Philosophie-Verlage
Die dunklen Bände mit bunter Schrift der Reihe "suhrkamp taschenbuch wissenschaft" haben geradezu ikonischen Status unter philosophisch Interessierten. © Suhrkamp Verlag
"Reich wird man damit nicht"
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Kann man mit Philosophie-Büchern Geld verdienen? Welche Rolle spielt das Internet? Und wie sieht die Zukunft für Philosophie-Verlage aus? Wir haben uns bei Suhrkamp, Merve und Klostermann umgehört.
Kann ein Verlag mit philosophischen Büchern Geld verdienen?
"Also, wenn wir kein Geld damit verdienen würden – in solchen Zeiten leben wir –, dann würde es das nicht mehr geben. Insofern ja, wir verdienen damit Geld." Sagt Eva Gilmer, die die Wissenschaftssparte im Suhrkamp-Verlag betreut, zu der auch die ikonische Taschenbuchreihe mit ihren auberginefarbenen Einbänden zählt: Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, kurz: stw. Gilmer zufolge besteht sie mindestens zu einem Drittel, wenn nicht zur Hälfte, aus philosophischen Büchern.
Immer knapp an der Insolvenz vorbei
"Es gibt natürlich so was wie ein kulturelles oder soziales Kapital – wo man schon sagen muss, wir sind Krösus als Verlag. Aber es gibt eben auch das harte, ökonomische Kapital, wo man sagen muss: Nee, der Verlag schleppt sich sozusagen immer knapp vor der Grenze der Insolvenz weiter." Tom Lamberty leitet seit 17 Jahren den Merve Verlag, der 1970 gegründet wurde und seither unter Theorie-Hungrigen einen geradezu legendären Ruf genießt. Viele heute prominente internationale Autorinnen und Autoren hat Merve erstmals in Deutschland verlegt.
Die inzwischen 500 Titel (neben Philosophie auch aus Kunst- oder Literaturtheorie) sind alle nach wie vor erhältlich – und sehen immer noch so aus wie vor 50 Jahren. "Die Ökonomie ist in gewisser Weise auch langfristig angelegt und versucht nicht sozusagen kurzfristige Kapitalgewinne zu erzeugen", sagt Lamberty. "Das heißt, man wird mit dem Verlag nicht reich – oder so wie wir den betreiben, wird man nicht reich."
Dass es tendenziell schwieriger geworden ist, Philosophie-Bücher zu verkaufen, darin sind sich beide einig – was auch daran liege, dass es im Internet ein breiteres, aktuelles Angebot an Philosophie und Theorie gibt. Und dass insgesamt stärker am Bildschirm gelesen wird. "Das Buch ist gerade jetzt auch für Inhalte geschaffen, von denen man sagt, die sollen längerfristig wirken", meint Lamberty. "Ich glaube, dieser Anspruch hat sich bei uns heute noch verstärkt. Dass man diese ganz aktuellen, zeitspezifischen Beiträge nicht macht als Buch."
Naturwissenschaften werden bevorzugt
Selbst die Bibliotheken, traditionell wichtige Abnehmer für viele Philosophie-Verlage, stellen immer mehr auf digitale Publikationen und Open Access um. Sie seien längst nicht mehr so stabile Abnehmer wie früher, sagt Eva Gilmer von Suhrkamp.
Das bestätigt auch Vittorio E. Klostermann, Leiter des gleichnamigen Verlages, der vor knapp 100 Jahren von Klostermanns Vater gegründet wurde. Der Verlag wird für seine philosophischen Klassiker-Editionen ebenso wie für aktuellen Forschungsarbeiten geschätzt. "Das, was wir hauptsächlich pflegen, also so eine Buchkultur, wird von öffentlicher Seite eher stranguliert als befördert – stranguliert insofern, als die Bibliotheken die Haupterwerbungsmittel in die elektronischen Publikationen stecken."
Aber auch die Fördermittel für die Herausgabe von Editionen oder Forschungsarbeiten werden weniger, so Klostermann: "Diese Forschungsförderer orientieren sich inzwischen ganz an den Bedürfnissen der STM-Fächer, also Naturwissenschaft, Technik, Medizin, und haben kein Verständnis mehr für die Bedürfnisse der Geisteswissenschaften."
Die "Backlist" als Lebensversicherung
Dass Philosophie-Verlage sich trotzdem über Wasser halten können, verdanken sie oft ihrer sogenannten "Backlist", also älteren Titeln, die weiter gedruckt werden. Das gilt auch für Klostermann, Merve und Suhrkamp. "Das ist schon sehr, sehr wichtig, einfach deshalb, weil ein philosophischer Klassiker einer ist, der ja immer wieder gelesen werden muss, an den Universitäten", sagt Eva Gilmer.
Allerdings: Auch das Leseverhalten an den Universitäten ändert sich – zum Nachteil für die Verlage: "Wenn Sie in die Universitäten gehen, werden Sie sehen, es gibt eine Tendenz, nicht mehr die klassischen Werke sich als Buch zu kaufen, sondern Ausschnitte daraus zu lesen und so weiter. Deshalb gibt es ... insgesamt bei Backlists einen Rückgang zu, sagen wir mal, vor 20 Jahren."
Massiver Theoriebedarf
Und wie sieht die Zukunft für die Philosophie-Verlage aus? "Die Zukunft wird rosig", sagt Tom Lamberty von Merve. "Nee im Ernst: Ich glaub, der Orientierungsbedarf und die Komplexität der Umwelten, in denen wir uns bewegen, wächst. Und da würde ich sagen: Holy Shit! Der Theoriebedarf ist wirklich massiv!"
Und auch Vittorio E. Klostermann klingt vorsichtig optimistisch: "Also, in den Abgrund blicken wir nicht. Die Herausforderungen sind auf breiter Linie schwieriger geworden. Aber die Grundaufgabe bleibt: Autoren finden und Bücher veröffentlichen, auf die das Publikum Lust hat. Ich denke, die Kriterien sind strenger geworden."
Die Art der Herausforderungen deutet Eva Gilmer an: "Unser Ziel ist, dass die Philosophie auch im gesellschaftlichen Bewusstsein, nicht nur in der Uni, breit verankert bleibt. Und da müssen Sie eben gerade in der Distribution und im Marketing neue Wege gehen." Das aber ist gar nicht so leicht, wenn man Tom Lamberty glaubt: "Es heißt seit Jahren: Warum machst du nicht mehr auf Insta, in Facebook, warum twitterst du nicht öfter – wo ich immer denke: Crazy shit, wann soll ich denn das auch noch alles machen, diese ganzen Kanäle bedienen – das ist Irrsinn!"