Pionier des deutschen Bankengewerbes

Von Klaus Peter Weinert |
Das Bankengewerbe steckte in Deutschland noch in den Kinderschuhen, als 1851 in Berlin die von David Hansemann gegründete Disconto-Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb aufnahm. Mit der Umwandlung des genossenschaftlichen Modells in eine Kommanditgesellschaft begann der Aufstieg zu einer der führenden Banken Deutschlands, die 1929 mit der Deutschen Bank fusionierte.
"Wir befinden uns im Jahr der Gründung der Disconto-Gesellschaft 1851 unmittelbar anschließend an die Zeit nach der Revolution von 1848/49. Es ist eine Phase wirtschaftlicher Prosperität in Deutschland. Das Eisenbahnnetz wächst in dieser Zeit gewaltig. Die noch bescheidenen Industrien werden zunehmend ausgebaut und es besteht dadurch ein großer Finanzierungsbedarf. Diesen Finanzierungsbedarf können die traditionellen Banken, die ja im Grunde nur Privatbankiers waren, nicht decken."

Martin Müller, Leiter des Historischen Archivs der Deutschen Bank, die mit der Disconto-Gesellschaft 1929 fusionierte.

Als die Disconto-Gesellschaft am 15. Oktober 1851 in Berlin ihre Geschäftstätigkeit aufnahm, war sie ein genossenschaftliches Modell mit Gesellschaftern und Stillen Teilhabern, die Kredite bekamen, indem sie Wechsel an die Bank rediskontierten, also als Sicherheit übergaben, und dafür Geld erhielten. Daher der Name Disconto-Gesellschaft.

Doch den steigenden Kreditbedarf der aufstrebenden Unternehmen konnte die Genossenschaft bald nicht mehr decken. Ihr Gründer David Hansemann wandelte deshalb die Disconto-Gesellschaft 1856 in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien um, die in Preußen durch eine Gesetzeslücke möglich war, obgleich sie sich nur wenig von einer reinen Aktiengesellschaft unterschied, die sich wegen der noch mächtigen konservativen ostelbischen Großagrarier nicht durchsetzen konnte; für sie war die Aktiengesellschaft zu bürgerlich-liberal. Mit der neuen Gesellschaft konnte David Hansemann der Bank Kapital in Höhe von 10 Millionen Taler zuführen, was damals eine ungeheuer große Summe war: der Aufstieg zu einer der führenden Banken Deutschlands begann.

"Zunächst war die Industriefinanzierung vor allem der Stahl- und der Bergbauindustrie ein ganz wichtiges Geschäftsfeld. Hinzu kam dann die Staatsfinanzierung … und seit 1859 war die Disconto-Gesellschaft Mitglied des Preußenkonsortiums, also des exklusiven Kreises von Banken, die preußische Staatsanleihen an den Kapitalmarkt brachten. Ihr sogenannter Ritterschlag war eine sehr exponierte Stellung, als 1870 im Deutsch-Französischen Krieg es gelang eine Preußische Staatsanleihe am Londoner Kapitalmarkt unterzubringen."

Neben zahlreichen Gründungen im industriellen Bereich wie der Heinrichshütte oder der Dortmunder Union, später auch der Gelsenkirchener Bergwerks AG und dem Schalker Verein, engagierte sich die Disconto-Gesellschaft auch in Südamerika mit der Deutsch-Belgischen La-Plata-Bank. Doch aus diesen Geschäften zog sich Adolf Hansemann, der nach dem Tod seines Vaters 1864 die Bank übernahm, bald zurück. Er konzentrierte sich vor allem auf Berlin.

"Wenn man sich die führenden Berliner Banken in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ansieht, dann ist sicherlich ein Spezifikum der Disconto-Gesellschaft, dass sie sehr stark auf Berlin konzentriert war und blieb, und dass sie weniger als die Deutsche Bank und dann die bald nach Berlin kommende Dresdner Bank, Filialen gründet und eben in die Fläche geht, wie man heute sagen würde."

Erst um die Jahrhundertwende entschloss sich die Disconto-Gesellschaft doch, Berlin zu verlassen und Banken in anderen Teilen Deutschlands zu übernehmen. Allerdings verfolgte sie eine andere Strategie als die Deutsche oder die Dresdner Bank. Sie integrierte die Filialen nicht, ließ ihnen ihre Selbstständigkeit und baute sie auch nicht in dem Maße aus, wie dies andere Banken taten.

Der harte Wettbewerb nach dem Ersten Weltkrieg beförderte die Konzentrationen. Die großen Zusammenschlüsse der Industrieriesen: die Vereinigten Stahlwerke, die Oberschlesischen Hüttenwerke, die I.G. Farben, dann Daimler und Benz zwangen auch die Banken zu Fusionen, um mithalten zu können. 1929 vereinigten sich die Disconto-Gesellschaft und die Deutsche Bank, eine Verbindung unter Gleichberechtigten. Martin Müller, Leiter des Historischen Archivs der Deutschen Bank:

"Hinzu kam, dass die Banken nach dem Ersten Weltkrieg, und vor allem nach der Hyperinflation von 1923, nie mehr an ihre Rentabilitätsstärke vor dem Ersten Weltkrieg anknüpfen konnten. Rentabilität war in den 20er-Jahren ein Dauerthema. Und hier erhoffte man sich durch eine Fusion Kosten zu sparen, um effizienter arbeiten zu können."

Nach der Fusion war die "Disconto-Gesellschaft/Deutsche Bank", so der Name, die größte Bank Deutschlands. Die sperrige und unbeliebte Bezeichnung verschwand 1937; von da an hieß das Institut nur noch "Deutsche Bank".