Pianist Aeham Ahmad

Musik zwischen zerbombten Häusern

Der syrisch-palästinensische Pianist Aeham Ahmad spielt in Yarmouk, einem Flüchtlingslager in Damaskus
Der syrisch-palästinensische Pianist Aeham Ahmad spielt in Yarmouk, einem Flüchtlingslager in Damaskus © Niraz Saied
Volker Michael im Gespräch mit Olga Hochweis |
Aeham Ahmad erhält am Freitag in Bonn den von einer Musikerinitiative vergebenen Internationalen Beethovenpreis. Bekannte wurde der syrisch-palästinensische Musiker vor allem, weil er mit seinem Klavier auf den Straßen der zerbombten syrischen Hauptstadt spielte.
Diese Bilder sehen abstrus aus: Da sitzt ein junger Mann an einem Klavier, spielt mit einem heftigen nervösen Anschlag Musik und singt, begleitet von einigen Mädchen, arabische Lieder - die Umgebung wirkt apokalyptisch, zerbombte Häuser, abgerissene Vorhänge, zerschossene Rolläden, Schutt und Staub allerorten, zerborstene Wasser- und Stromleitungen quer über den Straßen.
Ort des Geschehens ist Yarmouk - ein Stadtteil von Damaskus. Dieser Mann am Klavier heißt Aeham Ahmad - er ist vor drei Monaten aus Syrien nach Deutschland geflohen, morgen bekommt er in Bonn einen besonderen neuen Preis verliehen, den Internationalen Beethovenpreis für Menschenrechte. Deshalb wollen wir über ihn und über die Musik des Kriegslands reden, denn das alles wird morgen in der Bonner Kunsthalle eine große Rolle spielen. Im Rahmen eines Benefizkonzerts, für das sich auch die große Pianistin Martha Argerich angesagt hat.
Bei mir ist mein Kollege Volker Michael aus unserer Musikredaktion. Sie kennen Aeham Ahmads Leben und Musik und auch einige andere Künstler, die morgen in Bonn auftreten werden. Wer ist dieser junge Mann, der da mitten im Krieg nichts anderes zu tun hat als Klavier zu spielen?
Volker Michael: Yarmouk ist die Hölle auf Erden, dort haben Menschen gelebt, 200.000 noch vor drei, vier Jahren, inzwischen halten nur noch wenige Tausende aus, Hunger Durst und Verfolgung. Es sind Palästinenser, die dort gelegt haben, sie wurden aufgerieben zwischen dem syrischen Regime und unterschiedlichen radikalen Milizen, der An-Nusra-Front und dem Daesch, dem sogenannten Islamischen Staat.
Ein Mann ist so lang er konnte durch die Straßen von Yarmouk gezogen mit seinem Klavier auf einem kleinen Wagen. Aeham Ahmad heißt er, 27 Jahre alt, und hat gesungen, vom Leben und Sterben. Bis er mit dem Tode bedroht wurde, natürlich von den Horden des Daesch. Die glauben, Musik sei etwas Sündhaftes. Sie haben Aeham Ahmad bedroht und sein Klavier verbrannt. Zum Schweigen haben sie ihn nicht gebracht, doch ihn in die Flucht getrieben. Wie viele andere Tausende ist er über Griechenland und die Balkanroute nach Deutschland gekommen. Allein, seine Frau und die beiden kleinen Söhne hat er bei seinen Eltern in Damaskus zurückgelassen. Im Netz gibt es ganz viele Dokumente, die zeigen und hören lassen, wie Aeham Ahmad Musik gemacht hat, auf einem Instrument, das wie ein Kneipenklavier klingt, das ihm aber doch ganz lieb und teuer war.
Olga Hochweis: Morgen wird dieser Mann, der syrische Pianist und Sänger Aeham Ahmad in Bonn mit einem neu gestifteten Preis ausgezeichnet, mit dem Internationalen Beethovenpreis für Menschenrechte. Das wird in einem Benefizkonzert in der Bundeskunsthalle geschehen. Deutschlandradio Kultur ist Mitveranstalter, wir zeichnen das Konzert auf und senden es am kommenden Sonntag um 21 Uhr. Wer wird noch dort auftreten außer Martha Argerich und natürlich Aeham Ahmad selbst? Sicher spielt die syrische Musik auch eine Rolle?
Volker Michael: Natürlich, und auch die deutschen Musiker, die dort auftreten wie der Bonner Cellist Christian Brunnert oder die ebenfalls aus Bonn stammende Pianistin Luisa Imorde, engagieren sich für die Verfolgten und Schutzsuchenden. Luisa zum Beispiel arbeitet seit Monaten neben ihrem Klavierstudium ehrenamtlich bei der Betreuung der Ankommenden in Salzburg. Wer wird noch spielen - Karim Said zum Beispiel - ein junges Talent aus einer jordanisch-palästinensischen Familie, eine direkter Schüler von Daniel Barenboim ist er. Und zwei wunderbare syrische Musiker, die schon in unserem Programm mehrfach zu hören waren, meistens im Rahmen des Morgenlandfestivals in Osnabrück. Ibrahim Keivo zum einen, ein Sänger und Musiker aus Nordostsyrien, zu ihm später mehr, und der Klarinettist Kinan Azmeh. Er ist wirklich ein toller Solist, der in allen Genres zu Haus ist. Er spielt Mozart oder Brahms genauso wie seine eigene Musik, eine Art orientalischem Jazz. Er erzählt mit seinen Stücken immer auch etwas von der syrischen Misere. Er wohnt seit Jahren schon in New York, aber seit dem Krieg kann er nicht mehr nach Haus nach Damaskus. Von diesem Heimatverlust erzählt zum Beispiel November 22nd - das war einmal ein Thanksgiving-Tag, da fühlte er sich eigentlich wohl, merkte dass er eine zweite Heimat gefunden hatte, in diesem Moment wurde ihm in Amerika aber auch bewusst, wie weit weg die syrische Heimat war, und wie zerstört sie jetzt ist.
Olga Hochweis: Der syrische Klarinettist Kinan Azmeh mit seinem Trio "Hewar" und dem Morgenland Chamber Orchestra - in einer Aufnahme von 2011. Das war ein Ausschnitt aus seinem Stück "November 22nd". Er wird morgen in Bonn beim Benefizkonzert in der Bundeskunsthalle spielen, Klassisches und Eigenes, und dann wird auch die ganze Bandbreite syrischer traditioneller Musik aufscheinen in diesem Konzert - mit den Kriegsflüchtlingen kommen halt viele Musiker zu uns.
Volker Michael: Oh, ja, bestausgebildete wie ein Cellist, den ich neulich getroffen habe, er war Professor am Konservatorium in Damaskus, hat in Moskau studiert, er wartet jetzt in Berlin auf seine Anerkennung als Flüchtling. Musik in Syrien - es gibt vielleicht nicht viele Musiker, die gegen den Krieg ansingen wie Aeham Ahmad es lange versucht hat - morgen in Bonn wird ein weiterer syrischer Musiker auftreten, aus einer ganz anderen Region als Aeham Ahmad, mit einem komplett anderen kulturellen Hintergrund, der aber dafür steht, welchen kulturellen Reichtum dieses Syrien und die ganze Region einst besaßen. Dieser Reichtum wird ja schon seit Jahrzehnten vernichtet. Ibrahim Keivo ist Sänger, Musiker, er sammelte Lieder in allen Sprachen von Aramäisch, über Kurdisch, alle möglichen arabischen Hoch- und Umgangssprachen bis hin zu seiner eigenen Muttersprache Armenisch - ja und da schließt sich der Kreis an nicht enden wollenden Grausamkeiten und Gedenktagen. Aeham Ahmad und Ibrahim Keivo - beide haben in Deutschland Schutz gefunden als Kriegsflüchtlinge, beide sind Musiker, die ums Überleben ihrer Musik gekämpft haben, und beide sind Vertriebene in der dritten-vierten Generation, der eine als Palästinenser, der andere als Armenier, da muss ich nicht groß erklären, was das auch mit der deutschen Geschichte zu tun hat? Beide haben in Syrien gelebt. Und sind jetzt hier und erzählen mit ihrer Musik, was war, was geschieht und welche Hoffnungen sie haben. Ibrahim Keivo ist quasi ein Schüler von solchen Musikern wie Béla Bartók. Denn er ist durch die Dörfer in Syrien gefahren und hat alte Lieder gesammelt, aufgeschrieben und einstudiert. Ibrahim ist ein wandelndes Museum, bei der UNESCO würde man sagen, ein immatrielles Weltkulturerbe. Bashir al-Assads Truppen, die vielen Terrorbanden, die sich islamisch nennen, die vielen ausländischen Bomber - sie alle zerstören dieses Land, die Jahrtausende alte Kultur. Doch in der Musik lebt ein wenig davon weiter - diesen Reichtum sollten wir uns vergegenwärtigen, der mit solchen Menschen wie Ibrahim Keivo oder auch Aeham Ahmad zu uns gekommen ist.
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