in der Gestaltung von Gärten und Parks ihr Verhältnis zur Natur reflektiert. In Landschaftsgärten des 19. Jahrhundert wie dem Schlosspark Klein-Glienicke im Südwesten von Berlin prägte die Ideenwelt der Aufklärung und der frühen Romantik die Gartenarchitektur, so von Trotha: "Der Landschaftsgarten simuliert und imitiert die Natur und verstärkt ihre Effekte."
Heute begreifen führende Köpfe der Landschaftsgestaltung wie der französische Gartenarchitekt Gilles Clément den Garten als eine Arche, in der seltene Tier- und Pflanzenarten eine Zuflucht finden. Die traditionelle Gartenkunst tritt dabei in den Hintergrund. Cléments Konzept eines "planetarischem Gärtnern" zielt eher auf den Erhalt von Artenvielfalt ab, erklärt von Trotha:
"Das Belassen ist ein wichtiger Teil des Gartens der Zukunft. Also, dieses schöne Gestalten, was man früher in Gartenschulen gelehrt und gelernt hat und dann angewendet hat in aller Welt, gegen hohe Honorare, das hat sich, glaube ich, so ziemlich erledigt."
Romantik der Industrie-Ruinen
In der urbanen Lust am Garten, die aufgegebene Industrieflächen neu belebt, erkennt Hans von Trotha eine Wiederkehr der Romantik, die einen speziellen Blick für die Schönheit von Ruinen pflegte, und zugleich ein neues Interesse an der Nähe zur Natur und an ihrem Schutz:
"Ich denke, der Garten der Zukunft ist tatsächlich ein städtisches Phänomen, das die Aufgabe haben wird, das Leben in den Städten erträglicher zu machen - und gleichzeitig Pflanzen zum Überleben zu verhelfen. Wir richten in der Natur keine Gärten mehr ein, weil wir froh sind, wenn wir da noch Natur finden."
Buch zum Thema:
Hans von Trotha: Garten Kunst. Auf der Suche nach dem verlorenen Paradies
Quadriga, Berlin 2012, 192 Seiten, 19,99 Euro