Physik schon im Kindergarten
Rheinland-Pfalz hat mit "Zukunftschance Kinder - Bildung von Anfang an" ein neues Programm aufgestellt. Dazu gehört, dass Sprachen und Naturwissenschaften schon in Kindertagesstätten gefördert werden. Auf einem Bildungskongress in Mainz treffen sich derzeit Erzieherinnen, um dazu neue Ideen zu diskutieren.
Ausnahmsweise hat Katrin Schmitt ihre Versuchsreihe zum Magnetismus mal nicht vor Kindern, sondern vor Erzieherinnen aufgebaut. Ihnen schiebt sie ein Schälchen hin – mit Büroklammern, Radiergummis, Holzklötzen. Nach ein paar Vorversuchen, die Kindern Anhaltspunkte geben, was magnetisch ist, würde sie die Kinder jetzt bitten, das Nicht-Magnetische auszusortieren, erläutert die Zwölftklässlerin aus der Pfalz:
" ... So, und jetzt kann man probieren – nicht magnetisch – richtig – und wenn ich jetzt einen Magneten hier rein halte, hängt alles dran. Und dann schicke ich die Kinder mit einem Magneten durchs Zimmer und sage: "So, jetzt findet mal Sachen, die magnetisch sind". Und dann kommen sie auch ganz schnell auf Sachen wie: "Der Ohrring der Erzieherin ist ja magnetisch" ..."
Gemeinsam mit ihrem Physiklehrer haben Schüler am Wilhelm-Erb-Gymnasium Winnweiler eine Versuchsreihe speziell für Kindergärten entwickelt. Wann kommst du wieder, fragen die Kinder nach zweistündigem Experimentieren, erzählt Katrin Schmitt. Sie hat erlebt, ...
"... dass Kinder, die sonst ruhig und verschlossen sind, total aufgeblüht sind und bei der Sache waren. Die haben einfach im Kindergarten Fragen nicht beantwortet bekommen, und da konnten sie es dann richtig ausleben. Was für mich überraschend ist, ist dass sie sich nach einem halben Jahr, wenn wir Kontrolluntersuchungen machen, fast noch an jedes Detail erinnern, wenn wir Fehler einbauen, dass sie uns verbessern und wenn wir Versuche aufbauen, dass sie dann wissen, wie es weitergehen könnte und was die Grundlagen sind."
... fügt Physiklehrer Werner Stetzenbach an. Er bedauert, dass man die kindliche Fähigkeit, originelle Fragestellungen zu entwickeln, lange hat brach liegen lassen. Und zwar nicht, weil Erzieherinnen kein Interesse an Naturwissenschaften hätten, meint Elke Holford, Leiterin eines katholischen Kindergartens in der Südpfalz, sondern...
"... weil einfach die Methodik-Didaktik fehlt, weil man das in der Ausbildung eben nicht gelernt hat. Man hat vielleicht in Spielerziehung gelernt, wie man Kreisspiele macht oder Bewegungserziehung, Musik , Kunst - das hat man alles gelernt, aber die Bereiche Mathematik, Physik sind die ganzen Jahre zu kurz gekommen."
Der Nachholbedarf auf diesem Gebiet trifft zusammen mit anderen neuen Anforderungen an Kindergärten. In Rheinland-Pfalz öffnen sie sich nun für Zweijährige – auch um den Geburtenrückgang abzufangen und Arbeitsplätze zu sichern. Im evangelischen Kindergarten Betzenberg in Kaiserslautern sind die ersten 13 für September angemeldet. Doch noch fehlt ein Konzept. Wir sind etwas hilflos, sagt Margitta Scheffler:
"Wir arbeiten offen und sind eine recht große Einrichtung mit 100 Kindern, und die Zweijährigen - die brauchen ja doch ein Nest, dieses Geborgensein – ich habe ein bisschen Angst, das die untergehen."
Zwei Millionen Euro stellt das Land jährlich für Fortbildung von Erzieherinnen bereit, um für die neuen Herausforderungen zu qualifizieren – sei es die Integration Zweijähriger oder eine intensivere Sprachförderung. Doch an den Grundproblemen der frühkindlichen Bildung in Deutschland ändert das Programm "Zukunftschance Kinder" wenig, daran nämlich, dass eine Erzieherin für zu viele Kinder zuständig ist und die Kindergärten im internationalen Vergleich unterfinanziert sind.
"Es geht ja auch um eine erhöhte Anforderung an die Zusammenarbeit mit Eltern beispielsweise, es geht um eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Grundschule. Alles das ist ja mit diesem Programm gewollt, und es wird zu wenig jetzt noch investiert in die direkte Struktur in den Kindergärten, also mehr Personal, mehr Zeit."
Dennoch hält die Berliner Soziologin Christa Preissing das rheinland-pfälzische Programm für richtungsweisend. Und Bert Rürup, Vorsitzender des "Rats der Wirtschaftsweisen" fordert, das beitragsfreie letzte Kindergartenjahr auf ganz Deutschland auszudehnen und als eine Art Vorschule verpflichtend zu machen. Im Kindergarten, so Rürup, werde soziale Benachteiligung besonders effizient ausgeglichen.
Das Interview zum Thema "Unterqualifiziert und überfordert - Erzieherinnen brauchen eine bessere Ausbildung" mit Prof. Wassilios Fthenakis vom Staatsinstitut für Frühpädagogik München können Sie in der rechten Spalte als Audio hören.
Service:
Der Bildungskongress "Zukunftschance Kinder - Bildung von Anfang an" tagt am 18. und 19. Juli 2005 in Mainz.
" ... So, und jetzt kann man probieren – nicht magnetisch – richtig – und wenn ich jetzt einen Magneten hier rein halte, hängt alles dran. Und dann schicke ich die Kinder mit einem Magneten durchs Zimmer und sage: "So, jetzt findet mal Sachen, die magnetisch sind". Und dann kommen sie auch ganz schnell auf Sachen wie: "Der Ohrring der Erzieherin ist ja magnetisch" ..."
Gemeinsam mit ihrem Physiklehrer haben Schüler am Wilhelm-Erb-Gymnasium Winnweiler eine Versuchsreihe speziell für Kindergärten entwickelt. Wann kommst du wieder, fragen die Kinder nach zweistündigem Experimentieren, erzählt Katrin Schmitt. Sie hat erlebt, ...
"... dass Kinder, die sonst ruhig und verschlossen sind, total aufgeblüht sind und bei der Sache waren. Die haben einfach im Kindergarten Fragen nicht beantwortet bekommen, und da konnten sie es dann richtig ausleben. Was für mich überraschend ist, ist dass sie sich nach einem halben Jahr, wenn wir Kontrolluntersuchungen machen, fast noch an jedes Detail erinnern, wenn wir Fehler einbauen, dass sie uns verbessern und wenn wir Versuche aufbauen, dass sie dann wissen, wie es weitergehen könnte und was die Grundlagen sind."
... fügt Physiklehrer Werner Stetzenbach an. Er bedauert, dass man die kindliche Fähigkeit, originelle Fragestellungen zu entwickeln, lange hat brach liegen lassen. Und zwar nicht, weil Erzieherinnen kein Interesse an Naturwissenschaften hätten, meint Elke Holford, Leiterin eines katholischen Kindergartens in der Südpfalz, sondern...
"... weil einfach die Methodik-Didaktik fehlt, weil man das in der Ausbildung eben nicht gelernt hat. Man hat vielleicht in Spielerziehung gelernt, wie man Kreisspiele macht oder Bewegungserziehung, Musik , Kunst - das hat man alles gelernt, aber die Bereiche Mathematik, Physik sind die ganzen Jahre zu kurz gekommen."
Der Nachholbedarf auf diesem Gebiet trifft zusammen mit anderen neuen Anforderungen an Kindergärten. In Rheinland-Pfalz öffnen sie sich nun für Zweijährige – auch um den Geburtenrückgang abzufangen und Arbeitsplätze zu sichern. Im evangelischen Kindergarten Betzenberg in Kaiserslautern sind die ersten 13 für September angemeldet. Doch noch fehlt ein Konzept. Wir sind etwas hilflos, sagt Margitta Scheffler:
"Wir arbeiten offen und sind eine recht große Einrichtung mit 100 Kindern, und die Zweijährigen - die brauchen ja doch ein Nest, dieses Geborgensein – ich habe ein bisschen Angst, das die untergehen."
Zwei Millionen Euro stellt das Land jährlich für Fortbildung von Erzieherinnen bereit, um für die neuen Herausforderungen zu qualifizieren – sei es die Integration Zweijähriger oder eine intensivere Sprachförderung. Doch an den Grundproblemen der frühkindlichen Bildung in Deutschland ändert das Programm "Zukunftschance Kinder" wenig, daran nämlich, dass eine Erzieherin für zu viele Kinder zuständig ist und die Kindergärten im internationalen Vergleich unterfinanziert sind.
"Es geht ja auch um eine erhöhte Anforderung an die Zusammenarbeit mit Eltern beispielsweise, es geht um eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Grundschule. Alles das ist ja mit diesem Programm gewollt, und es wird zu wenig jetzt noch investiert in die direkte Struktur in den Kindergärten, also mehr Personal, mehr Zeit."
Dennoch hält die Berliner Soziologin Christa Preissing das rheinland-pfälzische Programm für richtungsweisend. Und Bert Rürup, Vorsitzender des "Rats der Wirtschaftsweisen" fordert, das beitragsfreie letzte Kindergartenjahr auf ganz Deutschland auszudehnen und als eine Art Vorschule verpflichtend zu machen. Im Kindergarten, so Rürup, werde soziale Benachteiligung besonders effizient ausgeglichen.
Das Interview zum Thema "Unterqualifiziert und überfordert - Erzieherinnen brauchen eine bessere Ausbildung" mit Prof. Wassilios Fthenakis vom Staatsinstitut für Frühpädagogik München können Sie in der rechten Spalte als Audio hören.
Service:
Der Bildungskongress "Zukunftschance Kinder - Bildung von Anfang an" tagt am 18. und 19. Juli 2005 in Mainz.