Phrasen, Floskeln, Unwahrheiten

Dass man markige Worte von Managern ebenso wenig auf die Goldwaage legen soll wie jene von Politikern, ist bekannt. Die Autoren Mathias Schütz, Stephen Wirth und Aiko Bode haben sich zusammengetan, um die "Lügen in der Chefetage" zu entlarven.
Dass man markige Worte von Managern ebenso wenig auf die Goldwaage legen soll wie jene von Politikern, ist bekannt. Die Autoren Mathias Schütz (Zürcher Hochschule Winterthur, Departement Wirtschaft und Management), Stephen Wirth und Aiko Bode haben sich zusammengetan, um die "Lügen in der Chefetage" zu entlarven.

Sie haben ihrem Buch zweifelhafte Phrasen als Kapitelüberschriften vorangestellt und dann jeweils drei bis vier Seiten lang darüber reflektiert. Dabei teilen sie die Kapitel ein nach den jeweiligen Zielgruppen des Managements: Jene Unwahrheiten, die in erster Linie gegenüber Mitarbeitern, Betriebsräten und Gewerkschaften verwendet werden, jene gegenüber Kunden, Lieferanten und Konkurrenten, jene, die für Aktionäre, Aufsichtsräte und Analysten bestimmt sind sowie jene für Öffentlichkeit, Behörden, Verbände, Medien und nichtstaatliche Organisationen.

Ersteren sind Sätze wie "Bei uns gibt es keine Diskriminierung" oder "Ich stehe voll und ganz hinter Ihnen" gewidmet, dem "Wettbewerb" werden Floskeln wie "Unsere Lieferanten sind Partner" oder "Qualität hat ihren Preis" zugeordnet. Um das Unternehmen der dritten Gruppe, also Aktionären, Aufsichtsräten und Analysten gegenüber gut dastehen zu lassen, werden Formulierungen gewählt wie: "Wir setzen Mitarbeiter-Ressourcen frei" oder "Wir haben ein ausgeglichenes Ergebnis erzielt". Für Gruppe vier, die kontrollierende Öffentlichkeit im weitesten Sinne, sind Feststellungen wie "Unsere Kontrollsysteme funktionieren" oder "Führen bedeutet mit Widerstand konstruktiv umgehen" reserviert.

Beispiel: "Wir sitzen alle in einem Boot". Es zeigt eine Metapher, die nach verschiedenen Seiten hin schillern kann, denn jedes Boot hat nur eine endliche Kapazität, warnen die Autoren. So mancher Chef kann es darauf anlegen, mit solchen Formulierungen Widerstände hintan zu halten: Denn "wer jetzt aufsteht, kann das Boot leicht zum Kentern bringen". Womit sich eine vordergründige Solidaritätsbekundung als deutliche Warnung entpuppen kann.

Oder nehmen wir: "Mobbing ist ein Straftatbestand". Mit diabolischer Lust geben die Autoren einen Leitfaden für Chefs, wie sie sich erst mit diesem Satz zum Schutzengel der Mitarbeiter machen können, um ihn dann als Schutzschild zu verwenden, missliebige eigene Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen – mithilfe der nichts argwöhnenden Mitarbeiter.

Allerdings bleiben die drei Autoren nicht im Abstrakten. Systematisch knöpfen sie sich die schwarzen Schafe zur Untermauerung ihrer Lügenvarianten vor: Die VW-Affäre, das Stromoligopol in Deutschland, die Aktien der Telekom, den nicht endenden Gammelfleischskandal.

Vorsichtshalber distanzieren sich die Autoren von Verallgemeinerungen: Man sollte trotz des langen Lügenkatalogs nicht annehmen, "dass es überhaupt keine ehrbaren und zuverlässigen Zeitgenossen im Wirtschaftsleben gibt". Eine Gesellschaft, in der jeder jeden belüge, untergrabe die eigenen Lebensgrundlagen.

"Zweitens können Lügen kaum so viel Verbreitung finden, wenn sie nicht einer Mehrheit von Aufrichtigen aufgebürdet werden."

Dass hinter den aufgeführten Phrasen der Chefetage mitunter genau das Gegenteil vom Gesagten steckt, mag der Adressat schon bisher vermutet haben. Den Autoren kommt das Verdienst zu, sie gesammelt und auf ihren Gehalt abgeklopft zu haben. Dabei gehen die drei allerdings eher populärwissenschaftlich vor. Thesen werden aufgestellt, aber nicht weiter begründet. Den Autoren scheint es mehr um Unterhaltung denn um konkrete Anprangerung vorhandener Missstände zu gehen. Sie bedienen sich des Kunstgriffs eines Mephistopheles, der seine teuflischen Einflüsterungen dem lesenden Unternehmer wie in einen Ratgeber weiterreicht.

Es mag ein Nachteil des Buches sein, dass es hohe Erwartungen, die der Titel weckt, nicht erfüllt. Und dass es keine Lösungen anbietet außer jener, dass man nun wisse, wie der Hase läuft und sich wappnen könne. Wer sich aber beim Lesen amüsieren und zustimmend mit dem Kopf nicken möchte, dem wird der Band Vergnügen bereiten.

Rezensiert von Stefan May

Mathias Schüz, Stephen Wirth, Aiko Bode: Lügen in der Chefetage. Gesammelte Unwahrheiten aus dem Management
Verlag Wiley, Dezember 2006
284 Seiten, 24,90 Euro