Physikerin Friederike Otto

Die Hitze von 2018 war der Klimawandel

08:04 Minuten
14.08.2018, Brandenburg, Jacobsdorf: Am Rande eines Maisfeldes stehen verkümmerte Pflanzen, die keine Kolben gebildet haben. Unter der anhaltenden Trockenheit leiden besonders die Maispflanzen. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB | Verwendung weltweit
Extreme Hitze und Trockenheit: Der Sommer 2018 in Deutschland war für die Physikerin Friederike Otto kein normales Wetterphänomen. © dpa / Pleul
Friederike Otto im Gespräch mit Ute Welty |
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Sturm, Starkregen, Hitzewellen - welche extremen Wetterlagen sind auf den Klimawandel zurückzuführen? Mit Modellen und Simulationen bestimmt die Physikerin Friederike Otto, welchen Anteil der Klimawandel an konkreten Wetterereignissen hat.
Ist das noch normal oder schon Klimawandel? Diese Frage taucht automatisch auf, wenn wieder einmal Starkregen, Hitzewellen oder andere Extremereignisse unser Wetter bestimmen.
"Meistens war bisher die Antwort, dass man das für einzelne Ereignisse nicht sagen kann", so Friederike Otto. "Oder die Antwort war: Naja, wir leben in einem sich verändernden Klima, natürlich spielt der Klimawandel eine Rolle, was auch trivialerweise richtig ist."

Wie oft sind Hitzewellen zu erwarten?

Aber natürlich ist das keine sonderlich befriedigende Antwort. Dass es sehr wohl möglich ist, den Anteil zu bestimmen, den der Klimawandel an konkreten Wetterereignissen hat, beansprucht die sogenannte Zuordnungswissenschaft ("Attribution Science"). Der Forschungszweig wurde von der jungen Physikerin vom Environmental Change Institute in Oxford vor einigen Jahren mitbegründet.
So bestimmt die Zuordnungswissenschaft die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Extremwetterereignis auftritt, in Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren:
"Das kann zum Beispiel sein, dass eine Hitzewelle im heutigen Klima ungefähr alle fünf Jahre zu erwarten ist", erklärt Otto. "Und dann fragen wir: Was ist die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten exakt des gleichen Ereignisses in einer Welt, wie sie ohne den Klimawandel gewesen wäre?" Da käme dann beispielsweise heraus, dass damit alle 40 Jahre zu rechnen wäre. "Und weil der einzige Unterschied zwischen diesen beiden Welten die menschengemachten Treibhausgase sind, können wir eben diese Verschiebung der Wahrscheinlichkeit dem Klimawandel zuordnen."
Starke Brandungswellen schlagen am 18.9.2003 an die Küste von Avalon (US-Bundesstaat New Jersey). Der gefürchtete Wirbelsturm "Isabel" hat am 18.9. die amerikanische Ostküste erreicht.
Noch keine passenden Analysemodelle vorhanden: Der Hurrikan "Isabel" erreicht im September 2009 die US-Ostküste.© picture alliance / Mihalek
Aufgrund dieser Analysen hat Otto eine klare Antwort auf die Frage, wie die Hitzewelle des Sommers 2018 einzuordnen sei. "Das ist Klimawandel", betont sie.
Nicht für alle Arten von Extremwetterereignissen hat die Zuordnungswissenschaft bisher gute Analysemodelle entwickelt, sagt die Physikerin. Während man bei Hitzewellen oder extremen Regenfällen weit fortgeschritten sei, sei man bei anderen Wetterereignissen wie etwa Hurrikans noch nicht so weit.
Kompliziert ist die Analyse vor allem deshalb, weil der Klimawandel das Wetter auf zwei unterschiedliche Arten beeinflussen kann: zum einen über die Thermodynamik, zum anderen durch einen Zirkulationseffekt.

Effekte des Klimawandels können sich gegenseitig aufheben

So sorgt die Thermodynamik dafür, dass die Atmosphäre wärmer ist. Das erhöhe nicht nur die Wahrscheinlicheit für Hitzewellen, sondern führe auch dazu, dass die Atmosphäre mehr Wasserdampf aufnehmen könne. "Der muss als Regen wieder runterkommen, das heißt, im globalen Mittel haben wir mehr Extremregenfälle."
Der Zirkulationseffekt hingegen bestimmt das Tempo und die Dynamik, mit der sich Wettersysteme entwickeln und wie sie ziehen. "Dieser Effekt ist nicht überall gleich, sondern sehr unterschiedlich in Teilen der Welt", betont die Physikerin.
Und je nachdem, ob sich Thermodynamik und dynamischer Effekt wechselseitig verstärken oder aufheben, kommt es Otto zufolge zu unterschiedlichen Wetterereignissen. Eine Verstärkung sehe man zum Beispiel im Mittelmeerraum: "Da hat man mehr Hitzewellen aufgrund der Thermodynamik, aber auch der andere Effekt, der Zirkulationseffekt führt dazu, dass die Hitzewellen noch sehr viel heißer sind, als es aufgrund der Thermodynamik allein wäre."
Anders etwa bei Dürren in Brasilien: Hier sehe man, "dass diese Effekte in entgegengesetzte Richtungen wirken und sich die Wahrscheinlichkeit für Dürren gar nicht ändert".

Friederike Otto: "Wütendes Wetter"
Ullstein, Berlin 2019
240 Seiten, 18 Euro

(uko)
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