"Wer kümmert sich um das Mögliche, wenn man das Unmögliche will?"
Als Komponist, Pioniergeist und Denker gehört Pierre Boulez zu den überragenden Musikern des 20. Jahrhunderts. Sein 90. Geburtstag am 26. März ist Anlass genug, um auf das umfassende Werk des Dirigenten zu blicken.
"Wer kümmert sich um das Mögliche, wenn man das Unmögliche will?" Diese ironische Frage, die Pierre Boulez einst dem Musikmäzen Paul Sacher stellte, wirkt angesichts des Boulezschen Schaffens mehrdeutig. Zunächst mag man darin die Geringschätzung des bloß Möglichen, die Verachtung der Routine, entdecken – ein utopischer Zug, der beispielhaft für das Selbstverständnis von Pierre Boulez steht. Man kann die Frage aber auch anders interpretieren: Wenn alle zu den Sternen greifen – wer sorgt dann für die Bodenhaftung?
Mit großer Geduld und Unbestechlichkeit
Zwischen diesen Polen bewegt sich der Dirigent Pierre Boulez. Eher zufällig in das Metier der musikalischen Darstellung geraten, strebt er nach größtmöglicher Genauigkeit in der Umsetzung eigener wie fremder Notentexte. Der Autodidakt prägt eine einzigartige Zeichensprache aus, die auch schwierigste Partituren in fließende Bewegungen sinnvoll umzusetzen vermag. Zugleich entwickelt der Dirigent Boulez einen – um es mit Robert Musil zu sagen – ausgesprochenen "Möglichkeitssinn": Mit großer Geduld, aber ebenso großer Unbestechlichkeit, führt er Sinfonieorchester an das Repertoire des 20. Jahrhunderts heran.
Mit großer Beharrlichkeit tritt er als Kulturpolitiker auf, der neuartigen musikalischen Institutionen den Weg bereitet – seien es Ensembles, die auf zeitgenössische Musik spezialisiert sind (etwa das Ensemble intercontemporain), seien es Institutionen zur musikalischen Forschung wie das IRCAM (Institut de Recherche et Coordination Acoustique / Musique), seien es Konzertsäle wie zuletzt die Pariser Philharmonie, oder sei es die auf Musikstudenten spezialisierte Lucerne Festival Academy.
Maßgebliches und Raritäten
Diese Sendung versucht, aus der überreichen, im Laufe von sechs Jahrzehnten entstandenen Diskographie von Pierre Boulez maßgebliche Dokumente ebenso wie rare Fundstücke zu präsentieren. Beleuchtet werden die Anfänge von Boulez als Theaterkapellmeister, wobei ein Ausschnitt aus seiner später nicht wieder veröffentlichten Debütaufnahme erklingt. Seine Arbeit mit Rundfunk-, Opern- und Konzertorchestern wird ebenso dokumentiert wie seine Pionierleistungen auf dem Gebiet der Ensemblemusik. Dabei schließt das Repertoire nicht nur einige von Boulez' Lieblingskomponisten wie Bartók, Debussy, Strawinsky und Wagner ein: Die Musikauswahl reicht vom Mittelalter über das Barockzeitalter und die Wiener Klassik bis hin zu Frank Zappa.