Pillen aus der virtuellen Apotheke

Von Michael Engel |
Wer beim Einkauf von Arzneimitteln sparen möchte, kann sich online in sogenannten "Versandapotheken" bedienen. Viele Präparate sind um 30, mitunter sogar um 50 Prozent reduziert. Vorsicht ist allerdings geboten, wenn die Versandapotheke im Ausland operiert und die Preise für Medikamente um ein Vielfaches niedriger liegen.
Immer mehr Deutsche bestellen ihre Arzneimittel online in der Versandapotheke und freuen sich über die vielen Schnäppchen. So wie Sybille Gerhard.

"Meine Tochter hat einen Nagelpilz. Und ich brauche ein bestimmtes Medikament. Wenn ich das in der Apotheke vor Ort kaufe, kostet mich das Medikament knapp 34 Euro. Wenn ich's im Internet bestelle, bezahle ich nur 15,37 Euro. Und das lohnt sich."

Magdalene Linz, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen.

"Es ist so, eine regulär agierende deutsche Versandapotheke ist genauso sicher wie eine reguläre Apotheke, denn da steht immer eine reguläre Apotheke dahinter."

Leider gilt diese durchweg positive Einschätzung nur für Deutschland.
Die meisten Arzneimittel, die per Mausklick bestellt werden, kommen aus dem Ausland. Mit dem Flugzeug. Und dann kriegen die Zöllner jede Menge Arbeit. Viele Pakete, so Wolfgang Schmitz vom Zollkriminalamt Köln, enthalten gefälschte Pillen.

"Wir haben weniger Originalpräparate, die meisten sind gefälscht. Und wir müssen aus unserer Sicht sagen: Nach allen Analysen, die da sind, alle Laboranalysen: Hände weg von dubiosen Angeboten."

Vor allem "Lifestylepräparate" überschwemmen den Online-Markt: Pillen gegen Potenzstörungen, gegen Übergewicht und Haarausfall, so Professor Harald Schweim, Pharmakologe von der Uni Bonn.

"Es ist so, dass man sagen kann, heutzutage wird alles gefälscht. Inzwischen hat uns da ein Massenmarkt erreicht. Es wird Insulin gefälscht, es werden Antibiotika gefälscht, es werden Hormonprodukte gefälscht. Die Antibabypille ist ein typisches Fälschungsprodukt."

50 Prozent der im Internet angebotenen Medikamente entsprechen nicht dem Original. Die Hersteller operieren in Asien, die Händler in Europa. Vor allem in Groß Britannien, Holland, Island und Tschechien. Dr. Mona Tawab vom Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker.

"Also im besten Fall kann man sagen sind die Tabletten wirkungslos. Wenn man Glück hat, ist da nur Traubenzucker drin. Das Problem ist aber, wir wissen gar nicht, was in diesen Tabletten alles enthalten ist. Es können Verunreinigungen drin sein. Es können Schwermetalle drin sein, und die können wirklich zum Tod führen.

Oder wir haben eine erhöhte Dosis des Wirkstoffes, da hat man mit versteckten Nebenwirkungen zu rechnen. Es kann zu Herzrasen kommen, und auch das kann zum Tod führen. Also ich übertreibe hier keineswegs wenn ich sage, dass diese Qualitativ minderwertigen Arzneimittel tatsächlich ein Todesrisiko mit sich tragen."
Vor allem dann, wenn die Pillen aus asiatischen Hinterhof-Fabriken stammen – hergestellt nicht selten im Betonmischer. Mehr und mehr nutzen die Arzneimittelfälscher aber auch professionelle Methoden. Denn die Gewinnspannen sind enorm: Bei Potenzmitteln kann die Marge das 1600-fache betragen.

Die Abgabe von Arzneimitteln, die klinisch weder geprüft noch zugelassen wurden, ist in Deutschland verboten, um Patienten vor gefährlichen Nebenwirkungen schützen. Kriminelle Arzneimittelfälscher tarnen sich deshalb im Internet, präsentieren sich als normale Versandapotheke.

"Ein normaler Verbraucher hat überhaupt keine Chance eine seriöse Internetseite von einer unseriösen zu unterscheiden. Und viele dieser Internetseiten sind jetzt auch in deutscher Sprache. Und mittlerweile ist es auch so, dass es sehr, sehr viele Vermittler gibt jetzt in dem EU-Raum und auch in Deutschland, die dann diese Arzneimittelfälschungen verschicken."

Ein extrem niedriger Preis sollte den Verbraucher aber schon hellhörig machen. Potenzmittel zum Beispiel kosten in der Vor-Ort-Apotheke rund 14 Euro pro Tablette. Gefälscht im Internet dagegen nur zwei Euro.

"Das ist sicherlich auch ein Problem, dass der niedrige Preis dann ebenfalls ein Anreiz ist, aber genau das sollte einem auch zu denken geben, dass für diesen niedrigen Preis vermutlich kein ordnungsgemäß produziertes Arzneimittel zu bekommen ist. Und auch das muss eben auch immer wieder der Bevölkerung deutlich gemacht werden, dass man auch da kritisch sein sollte."
Auch wenn verordnungspflichtige Medikamente ohne Rezept bestellt werden können, geht es nicht mit rechten Dingen zu. Auch dann steckt in der Regel eine Fälscherbande dahinter. Kriminalhauptkommissar Volker Kluwe vom niedersächsischen Landeskriminalamt.

"Das Arzneimittelrecht ist darauf ausgelegt, den Verbraucher zu schützen. Das heißt, der Verbraucher ist auch in unseren Augen kein Beschuldigter, kein Straftäter, sondern diejenigen, die solche Medikamente herstellen und in den Verkehr bringen. Der Besitz und auch der Konsums sind nicht strafbar."

Für die 19-jährige Schülerin aus Hannover, die mit gefälschten Pillen abnehmen wollte, kommt der Appell zu spät. Sie starb an einer Überdosis DNP - dem stärksten Fettverbrenner, der in Europa gar nicht zugelassen ist.

"Da ist Geiz nicht nur geil, sondern da könnte Geiz tödlich sein."