Phönix aus der Asche
Gemeinsam mit der Region Provence ist Marseille eine der beiden kulturellen Hauptstädte des Kontinents im Jahr 2013. Um dem Titel auch gerecht zu werden, hat sie sich eine architektonisch brillante neue Hafenfront verpasst. Und auch musikalisch will Frankreichs älteste Stadt auftrumpfen.
Nach Marseille ist nicht nur die Marseillaise benannt, Frankreichs Revolutions- und Nationalhymne. Die eigensinnige Metropole am Mittelmeer hat sich für ihr Jahr als Kulturhauptstadt Europas eine eigene, moderne Hymne komponieren lassen.
Das Lied klingt unverkennbar nach Frankreichs Süden: ein bisschen rau – genau so, wie es dem Selbstbewusstsein der Provencalen entspricht.
Der Sänger Gary Grèu ist stolz auf seinen "La Belle de Mai"-Akzent – er stammt aus dem traditionellen Kleine-Leute-Viertel der Hafenstadt.
"Ich bin im dritten Arrondissement von Marseille geboren. Da brauche ich keine Weltreisen zu machen, um was von der afrikanischen oder der karibischen Musik mitzubekommen."
Hier, nahe am Bahnhof, sind Einwanderer aus aller Welt zu Hause – viele aus dem Maghreb, wo Frankreich seine Kolonien hatte. In "La-Belle-de-Mai" steht auch eines der Zentren, das im Programm der Europäischen Kulturhauptstadt eine große Rolle spielen wird: "La Friche" – die "Brache", wie der Name übersetzt heißt, war früher mal eine Tabakfabrik und ist heute ein Haus für Gegenwartkunst. Theater, Tanz, Musik. Kunst, die von unten kommt, aus den verschiedenen Stadtteilen.
"Export-Import" lautet der Titel von Gary Grèus Hymne – die Hafenstadt Marseille ist Schnittstelle für kulturellen Austausch. Und so wird im Alternativ-Kunst-Zentrum Friche La Belle-de-Mai zum Auftakt eine ambitionierte Ausstellung über das Verhältnis Marseilles zum Mittelmeerraum eröffnet.
Ähnlich wie 2010 Essen und das Ruhrgebiet, ist im kommenden Jahr die gesamte Region Provence-Alpes-Côte-d’Azur Kulturhauptstadt. Die offizielle Eröffnung wird am 12. Januar sein - mit großem Radau.
"Der besondere Moment ist, dass es einen großen Aufschrei geben wird, la grande clameur."
Ulrich Fuchs, aus Deutschland stammender stellvertretender Direktor des Organisationskomitees:
"Alles, was in Marseille an Lärm zu bewegen ist, ob es Schiffssirenen sind ob es Kirchenglocken sind, ob es Chöre sind, ob es Musikinstrumente sind, wird fünf Minuten lang erschallen und ertönen. Und mit diesem Schrei Marseille in eine komplette Dunkelheit verwandeln. Alle Lichter gehen aus. Um dann, wie Phönix aus der Asche, mit einem großen Feuer- und Lichtspektakel das eigentliche Fest zu eröffnen."
Phönix aus der Asche – während Städte wie das großbürgerliche Aix-en-Provence oder Arles mit seinem antiken Amphitheater auf eine lange Kulturtradition zurückblicken, galt Marseille bislang vor allem als dreckig, laut und gefährlich.
Die Vorbereitungen für das Kulturhauptstadtjahr haben Marseille jetzt einen gewaltigen Innovationsschub verpasst.
"Ich finde es wirklich toll, dass sich diese Stadt bewegt. Ich habe Lust, selbst etwas zu machen. Deshalb arbeite hier in der Galerie und parallel beim "Büro des Compétences et Désirs", das auch bei MarseilleProvence 2013 dabei ist."
Vassiliki Andreasou aus der "Galerie of Marseille" ist erst vor kurzem aus Paris in den Süden gezogen. Zwar sei für eine Stadt dieser Größe in punkto zeitgenössischer Kunst immer noch sehr wenig los. Aber: Immerhin werden zwei Drittel der 900 Ausstellungen, Aufführungen und anderen Veranstaltungen im Rahmen von MarseilleProvence 2013 direkt in Marseille stattfinden.
Vor allem aber: Am Alten Hafen ist eine architektonisch glänzende Museumsmeile entstanden. Im Glaswürfel des "Museums für mediterrane und europäische Kulturen" und in der nebenan aufragenden raumschiffartigen Villa Méditerrannée soll künftig der multikulturelle Dialog gepflegt werden. Und in einem restaurierten Hafen-Gebäude bekommt Kunst aus Südfrankreich ein neues Domizil.
Adeline Granerau vom Museum "Regards de Provence":
"Wir befinden uns hier in der alten Sanitärstation von 1948, wo Immigranten, die in Marseille mit dem Schiff eintrafen, auf ansteckende Krankheiten untersucht wurden. Wir hatten ein markantes historisches Gebäude gesucht. Dieses Haus stand lange leer. Wir zeigen Ausstellungen über Marseille und die Provence vom 18. Jahrhundert bis heute. Und wir sind direkt an der Hafenfront von Marseille."
Das Museum "Regards de Provence" ist Teil der Hochglanz-Kultur, mit der Marseille von seinem Image als Schmuddel-Metropole loskommen möchte. Seitdem der TGV in drei Stunden von Paris herbeirauscht, haben viele Hauptstädter Marseille als Zweitwohnsitz entdeckt. Kein Wunder, dass das Thema Gentrifizierung eine Rolle spielt - auch im Kulturhauptstadt-Jahr.
Und obwohl der dicke Veranstaltungskatalog jede Menge Kultur an der Basis verzeichnet, sei es in den ländlichen Regionen oder in Stadtteilen wie dem Belle-de-Mai, fühlen sich etliche lokale Künstler nicht richtig vertreten – und protestieren, ganz kreativ, mit einer ironischen Gegen-Hymne: Marseille – Hauptstadt der Kultur, okay - aber authentisch?
Gegen-Hymne: "Marseille, capitale culturelle – mais pas authentique"
Marseille: Kulturhauptstadt 2013
Das Lied klingt unverkennbar nach Frankreichs Süden: ein bisschen rau – genau so, wie es dem Selbstbewusstsein der Provencalen entspricht.
Der Sänger Gary Grèu ist stolz auf seinen "La Belle de Mai"-Akzent – er stammt aus dem traditionellen Kleine-Leute-Viertel der Hafenstadt.
"Ich bin im dritten Arrondissement von Marseille geboren. Da brauche ich keine Weltreisen zu machen, um was von der afrikanischen oder der karibischen Musik mitzubekommen."
Hier, nahe am Bahnhof, sind Einwanderer aus aller Welt zu Hause – viele aus dem Maghreb, wo Frankreich seine Kolonien hatte. In "La-Belle-de-Mai" steht auch eines der Zentren, das im Programm der Europäischen Kulturhauptstadt eine große Rolle spielen wird: "La Friche" – die "Brache", wie der Name übersetzt heißt, war früher mal eine Tabakfabrik und ist heute ein Haus für Gegenwartkunst. Theater, Tanz, Musik. Kunst, die von unten kommt, aus den verschiedenen Stadtteilen.
"Export-Import" lautet der Titel von Gary Grèus Hymne – die Hafenstadt Marseille ist Schnittstelle für kulturellen Austausch. Und so wird im Alternativ-Kunst-Zentrum Friche La Belle-de-Mai zum Auftakt eine ambitionierte Ausstellung über das Verhältnis Marseilles zum Mittelmeerraum eröffnet.
Ähnlich wie 2010 Essen und das Ruhrgebiet, ist im kommenden Jahr die gesamte Region Provence-Alpes-Côte-d’Azur Kulturhauptstadt. Die offizielle Eröffnung wird am 12. Januar sein - mit großem Radau.
"Der besondere Moment ist, dass es einen großen Aufschrei geben wird, la grande clameur."
Ulrich Fuchs, aus Deutschland stammender stellvertretender Direktor des Organisationskomitees:
"Alles, was in Marseille an Lärm zu bewegen ist, ob es Schiffssirenen sind ob es Kirchenglocken sind, ob es Chöre sind, ob es Musikinstrumente sind, wird fünf Minuten lang erschallen und ertönen. Und mit diesem Schrei Marseille in eine komplette Dunkelheit verwandeln. Alle Lichter gehen aus. Um dann, wie Phönix aus der Asche, mit einem großen Feuer- und Lichtspektakel das eigentliche Fest zu eröffnen."
Phönix aus der Asche – während Städte wie das großbürgerliche Aix-en-Provence oder Arles mit seinem antiken Amphitheater auf eine lange Kulturtradition zurückblicken, galt Marseille bislang vor allem als dreckig, laut und gefährlich.
Die Vorbereitungen für das Kulturhauptstadtjahr haben Marseille jetzt einen gewaltigen Innovationsschub verpasst.
"Ich finde es wirklich toll, dass sich diese Stadt bewegt. Ich habe Lust, selbst etwas zu machen. Deshalb arbeite hier in der Galerie und parallel beim "Büro des Compétences et Désirs", das auch bei MarseilleProvence 2013 dabei ist."
Vassiliki Andreasou aus der "Galerie of Marseille" ist erst vor kurzem aus Paris in den Süden gezogen. Zwar sei für eine Stadt dieser Größe in punkto zeitgenössischer Kunst immer noch sehr wenig los. Aber: Immerhin werden zwei Drittel der 900 Ausstellungen, Aufführungen und anderen Veranstaltungen im Rahmen von MarseilleProvence 2013 direkt in Marseille stattfinden.
Vor allem aber: Am Alten Hafen ist eine architektonisch glänzende Museumsmeile entstanden. Im Glaswürfel des "Museums für mediterrane und europäische Kulturen" und in der nebenan aufragenden raumschiffartigen Villa Méditerrannée soll künftig der multikulturelle Dialog gepflegt werden. Und in einem restaurierten Hafen-Gebäude bekommt Kunst aus Südfrankreich ein neues Domizil.
Adeline Granerau vom Museum "Regards de Provence":
"Wir befinden uns hier in der alten Sanitärstation von 1948, wo Immigranten, die in Marseille mit dem Schiff eintrafen, auf ansteckende Krankheiten untersucht wurden. Wir hatten ein markantes historisches Gebäude gesucht. Dieses Haus stand lange leer. Wir zeigen Ausstellungen über Marseille und die Provence vom 18. Jahrhundert bis heute. Und wir sind direkt an der Hafenfront von Marseille."
Das Museum "Regards de Provence" ist Teil der Hochglanz-Kultur, mit der Marseille von seinem Image als Schmuddel-Metropole loskommen möchte. Seitdem der TGV in drei Stunden von Paris herbeirauscht, haben viele Hauptstädter Marseille als Zweitwohnsitz entdeckt. Kein Wunder, dass das Thema Gentrifizierung eine Rolle spielt - auch im Kulturhauptstadt-Jahr.
Und obwohl der dicke Veranstaltungskatalog jede Menge Kultur an der Basis verzeichnet, sei es in den ländlichen Regionen oder in Stadtteilen wie dem Belle-de-Mai, fühlen sich etliche lokale Künstler nicht richtig vertreten – und protestieren, ganz kreativ, mit einer ironischen Gegen-Hymne: Marseille – Hauptstadt der Kultur, okay - aber authentisch?
Gegen-Hymne: "Marseille, capitale culturelle – mais pas authentique"
Marseille: Kulturhauptstadt 2013