Picasso surreal
Pablo Picasso hat nie der surrealistischen Bewegung um André Breton angehört. Gleichwohl hatte er großen Einfluss auf sie und hat einige ihrer Bildideen vorweggenommen, wie die Ausstellung "Picasso surreal" in der Fondation Beyeler in Basel zeigt. Zu sehen sind 200 Werke aus der Zeit zwischen 1924 und 1939.
Picasso, das Jahrhundertgenie. Das Genie der Formen, wie die Franzosen sagen. Der meistausgestellte Künstler des 20. Jahrhunderts. Und zugleich der besterforschte. Und doch gibt es im "Kontinent Picasso" weiße Flecken. Die Ausstellung in der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel fördert eine solche Stelle zutage: Picassos schwieriges Verhältnis zum Surrealismus. Philippe Büttner, der Kurator der Schau:
" Die Idee ist, eine Phase in Picassos Werk im ganzen Umfang zu zeigen, die man bis jetzt fast noch nie gesehen hat. Man kennt die Werke, aber man hat sie nie als Einheit in dieser Dimension sehen können. Wir haben die Skizzenbücher, die Skulpturen, die großen Gemälde, die Kleinstudien. Es ist wirklich eine unerhörte große Ausstellung, die dieses Thema "Surrealistische Kunst von der Hand Picassos" sehr schön beleuchten kann."
Picasso hat nie der 1924 gegründeten surrealistischen Bewegung um André Breton angehört. Auch wenn er ihr freundschaftlich verbunden war. Und zusammen mit dem Dichter Guillaume Apollinaire Namensgeber für diese Kunstrichtung war. Aus der Ferne hat er sie jedoch stark beeinflusst.
Gleich der erste Raum macht das deutlich. Acht Werke aus Picassos kubistischer Zeit der 1910er Jahre hängen dort und stimmen auf die späteren Bildthemen der Surrealisten ein: zerlegte Violin- und Mandolinenspieler, Harlekine, Seiltänzer, Traumtänzer – Traumwelten, wie sie später bei den Surrealisten nicht nur als Motiv vorkommen. Philippe Büttner:
" Ganz zentral ist sein Beitrag im Kubismus. Im Kubismus hat er überhaupt erst die Dimensionen geschaffen, die es braucht. Indem er das Bild als etwas völlig Autonomes hingestellt hat, das seine eigene Realität besitzt. Und das war der Ausgangspunkt. Breton hat sich später auch auf Bilder wie "Desmoiselles d´Avignon" oder andere kubistische Bilder immer wieder bezogen. Und hat gesagt: "Das ist eigentlich der Beginn dieser ganzen Geschichte". Und dann wird das dogmatisiert ab 1924. Aber diese Bilder sind immer noch bekannt. Man bildet sie ab. Die Surrealisten bilden sie ab. Und sehr viele Werke von Picasso wurden abgebildet in den surrealistischen Publikationen. Das war sozusagen ständig ein Gegenstand der Bewunderung, auch der Auseinandersetzung.""
Picasso, der selber ein zu großes und eigenständiges Genie war, hat sich dem dogmatischen Breton klugerweise immer ferngehalten. Und so Konfrontationen vermieden. Die Zeit, um über Manifeste und Formulierungen zu streiten, war Picasso zu schade. Er wollte schaffen, nicht debattieren. Philippe Büttner:
" Er hatte mit einer Sache seine Schwierigkeiten. Wenn Breton forderte, dass die Kunst eigentlich aus dem Unterbewussten gestaltet werden sollte. Sozusagen automatisch. Das hat Picasso nie ernst nehmen können. Weil er eben gesagt hat, es ist immer Gestaltung dabei. Ich tue da nur so, als würde ich ganz frei gestalten. Er war letztlich auch – ich sage jetzt nicht intellektueller – aber ein sehr nachdenklicher Künstler. Für ihn war das keine Option. Aber er hat doch viel profitiert von den Surrealisten. Von den Auseinandersetzungen, den Gesprächen.
Und er hat sich doch auch in diesen Strudel, diese neue Bildidee mit hineinziehen lassen. Er hat sehr starken Anteil gehabt an der ganzen Entstehung des Surrealismus und durchaus auch an der Geschichte des Surrealismus selbst. Aber als Außenstehender, als riesiger Kopf, der da sozusagen mit im Dialog war, aber immer seine Distanz zu wahren wusste."
Und doch war es Picasso, der, noch bevor der Surrealismus als Bewegung entstand, die ersten "surrealistischen" Werke schuf. Verdrehte Formen, aberwitzige Physiognomien, "über-natürliche" Figuren, Traumgestalten.
" Der Kubismus, der späte Kubismus 1914 vor allem, ist Surrealismus avant la lettre, wenn man so will. Da geschehen ganz merkwürdige Dinge. Wo die Bildwirklichkeit auf ironische Weise eigentlich imitiert wird. Wo die Imitation der Wirklichkeit imitiert wird durch eine Bildwirklichkeit. Und das ist eigentlich Surrealismus. Es ist das Bild als eigene mentale Wirklichkeit. Und das hat er eigentlich geschaffen. Braque war schon noch da im Kubismus. Aber dieser Teil ist vor allem Picasso. Man kann sagen, er hat die Grundlagen geschaffen und dann hat er die Bewegung auch sehr stark geprägt."
Die Fondation Beyeler kann mit 200 allesamt großartigen Werken dieses schwierige Verhältnis Picassos zum Surrealismus eindrucksvoll belegen. Es handelt sich, wie bei der Fondation Beyeler üblich, um Leihgaben nur von allerersten Adressen: Musée Picasso in Paris, MoMA New York, Tate London, Reina Sofia Madrid, Centre Pompidou Paris, dazu die glänzende Sammlung des Kunsthändlers und Galeristen Ernst Beyeler, der in den 50er Jahren mit Picasso seine Sammlung begonnen hatte. Philippe Büttner:
" Die Werke sind von einer Qualität, das ist atemberaubend. Das ist wunderbar. Man sieht eigentlich von 1907 bis 1944 insgesamt eine Perlenkette von unerhörten Meisterwerken. Wir haben großzügig gehängt, was den Bildern sehr gut tut. Ich glaube, es wird für alle wirklich ein wunderbares Erlebnis sein, das zu entdecken und sich mit diesem Giganten Picasso auseinanderzusetzen."
Die Schau "Picasso Surreal" ist phänomenal. Sie ist die beste Ausstellung, die je in der Fondation Beyeler stattgefunden hat und sie ist eine der besten Picasso-Schauen überhaupt. Die Fondation Beyeler hat schon immer dank der exzellenten Beziehungen Ernst Beyelers in den vergangenen sieben Jahren hochkarätige Ausstellungen gezeigt, mit dieser Schau übertrifft sie dieses Niveau noch einmal. Und so ist "Picasso surreal" eine der ganz großen Ausstellungen in diesem Kunstsommer. Basel ist mal wieder eine Reise wert!
Service:
"Picasso surreal" - Ausstellung der Fondation Beyeler. Noch bis zum 12.9.2005 in Riehen bei Basel.
" Die Idee ist, eine Phase in Picassos Werk im ganzen Umfang zu zeigen, die man bis jetzt fast noch nie gesehen hat. Man kennt die Werke, aber man hat sie nie als Einheit in dieser Dimension sehen können. Wir haben die Skizzenbücher, die Skulpturen, die großen Gemälde, die Kleinstudien. Es ist wirklich eine unerhörte große Ausstellung, die dieses Thema "Surrealistische Kunst von der Hand Picassos" sehr schön beleuchten kann."
Picasso hat nie der 1924 gegründeten surrealistischen Bewegung um André Breton angehört. Auch wenn er ihr freundschaftlich verbunden war. Und zusammen mit dem Dichter Guillaume Apollinaire Namensgeber für diese Kunstrichtung war. Aus der Ferne hat er sie jedoch stark beeinflusst.
Gleich der erste Raum macht das deutlich. Acht Werke aus Picassos kubistischer Zeit der 1910er Jahre hängen dort und stimmen auf die späteren Bildthemen der Surrealisten ein: zerlegte Violin- und Mandolinenspieler, Harlekine, Seiltänzer, Traumtänzer – Traumwelten, wie sie später bei den Surrealisten nicht nur als Motiv vorkommen. Philippe Büttner:
" Ganz zentral ist sein Beitrag im Kubismus. Im Kubismus hat er überhaupt erst die Dimensionen geschaffen, die es braucht. Indem er das Bild als etwas völlig Autonomes hingestellt hat, das seine eigene Realität besitzt. Und das war der Ausgangspunkt. Breton hat sich später auch auf Bilder wie "Desmoiselles d´Avignon" oder andere kubistische Bilder immer wieder bezogen. Und hat gesagt: "Das ist eigentlich der Beginn dieser ganzen Geschichte". Und dann wird das dogmatisiert ab 1924. Aber diese Bilder sind immer noch bekannt. Man bildet sie ab. Die Surrealisten bilden sie ab. Und sehr viele Werke von Picasso wurden abgebildet in den surrealistischen Publikationen. Das war sozusagen ständig ein Gegenstand der Bewunderung, auch der Auseinandersetzung.""
Picasso, der selber ein zu großes und eigenständiges Genie war, hat sich dem dogmatischen Breton klugerweise immer ferngehalten. Und so Konfrontationen vermieden. Die Zeit, um über Manifeste und Formulierungen zu streiten, war Picasso zu schade. Er wollte schaffen, nicht debattieren. Philippe Büttner:
" Er hatte mit einer Sache seine Schwierigkeiten. Wenn Breton forderte, dass die Kunst eigentlich aus dem Unterbewussten gestaltet werden sollte. Sozusagen automatisch. Das hat Picasso nie ernst nehmen können. Weil er eben gesagt hat, es ist immer Gestaltung dabei. Ich tue da nur so, als würde ich ganz frei gestalten. Er war letztlich auch – ich sage jetzt nicht intellektueller – aber ein sehr nachdenklicher Künstler. Für ihn war das keine Option. Aber er hat doch viel profitiert von den Surrealisten. Von den Auseinandersetzungen, den Gesprächen.
Und er hat sich doch auch in diesen Strudel, diese neue Bildidee mit hineinziehen lassen. Er hat sehr starken Anteil gehabt an der ganzen Entstehung des Surrealismus und durchaus auch an der Geschichte des Surrealismus selbst. Aber als Außenstehender, als riesiger Kopf, der da sozusagen mit im Dialog war, aber immer seine Distanz zu wahren wusste."
Und doch war es Picasso, der, noch bevor der Surrealismus als Bewegung entstand, die ersten "surrealistischen" Werke schuf. Verdrehte Formen, aberwitzige Physiognomien, "über-natürliche" Figuren, Traumgestalten.
" Der Kubismus, der späte Kubismus 1914 vor allem, ist Surrealismus avant la lettre, wenn man so will. Da geschehen ganz merkwürdige Dinge. Wo die Bildwirklichkeit auf ironische Weise eigentlich imitiert wird. Wo die Imitation der Wirklichkeit imitiert wird durch eine Bildwirklichkeit. Und das ist eigentlich Surrealismus. Es ist das Bild als eigene mentale Wirklichkeit. Und das hat er eigentlich geschaffen. Braque war schon noch da im Kubismus. Aber dieser Teil ist vor allem Picasso. Man kann sagen, er hat die Grundlagen geschaffen und dann hat er die Bewegung auch sehr stark geprägt."
Die Fondation Beyeler kann mit 200 allesamt großartigen Werken dieses schwierige Verhältnis Picassos zum Surrealismus eindrucksvoll belegen. Es handelt sich, wie bei der Fondation Beyeler üblich, um Leihgaben nur von allerersten Adressen: Musée Picasso in Paris, MoMA New York, Tate London, Reina Sofia Madrid, Centre Pompidou Paris, dazu die glänzende Sammlung des Kunsthändlers und Galeristen Ernst Beyeler, der in den 50er Jahren mit Picasso seine Sammlung begonnen hatte. Philippe Büttner:
" Die Werke sind von einer Qualität, das ist atemberaubend. Das ist wunderbar. Man sieht eigentlich von 1907 bis 1944 insgesamt eine Perlenkette von unerhörten Meisterwerken. Wir haben großzügig gehängt, was den Bildern sehr gut tut. Ich glaube, es wird für alle wirklich ein wunderbares Erlebnis sein, das zu entdecken und sich mit diesem Giganten Picasso auseinanderzusetzen."
Die Schau "Picasso Surreal" ist phänomenal. Sie ist die beste Ausstellung, die je in der Fondation Beyeler stattgefunden hat und sie ist eine der besten Picasso-Schauen überhaupt. Die Fondation Beyeler hat schon immer dank der exzellenten Beziehungen Ernst Beyelers in den vergangenen sieben Jahren hochkarätige Ausstellungen gezeigt, mit dieser Schau übertrifft sie dieses Niveau noch einmal. Und so ist "Picasso surreal" eine der ganz großen Ausstellungen in diesem Kunstsommer. Basel ist mal wieder eine Reise wert!
Service:
"Picasso surreal" - Ausstellung der Fondation Beyeler. Noch bis zum 12.9.2005 in Riehen bei Basel.