Picasso ins rechte Bild gerückt
Picasso malte nicht nur gern, er ließ sich auch gern fotografieren. Kaum ein Künstler dürfte so oft und von so vielen berühmten Fotografen abgelichtet worden sein. 250 Porträts versammelt die Ausstellung "Ichundichundich" im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe.
Er und er und er und er!
Picasso als junger Bohemien in Paris. Picasso im Atelier. Picasso beim Frühstück. Picasso an der Seite schöner Frauen. Picasso als Clown. Picasso versteckt hinter einer Maske. - Picasso-Porträts aus über 50 Jahren versammelt die Ausstellung. Doch, beteuert Kuratorin Esther Ruelfs, es soll um mehr gehen, als um eine reine Ansammlung von Picasso-Bildnissen:
"Es sind eigentlich drei Geschichten, die erzählt werden. Zum einen ist es das Leben Picassos, das man anhand der Bilder nacherleben kann. Die Orte, an denen er gearbeitet hat, wo seine Kunst entstanden ist. Die Menschen, mit denen er sich umgeben hat. Zum anderen ist es die Selbstinszenierung Picassos, die zum Thema gemacht wird in der Ausstellung. Und zum dritten sind es die Fotografen, die natürlich ganz unterschiedliche Blicke auf Picasso geworfen haben."
Die frühesten Aufnahmen stammen von Künstlerfreunden wie Jean Cocteau oder Man Ray. Und der, der da auf Fotos von 1916 - als bereits 35-Jähriger - zwischen Modigliani und anderen Künstlern der Avantgarde zu sehen ist, ist noch weit entfernt vom "typischen" Picasso: Bis in die 40er-Jahre trug er stets einen Anzug, sowie lange, dünne, korrekt gescheitelte Haare.
Doch je berühmter der Maler wurde, desto mehr wurde er für die Medien zu einem Objekt der Begierde:
"Schon in den 30er-Jahren schafft Brassai eine Serie von Fotografien, wo er ins Atelier zu Picasso geht und die dann auch 1933 als Bildreportage erscheint. Und das ist natürlich ein privilegierter Blick, den man da auf Picasso hat - oder auf jeden Künstler, den man im Atelier besucht. Und das war natürlich etwas, was die Menschen interessiert hat, ein Blick hinter die Kulissen zu werfen."
Fortan nutzte Picasso die Fotografie zur Selbstvermarktung, bediente geschickt den Hang zum Voyeurismus. Als er in den 50er-Jahren nach Südfrankreich zog, lud er immer wieder Fotografen dorthin ein. Sie durften eine Zeit lang bei ihm wohnen und ihn und seine Familie fotografieren.
Damals schufen Edward Quinn, Douglas Duncan und Robert Otero all die Bilder, die man bis heute kennt, und die auch den Schwerpunkt der Ausstellung bilden: Picasso präsentiert sich in Arbeits- oder Freizeitkleidung, die Haare kurz geschoren, energiegeladen. So sitzt er mit Françoise am Frühstückstisch, so hält er ihr am Strand den Sonnenschirm, schiebt den Kinderwagen am Meer entlang, tänzelt durch sein Atelier, mimt den Stierkämpfer.
"Er erscheint eigentlich in allen Bildern als so ein ganz kraftstrotzender und sehr tatkräftiger Künstler. Er hat eine ganz starke körperliche Präsenz. Er wird auch ganz häufig monolithisch ins Bild gesetzt. Um ihn herum passiert eigentlich kaum was. Er ist nie der kränkelnde, grübelnde, an sich selbst zweifelnde Künstler. Das wären ja auch Bilder, die durchaus bestimmte Künstler von sich zeichnen würden."
Picasso setzte stattdessen immer noch einen drauf - als wolle er testen, wie weit die Fotografen mitspielen würden: Man sieht ihn als Popey, als Indianer, bei der Akupunktur, in der Badewanne. Und: Die Fotografen nahmen alles mit, was nach "Privatem" aussah. Dabei dürfte dem Künstler sehr bewusst gewesen sein, was er zeigte und was nicht. Sein oft abgrundtief ironischer Blick erzählt davon.
Dass die Fotografen sich trotz dieses Blicks trauten, immer wieder den Auslöser zu drücken, zum hundertsten Mal Picasso rauchend, Picasso im Garten, Picasso an einer Hauswand lehnend, die Hände von Picasso zu zeigen, wirkt fast peinlich. Doch nur wenige Fotografen durchbrachen die Vorgaben des Künstlers. Esther Ruelfs:
"Das macht ihn vielleicht ein bisschen zu einem Zeitgenossen: Dass es eben auch ein extremes Bewusstsein über dieses Inszenieren des Privaten gibt. Das ist natürlich immer auch so ein Spiel zwischen dem Fotografen und demjenigen, der porträtiert wird, und der Vorstellung, wie jemand ins Bild gesetzt werden möchte, und wie der Fotograf die bestimmen kann. Und ich glaube, die Qualität der Fotografen wird auch daran so ein bisschen deutlich, wie sie sich gegen Picasso durchsetzen konnten."
Einem, dem das gelang, war Irving Penn. Er ignorierte Picassos Verkleidung als Stierkämpfer, konzentrierte sich ganz auf sein Gesicht - legte eine Hälfte in den Schatten, lenkte so den Blick auf die andere Hälfte, und dort auf das, was einen klarsichtigen Künstler ausmacht: das Auge.
Doch leider dominieren in der Ausstellung die vermeintlichen Alltagsbilder. Und die beginnen irgendwann ziemlich zu nerven, bedient die Auswahl doch eben den Voyeurismus, den einst schon die Fotografen bedienten. Auch wird der politische Picasso einfach ausgeblendet: Der, der Stellung bezog gegen den Spanischen Bürgerkrieg, von deutschen Besatzern Ausstellungsverbot erhielt, 1944 in die kommunistische Partei eintrat und 1949 für den Weltfriedenskongress die Friedenstaube entwarf, die zu einem weltweit bekannten Symbol wurde.
"Die Abteilung ist zugegebenerweise etwas kleiner, als sie sein könnte …"
Sie umfasst genau drei Bilder - von über 250.
Selbst wenn diese Ausstellung vor allem die Aufgabe hat, als Ko-Produktion Kosten zu sparen und mithilfe der Marke "Picasso" das Haus über die Sommermonate zu füllen - so gefällig muss sie nicht daherkommen.
Service:
Die Ausstellung "Ichundichundich" über Pablo Picasso ist bis 21. Oktober 2012 im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen.
Picasso als junger Bohemien in Paris. Picasso im Atelier. Picasso beim Frühstück. Picasso an der Seite schöner Frauen. Picasso als Clown. Picasso versteckt hinter einer Maske. - Picasso-Porträts aus über 50 Jahren versammelt die Ausstellung. Doch, beteuert Kuratorin Esther Ruelfs, es soll um mehr gehen, als um eine reine Ansammlung von Picasso-Bildnissen:
"Es sind eigentlich drei Geschichten, die erzählt werden. Zum einen ist es das Leben Picassos, das man anhand der Bilder nacherleben kann. Die Orte, an denen er gearbeitet hat, wo seine Kunst entstanden ist. Die Menschen, mit denen er sich umgeben hat. Zum anderen ist es die Selbstinszenierung Picassos, die zum Thema gemacht wird in der Ausstellung. Und zum dritten sind es die Fotografen, die natürlich ganz unterschiedliche Blicke auf Picasso geworfen haben."
Die frühesten Aufnahmen stammen von Künstlerfreunden wie Jean Cocteau oder Man Ray. Und der, der da auf Fotos von 1916 - als bereits 35-Jähriger - zwischen Modigliani und anderen Künstlern der Avantgarde zu sehen ist, ist noch weit entfernt vom "typischen" Picasso: Bis in die 40er-Jahre trug er stets einen Anzug, sowie lange, dünne, korrekt gescheitelte Haare.
Doch je berühmter der Maler wurde, desto mehr wurde er für die Medien zu einem Objekt der Begierde:
"Schon in den 30er-Jahren schafft Brassai eine Serie von Fotografien, wo er ins Atelier zu Picasso geht und die dann auch 1933 als Bildreportage erscheint. Und das ist natürlich ein privilegierter Blick, den man da auf Picasso hat - oder auf jeden Künstler, den man im Atelier besucht. Und das war natürlich etwas, was die Menschen interessiert hat, ein Blick hinter die Kulissen zu werfen."
Fortan nutzte Picasso die Fotografie zur Selbstvermarktung, bediente geschickt den Hang zum Voyeurismus. Als er in den 50er-Jahren nach Südfrankreich zog, lud er immer wieder Fotografen dorthin ein. Sie durften eine Zeit lang bei ihm wohnen und ihn und seine Familie fotografieren.
Damals schufen Edward Quinn, Douglas Duncan und Robert Otero all die Bilder, die man bis heute kennt, und die auch den Schwerpunkt der Ausstellung bilden: Picasso präsentiert sich in Arbeits- oder Freizeitkleidung, die Haare kurz geschoren, energiegeladen. So sitzt er mit Françoise am Frühstückstisch, so hält er ihr am Strand den Sonnenschirm, schiebt den Kinderwagen am Meer entlang, tänzelt durch sein Atelier, mimt den Stierkämpfer.
"Er erscheint eigentlich in allen Bildern als so ein ganz kraftstrotzender und sehr tatkräftiger Künstler. Er hat eine ganz starke körperliche Präsenz. Er wird auch ganz häufig monolithisch ins Bild gesetzt. Um ihn herum passiert eigentlich kaum was. Er ist nie der kränkelnde, grübelnde, an sich selbst zweifelnde Künstler. Das wären ja auch Bilder, die durchaus bestimmte Künstler von sich zeichnen würden."
Picasso setzte stattdessen immer noch einen drauf - als wolle er testen, wie weit die Fotografen mitspielen würden: Man sieht ihn als Popey, als Indianer, bei der Akupunktur, in der Badewanne. Und: Die Fotografen nahmen alles mit, was nach "Privatem" aussah. Dabei dürfte dem Künstler sehr bewusst gewesen sein, was er zeigte und was nicht. Sein oft abgrundtief ironischer Blick erzählt davon.
Dass die Fotografen sich trotz dieses Blicks trauten, immer wieder den Auslöser zu drücken, zum hundertsten Mal Picasso rauchend, Picasso im Garten, Picasso an einer Hauswand lehnend, die Hände von Picasso zu zeigen, wirkt fast peinlich. Doch nur wenige Fotografen durchbrachen die Vorgaben des Künstlers. Esther Ruelfs:
"Das macht ihn vielleicht ein bisschen zu einem Zeitgenossen: Dass es eben auch ein extremes Bewusstsein über dieses Inszenieren des Privaten gibt. Das ist natürlich immer auch so ein Spiel zwischen dem Fotografen und demjenigen, der porträtiert wird, und der Vorstellung, wie jemand ins Bild gesetzt werden möchte, und wie der Fotograf die bestimmen kann. Und ich glaube, die Qualität der Fotografen wird auch daran so ein bisschen deutlich, wie sie sich gegen Picasso durchsetzen konnten."
Einem, dem das gelang, war Irving Penn. Er ignorierte Picassos Verkleidung als Stierkämpfer, konzentrierte sich ganz auf sein Gesicht - legte eine Hälfte in den Schatten, lenkte so den Blick auf die andere Hälfte, und dort auf das, was einen klarsichtigen Künstler ausmacht: das Auge.
Doch leider dominieren in der Ausstellung die vermeintlichen Alltagsbilder. Und die beginnen irgendwann ziemlich zu nerven, bedient die Auswahl doch eben den Voyeurismus, den einst schon die Fotografen bedienten. Auch wird der politische Picasso einfach ausgeblendet: Der, der Stellung bezog gegen den Spanischen Bürgerkrieg, von deutschen Besatzern Ausstellungsverbot erhielt, 1944 in die kommunistische Partei eintrat und 1949 für den Weltfriedenskongress die Friedenstaube entwarf, die zu einem weltweit bekannten Symbol wurde.
"Die Abteilung ist zugegebenerweise etwas kleiner, als sie sein könnte …"
Sie umfasst genau drei Bilder - von über 250.
Selbst wenn diese Ausstellung vor allem die Aufgabe hat, als Ko-Produktion Kosten zu sparen und mithilfe der Marke "Picasso" das Haus über die Sommermonate zu füllen - so gefällig muss sie nicht daherkommen.
Service:
Die Ausstellung "Ichundichundich" über Pablo Picasso ist bis 21. Oktober 2012 im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen.