Pija Lindenbaum: "Wir müssen zur Arbeit"
Aus dem Schwedischen von Jana Hemer
Klett Kinderbuch, Leipzig 2021
40 Seiten, 15 Euro
Ab 4 Jahren
Schräge Perspektive
05:46 Minuten
Drei Kinder und jede Menge Abenteuer: Micky, Elin und die Erzählerin behandeln in ihrer Arztpraxis Menschen und Tiere, sie fahren Auto und füttern Wölfe. Das Buch aus der Feder der Schwedin Pija Lindenbaum ist ein schöner, schräger, bunter Spaß.
Zur Arbeit müssen "ich und Micky und Elin", drei Kinder, die im Kinderzimmer erst mal ein großes Tohuwabohu veranstalten und dann mit einem kleinen Arztkoffer bewaffnet das Haus verlassen, um wie selbstverständlich mit dem Auto in ihre Arztpraxis zu fahren. Dort behandeln sie stark schwitzende und laut weinende menschliche und tierische Patienten, operieren mit Schere und riesiger Spritze und bandagieren eine Sau komplett von oben bis unten. Literweise fließendes Blut wird in Eimern abgefüllt und den Wölfen im "Blutraum" zum Trinken gegeben.
Surreal, übertrieben und saulustig
Pija Lindenbaums "Wir müssen zur Arbeit" ist so surreal, komisch, übertrieben und saulustig, dass man sich nur verwundert die Augen reibt! Da wird mit vollem Ernst eine total absurde Geschichte erzählt, deren Witz sich unter anderem an der Diskrepanz zwischen lakonischen Text und übermütigen Bildern entzündet. Die farbige kleine Ich-Erzählerin mit Stupsnase und krausen Haaren wirkt herrlich energisch und selbstbewusst.
Die blutsaufenden Wölfe lecken sich genüsslich die Lippen. Der Bilderwitz reicht bis ins kleinste Detail: Ein Plakat mit der Anweisung "Benutz ein Taschentuch, wenn Du niest" ist mit "Die Regierung" unterschrieben und auf der Straße fahren Autos mit Nummern wie "Nein 517". Hier werden jede Menge Regeln lustvoll und unbekümmert überschritten, das Bilderbuch ist ein einziger Spaß!
Regeln werden lustvoll überschritten
Wenn die Kinder am Schluss wieder unvermittelt in ihrem Kinderzimmer landen, wird klar, dass sie sich das alles nur ausgedacht haben. Im Spiel haben sie ihre Wünsche und Ängste unmittelbar in Rollen und Geschichten umgesetzt. Lustvoll-brutal gehen sie mit ihren Patienten um, im Einkaufswagen landen nur Marshmallow-Tüten und die böse Hexe wird mutig besiegt. Und – natürlich – kann das kleine Mädchen Auto fahren! In ihrer Fantasie sind Kinder allmächtig – die kleinen Betrachter werden ihnen mit Begeisterung folgen.
Doch "Wir müssen zur Arbeit" ist nicht nur komisch erzählt und wunderbar schräg gezeichnet, die Bilder sind auch inszeniert wie kleine Bühnenbilder. Man spürt die Nähe der Autorin zu Oper, Theater und Film. Viele ihrer Geschichten wurden dramatisiert, zum Teil hat sie selbst die Kostüme entworfen.
Die Bilderwelt ist aus den Fugen geraten
Die Doppelseiten sind farblich je nach Episode unterschiedlich grundiert – das Kinderzimmer hellgelb, die Arztpraxis grün-blau, der Supermarkt rosé, der Wald tiefblau –, wodurch sofort eine eigene Atmosphäre entsteht. In vielen Szenen erzielt der Blick von oben eine ungewöhnlich schräge Perspektive, die durch bewusst "falsche" Proportionen noch betont wird. Da werden aus einer Treppe oder einem Nachttisch kubistisch-lustige Objekte. Sogar der Text mit seinen ungleich großen, wackeligen Lettern scheint aus den Fugen geraten.
Pija Lindenbaums Bilderbuch gibt sich politically correct. Zwei Mädchen, ein Junge. Die Erzählerin ist farbig. Aber diese Korrektheit kommt kein bisschen angestrengt daher, sondern locker und augenzwinkernd. Drei fantasievolle Kinder – was für ein Trio!