Pioniergeist und Unternehmungslust
Im 19. Jahrhundert hatte die Weltkarte noch viele weiße Flecke - weite Teile der Erde waren in Europa völlig unbekannt. Imre Josef Demhardt stellt den deutsch-österreichischen Anteil an der Erkundung dieser Gebiete dar.
"Das Endresultat und der Endzweck aller geographischen Forschungen [...] ist […] die Karte", schrieb August Petermann, Gründer und Herausgeber der wichtigsten geografischen Zeitschrift "Petermanns Mitteilungen", 1866. Im 19. Jahrhundert war die Welt noch voller weißer Flecken. Weite Teile von Afrika, Südamerika, der Nord- und Südpol oder der Himalaya waren in Europa noch völlig unbekannt. Imre Josef Demhardt stellt den deutsch-österreichischen Anteil an der Erkundung dieser Gebiete dar.
Schon der Titel seines bilderreichen, großformatigen Buches verheißt Abenteuer: "Legendäre Forschungsreisen". Das klingt nach Pioniergeist, nach Unternehmungslust, nach unbekannten Gefahren und Entbehrungen. Viele dieser Pioniere sind heute fast vergessen. Nicht Humboldt natürlich, und vielleicht noch Alfred Wegener. Aber Philippi, Baumann, Vogel, Frobenius, Finsch oder Drygalski sind wohl nur noch dem Fachmann ein Begriff. Als solcher rekapituliert der Experte für historische Kartographie Imre Josef Demhardt in 17 Kapiteln die Lebenswege dieser Männer und die Ära der systematischen Entschleierung der Welt.
Manche der Forschungsreisenden schonten dafür weder Habe noch Leben oder Gesundheit. So machte sich Eduard Vogel 1856 mutig in das fremdenfeindliche Sultanat Wadai im Herzen von Afrika auf, wo sich für Jahre jede Spur von ihm verlor. Erst Gustav Nachtigal konnte 1873 als erster Europäer das Sultanat wieder lebend verlassen und seinen Tod bestätigen. Gerhard Rohlfs, ebenfalls Afrikareisender, tauschte 1867 völlig mittellos seine Kleider für ein Kanu ein, um zurück zum nächsten Handelspunkt zu kommen. Oder der schillernde Franz Junghuhn: Selbstmordversuch als Jugendlicher, tötete im Duell einen Kommilitonen, zu zehn Jahren Haft verurteilt, Flucht nach Paris, Fremdenlegion, wegen Krankheit nach Utrecht, Ausbildung zum Tropenarzt, Studienreisen durch Java und Sumatra. Wer zurückkehrte, brachte Reisebeschreibungen und Messdaten mit, aus denen zum ersten Mal verlässliche Karten dieser unbekannten Gebiete gewonnen werden konnten.
In den biografisch angelegten Kapiteln kommen persönliche Eindrücke der Feldforscher jedoch leider kaum zur Sprache. Wie riecht das neue Land? Wie schmeckt das Essen dort? Wie klappt die Verständigung mit den Einheimischen? Welche Eindrücke hinterlassen Landschaft, Klima, fremde Sitten? Selten ein Wort darüber. Stattdessen: Lebensdaten, Stationen und Ortsnamen, Jahresdaten von Expeditionen, technische Grundlagen der Kartographie und – natürlich – Skizzen, die von den Reisenden angefertigt und Karten, die aus ihren Daten gewonnen wurden.
Die Abenteuerhaftigkeit der Unternehmungen blitzt deshalb nur hier und da einmal in Demhardts Buch auf. Das hat vor allem auch mit seiner Sprache zu tun: Sein Stil ist unpersönlich und nüchtern, seine Sätze oft lang und voller Einschübe. So bleibt das Buch trotz großer Schauwerte mit seiner opulenten Optik und den wunderbaren historischen Kartenzeugnissen leider hinter seinen Möglichkeiten zurück.
Besprochen von Gerrit Stratmann
Imre Josef Demhardt: Aufbruch ins Unbekannte. Legendäre Forschungsreisen von Humboldt bis Hedin
Theiss Verlag, Stuttgart 2011
168 Seiten, 39,90 Euro
Schon der Titel seines bilderreichen, großformatigen Buches verheißt Abenteuer: "Legendäre Forschungsreisen". Das klingt nach Pioniergeist, nach Unternehmungslust, nach unbekannten Gefahren und Entbehrungen. Viele dieser Pioniere sind heute fast vergessen. Nicht Humboldt natürlich, und vielleicht noch Alfred Wegener. Aber Philippi, Baumann, Vogel, Frobenius, Finsch oder Drygalski sind wohl nur noch dem Fachmann ein Begriff. Als solcher rekapituliert der Experte für historische Kartographie Imre Josef Demhardt in 17 Kapiteln die Lebenswege dieser Männer und die Ära der systematischen Entschleierung der Welt.
Manche der Forschungsreisenden schonten dafür weder Habe noch Leben oder Gesundheit. So machte sich Eduard Vogel 1856 mutig in das fremdenfeindliche Sultanat Wadai im Herzen von Afrika auf, wo sich für Jahre jede Spur von ihm verlor. Erst Gustav Nachtigal konnte 1873 als erster Europäer das Sultanat wieder lebend verlassen und seinen Tod bestätigen. Gerhard Rohlfs, ebenfalls Afrikareisender, tauschte 1867 völlig mittellos seine Kleider für ein Kanu ein, um zurück zum nächsten Handelspunkt zu kommen. Oder der schillernde Franz Junghuhn: Selbstmordversuch als Jugendlicher, tötete im Duell einen Kommilitonen, zu zehn Jahren Haft verurteilt, Flucht nach Paris, Fremdenlegion, wegen Krankheit nach Utrecht, Ausbildung zum Tropenarzt, Studienreisen durch Java und Sumatra. Wer zurückkehrte, brachte Reisebeschreibungen und Messdaten mit, aus denen zum ersten Mal verlässliche Karten dieser unbekannten Gebiete gewonnen werden konnten.
In den biografisch angelegten Kapiteln kommen persönliche Eindrücke der Feldforscher jedoch leider kaum zur Sprache. Wie riecht das neue Land? Wie schmeckt das Essen dort? Wie klappt die Verständigung mit den Einheimischen? Welche Eindrücke hinterlassen Landschaft, Klima, fremde Sitten? Selten ein Wort darüber. Stattdessen: Lebensdaten, Stationen und Ortsnamen, Jahresdaten von Expeditionen, technische Grundlagen der Kartographie und – natürlich – Skizzen, die von den Reisenden angefertigt und Karten, die aus ihren Daten gewonnen wurden.
Die Abenteuerhaftigkeit der Unternehmungen blitzt deshalb nur hier und da einmal in Demhardts Buch auf. Das hat vor allem auch mit seiner Sprache zu tun: Sein Stil ist unpersönlich und nüchtern, seine Sätze oft lang und voller Einschübe. So bleibt das Buch trotz großer Schauwerte mit seiner opulenten Optik und den wunderbaren historischen Kartenzeugnissen leider hinter seinen Möglichkeiten zurück.
Besprochen von Gerrit Stratmann
Imre Josef Demhardt: Aufbruch ins Unbekannte. Legendäre Forschungsreisen von Humboldt bis Hedin
Theiss Verlag, Stuttgart 2011
168 Seiten, 39,90 Euro