Philosophische Flaschenpost

Max Horkheimer und die Grenzen der Freiheit

03:23 Minuten
Max Horkheimer im Porträt an einem Mikrofon.
Eine gerechte Gesellschaft muss die Freiheit Einzelner beschränken, so der Philosoph Max Horkheimer. © imago images / Leemage
Von Stefan Gosepath |
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Je mehr Freiheit, desto besser, könnte man meinen. Doch die Freiheit begünstigt die Stärkeren gegenüber den Schwächeren, fand der Sozialphilosoph Max Horkheimer. Der Philosoph Stefan Gosepath sieht aktuelle Beispiele dafür auf dem Wohnungsmarkt.
"Je mehr Freiheit es gibt, desto mehr wird die Gerechtigkeit dadurch gefährdet, daß die Stärkeren, Gescheiteren, Geschickteren die anderen schädigen", so Max Horkheimer 1970 in einem Gesprächsband.
Zuviel individuelle Freiheit könne nach Horkheimers Einschätzung also zur Unterdrückung anderer führen, erklärt der Berliner Philosoph Stefan Gosepath. Als Mitbegründer der marxistisch geprägten Frankfurter Schule habe sich Horkheimer zeitlebens mit den gesellschaftlichen Ursachen von Unterdrückungsverhältnissen befasst und zugleich erforscht, wie man etwas daran ändern kann.

Erst die Gerechtigkeit, dann die Freiheit

Horkheimers Zitat versteht Gosepath vor allem als Plädoyer für die Bedingtheit individueller Freiheit durch Gesellschaft - und für den Vorrang gesellschaftlicher Gerechtigkeitsforderungen gegenüber dem Freiheitsstreben Einzelner:
"Also nicht, die Leute haben erst Freiheit und dann wird ihre Freiheit beschnitten, sondern umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wir versuchen, eine gerechte Gesellschaft zu ermöglichen, und innerhalb dieser haben Leute Freiheitsansprüche, die gesellschaftlich gesichert sein müssen, sonst können sie überhaupt nicht bestehen. Und in diese Sicherung gehört zugleich auch ein Verteilungsschlüssel, nämlich der der Gleichheit."

Ungleiche Freiheit führt zu Verdrängung

Diese Beobachtung sei heute von ungebrochener Aktualität, meint Gosepath, weil gerade in einem "entfesselten Kapitalismus" Freiheiten sehr ungleich verteilt seien. Ein Beispiel dafür sieht Gosepath in der Verdrängung auf dem Wohnungsmarkt:
"Dadurch, dass sich Leute teure Wohnungen kaufen können, verdrängen sie andere, die nicht die gleichen Mittel haben - das gleiche Einkommen - und die dann aus dem Viertel raus müssen, nachdem sie 50 Jahre in der Wohnung gewohnt haben, und damit auch ihren Lebenszusammenhang verlieren. Da sieht man, dass die Freiheit des einen zu Lasten der Freiheit des anderen geht, und dass das so nicht ungeregelt bleiben kann."
(ch)
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