Trump und Facebook sind Freund und Feind zugleich
Die Befragung von Mark Zuckerberg vor dem US-Congress war eine Farce. Denn staatliche Behörden und Unternehmen sitzen im selben Boot. Beide haben sich um die Abschaffung der Privatsphäre verdient gemacht. Und keiner will den anderen wirklich behindern.
Im Jahre 1999 sagte Scott McNeally, seinerzeit Chef der Computerfirma Sun, "You have zero privacy […]. Get over it." – "Sie haben keine Privatsphäre. Finden Sie sich damit ab." Seit McNeallys markigem Ausspruch haben sich zwei Seiten um die Abschaffung der Privatsphäre verdient gemacht: staatliche Behörden und Unternehmen.
Was sehen wir auf Schauplatz eins? Den gläsernen Bürger. Das Sammeln und Auswerten von Datenmassen zum Zweck von Überwachung, Digital Profiling und Digital Policing. Der Staat will wissen, wer von uns als nächstes ein Verbrechen begehen wird.
Und auf Schauplatz zwei? Da sehen wir den gläsernen Nutzer. Das Sammeln und Auswerten von Datenmassen als Geschäftsmodell. Die Social-Media-Firmen wollen wissen, was wir wünschen, bevor wir selbst es merken.
Manchmal laufen sich die Vertreter des Staates und die Herren der sozialen Medien über den Weg – zum Beispiel diese Woche in Washington. Über zehn Stunden wurde Mark Zuckerberg von Parlamentariern befragt. Es ging um Cambridge Analytica, die Abschöpfung von Facebook-Daten durch die russische IRA (Internet Research Agency) etc. Senator John Kennedy, ein Republikaner aus Louisiana, sagte zu Zuckerberg: "Your user agreement sucks" – also auf Deutsch (so steht es offiziell im Lexikon!): "Ihre Nutzervereinbarung ist beschissen."
"Frenemies" - Freund und Feind zugleich
Bei diesem Streit auf der politischen Bühne ging ein Punkt unter: Der amerikanische Staat und die Social-Media-Unternehmen sind das, was man im Englischen "frenemies" nennt. Also eine Mischung aus "friend" und "enemy", Freund und Feind. Sie streiten auf dem Capitol und sitzen im gleichen Boot. Sie spielen ein Spiel, in dem keiner den anderen nass macht. Drei Beispiele von vielen.
Oktober 2016. Es wird bekannt, dass die Firma Geofeedia im Auftrag der amerikanischen Polizei Daten aus sozialen Netzwerken auswertet, um Protestgruppen zu identifizieren.
März 2018. Das US-Außenministerium plant, von allen Ausländern, die ein Visum beantragen, Angaben über ihre "social media identities" zu verlangen. Betroffen davon sind jährlich rund 15 Millionen Personen.
April 2018. Das "Department of Homeland Security" lanciert eine Ausschreibung zu dem Zweck, die "staatliche Infrastruktur" gegen Gefahren zu wappnen. Gesucht wird eine Firma, die Listen von Journalisten und "top media influencers" erstellt und sie nach Haltung und Einfluss sortiert.
Die Regierung ist rattenscharf auf Daten
Die amerikanische Regierung hat kein Interesse daran, die Zugänglichkeit von Daten auf sozialen Netzwerken zu erschweren. Sie ist rattenscharf auf diese Daten. In Deutschland sind wir mitgefangen, mitgehangen, denn wenn es um soziale Medien geht, sind wir alle Amerikaner. Wer seine Privatsphäre schützen will, kann sich nicht auf die Social-Media-Unternehmen verlassen – und auch nicht auf den Staat. Sondern nur auf sich selbst.
Was können wir tun? Alles mögliche. Erstens: Es gibt auch ein Leben ohne soziale Medien. Forscher haben herausgefunden, dass diejenigen, die weniger auf Netzwerken unterwegs sind, glücklicher sind. Zweitens: Wer weiter netzwerken will, kann immerhin die Settings zur Limitierung der Datenweitergabe radikal scharf stellen. Drittens: Wenn es einen Klimagipfel gibt, dann kann es auch einen Datengipfel geben, auf dem NGOs und Regierungen in den Clinch gehen. Viertens: Es ist nie zu spät für eine Kampagne zur Begnadigung von Edward Snowden – oder dafür, ihm Asyl in Deutschland zu gewähren. So einen Ausländer können wir gut gebrauchen.