Literaturtipp:
Irmgard Knechtges-Obrecht: "Clara Schumann. Ein Leben für die Musik"
Verlag: wbg Theiss, Darmstadt 2019
256 Seiten, 25,00 Euro
Zwischen Selbstbestimmung und Ergebenheit
28:36 Minuten
Sie war die wohl bedeutendste Pianistin ihrer Zeit und eine exzellente Komponistin. Hin- und hergerissen zwischen gesellschaftlichen Zwängen und ihrer Karriere führte Clara Schumann ein aufreibendes Leben.
"Den Neujahrskuss lass Dir geben, mein geliebter Robert! Mit welchen Gefühlen ich das neue Jahr betrete, kann ich Dir nicht sagen, es sind Freudige, aber auch Ernste. Ich soll Dir nun bald ganz gehören, das erregt mich freudig, mein ganzes Lebensglück liegt dann aber auch in Deiner Hand. Ein unbegrenztes Vertrauen habe ich zu Dir, Du wirst mich ganz beglücken, aber auch ich will Dir immer von ganzer Seele ergeben sein, mein ganzes Sinnen und Trachten ist ja Dein Glück. Gib mir Deine Hand, mein Robert, treu will ich mit Dir durchs Leben gehen. Alles mit Dir teilen, und kann ich es, Dir auch eine gute Hausfrau sein."
Die Liebe ihres Lebens
Diese Zeilen sandte Clara Wieck am 1. Januar 1840 an ihren zukünftigen Gatten Robert Schumann. Für beide, für Clara, die heute vor 200 Jahren geboren wurde, und den neun Jahre älteren Robert, war es die Liebe ihres Lebens. Am 12. September 1840, einen Tag vor Claras 21. Geburtstag, heirateten sie gegen den erklärten Willen des Brautvaters Friedrich Wieck, der seinen heftigen Widerstand bis zuletzt nicht aufgegeben hatte und auch anschließend noch versuchte, ihnen mit Intrigen und Schmähungen zu schaden. Im harten Kampf mit dem Vater erwies sich Clara als selbstbestimmt, doch wenn sie ihrem Robert eine gute Hausfrau sein will, klingt das auch nach Ergebenheit und dem seinerzeit gängigen Rollenverständnis. Die Schumann-Forscherin und Buchautorin Irmgard Knechtges-Obrecht rückt diesen Eindruck allerdings zurecht.
An seiner Tochter biss sich Friedrich Wieck die Zähne aus. Nicht nur, dass er massive Vorbehalte gegen Robert Schumann hegte und ihn in der gerichtlichen Auseinandersetzung um die Heirat als Trunksüchtigen und Versager diffamierte, sondern er sah durch Claras Heirat seine eigenen, von langer Hand verfolgten Pläne mit ihr gefährdet. Doch Robert unterstrich, dass auch Clara ihrer Berufung nachgehen soll – auch weil seine eigene Pianistenkarriere durch eine Sehnenschädigung früh beendet und er in ihr eine phänomenale Botschafterin seiner Werke sah. Er ermutigte Clara auch zu komponieren.
Schon zu Lebzeiten wurden etliche Werke von Clara Schumann gedruckt. Besonders wichtig wurden Lieder für sie, obwohl sie sich gegen Textvertonungen anfangs am meisten sträubte – trotz Roberts Zuspruch, der sie 1840, als er selbst viele Lieder schrieb, dazu animierte. Neben den Liedern und dem Klaviertrio entstanden vor allem Solostücke für Klavier und ein frühes Klavierkonzert, das später Einfluss auf einen berühmten Komponisten ausübte, der Clara Schumann sehr verbunden war.
Clara Schumann und Johannes Brahms
Das Verhältnis von Clara Schumann und Johannes Brahms hat die Fantasie immer wieder angeregt. Fest steht, dass der 14 Jahre jüngere Brahms, als er sich den Schumanns 1853 in Düsseldorf vorstellte, sofort fasziniert von Clara war. Es entwickelte sich eine innige Freundschaft, die über Robert Schumanns Krankheit und seinen Tod 1856 hinaus, trotz zwischenzeitlicher Verstimmungen, bis zu Claras eigenem Tod 1896 anhielt. Alles Weitere ist und bleibt jedoch Spekulation.
Nach Robert Schumanns Tod sollte Clara Schumann noch vier Jahrzehnte vor sich haben, wogegen die 16 Jahre währende Ehe mit Robert kurz anmutet – wenngleich diese Phase mit allen Höhen und Tiefen höchst bedeutsam für sie war. Nun galt es, die Prioritäten zu verschieben. Ihre grandiose Karriere als Konzertpianistin setzte sie intensiv fort, während sie sich vom Schöpferischen verabschiedete.
Immer wieder ging Clara Schumann auf Konzertreisen, doch in späteren Jahren wurde ihr dieses Leben zur Belastung. Gesundheitliche Probleme, besonders rheumatische Beschwerden im Schulter-Armbereich, erschwerten ihr zunehmend das Spielen, was einer der Gründe war, dass sie 1878 nach reiflicher Überlegung eine ihr mit Nachdruck angebotene Klavierprofessur am neu gegründeten Hoch‘schen Konservatorium in Frankfurt am Main antrat. Bescherten ihre Konzerte ihr immer größere Erfolge und zahlreiche Ehrungen, so untermauerte sie mit ihrem fast 14-jährigen Wirken in Frankfurt ihren Einfluss auf die Nachwelt.